Ob Kometen, Hungersnot auf der Alb oder Hochwasser in Blaubeuren - Naturkatastrophen galten lange als göttliche Strafe. Heute dagegen zählt der Mensch als Verursacher, sagt Autor Thomas Adam.
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Gleich mehrere Kometen nacheinander sind 1618 zu Beginn des Dreißigjährigen Krieges beobachtet worden. Fünf Gelehrte setzten sich damit im so genannten "Ulmer Kometenstreit" auseinander. Es ging darum, ob die Kometen Zeichen für den Zorn Gottes oder natürliche Erscheinungen waren. Denn Kometen, Sonnen- und Mondfinsternisse galten als Unglücksboten mit Symbolcharakter, schreibt Autor Thomas Adam in seinem Buch Feuer, Fluten, Hagelwetter. Naturkatastrophen in Baden-Württemberg (Theiss-Verlag, 223 Seiten, 24,95 Euro).


Kommentar: Das Wort Disaster bedeutet im Englischen: "böser Stern".





1815 brach in Indonesien der Vulkan Tambora aus und verursachte global Kältejahre. In Baden und Württemberg folgte 1816 ein "furchtbares Jahr ohne Sommer", sagt Adam. Auf der Schwäbischen Alb blieb der Schnee liegen, es gab Nachtfröste, heftigen Regen, Gewitter, Graupel. Es kam zu Missernten, Teuerung und Hungersnot. "80 Prozent sollen in einzelnen Orten auf der Schwäbischen Alb ohne Nahrung gewesen sein." Auch diese Katastrophe sei als Zeichen Gottes ausgelegt worden. "Manch einen hat die Krise von Neuem das Beten gelehrt", habe ein Zeitgenosse geäußert. Katholische Kirchgänger sahen in der Not eine göttliche Strafe für aufkommende Verweltlichung.

Donner, Blitz, Feuer, Überschwemmungen, Erdstöße werden als Strafgericht gedeutet, als Zeichen des bevorstehenden Weltuntergangs. "Zornige, über menschliches Fehlverhalten erboste Götter verhängen die Katastrophe als demonstratives Zeichen, als gezielten Akt der Vergeltung. Nur die Himmelsmächte können der entfesselten Gewalt Einhalt gebieten", erklärt Adam. So wurden etwa Kreuze gesetzt zum Schutz von Feldfrüchten vor Sturm und Hagel. Menschen hätten das Bedürfnis, die ständige Bedrohung durch die Natur in größere Zusammenhänge zu stellen, sie verlangten nach Sinndeutung. Religion könne dabei erklären und trösten. Adam spricht von der "Gefahr vor der Haustür". Bei den Recherchen zum Buch habe er eine Entdeckung gemacht, die ihn fasziniere: Am bedrohlichsten seien für uns nicht Erdstöße - obwohl die Schwäbische Alb zu den seismisch aktivsten Gebieten diesseits der Alpen zähle. Viel gefährlicher seien Hochwasser nach Sommergewittern. Kleine Bäche schwellen so schnell an, man könne sich darauf nicht vorbereiten: "Die schwerste Form von Naturgewalt bei uns, völlig unterschätzt." Auch wenn Baden-Württemberg im globalen Maßstab eine "Insel der Seligen" sei.

Immer hat der Mensch versucht, dem Unheil von Naturkatastrophen Grenzen zu setzen. Einst mit Zauberformeln und Gebeten. Dann mit technischen Mitteln. Gefolgt von der ernüchternden wissenschaftlichen Erklärung, dass Katastrophen nur Zufall sind und Naturgesetzen folgten. Ohne tieferen Sinn. In der Deutung von Extremereignissen hat es eine grundsätzliche Wendung gegeben. "Bis nach dem Zweiten Weltkrieg galten mächtige Naturgewalten als feindliche Kräfte, zerstörerische Widersacher des Menschen, der einen verzweifelten Kampf gegen das Unheil führt." In den 1970er Jahren hat sich das Bild gedreht: Fortschrittskritik wurde laut, Kritik an technischen Errungenschaften wie Dämmen, Regenrückhaltebecken und versiegelten Flächen. Kritik an einem naiven Glauben von grenzenloser Machbarkeit, der hausgemachte Katastrophen heraufbeschwörte. An Weihnachten 1999 mähte Orkan Lothar Großteile des Schwarzwalds nieder. Zweifellos spiele der Mensch beim Klimawandel eine entscheidende Rolle, sagt Adam. Die frühere Deutung, dass Gott für religiöse Sünden straft, sei der Auffassung gewichen, dass sich der Mensch durch seine Eingriffe in die Umwelt als Sünder sieht.