Schiitischer Geistlicher Nimr al-Nimr
© REUTERSSchiitischer Geistlicher Nimr al-Nimr auf einem Plakat im Jemen (2014): Unter den 47 Hingerichteten
Die Urteile erfolgten wegen Terrorismus, krimineller Verschwörung und Anstiftung zu Gewalt: Saudi-Arabiens Henker haben an diesem Samstag 47 Menschen hingerichtet - darunter einen prominenten schiitischen Geistlichen.

Saudi-Arabien hat an diesem Samstag 47 Menschen exekutiert, die offiziell wegen Terrorismus, Anstiftung zu Gewalt und krimineller Verschwörung verurteilt worden waren. Zu den Hingerichteten zählt der prominente schiitische Geistliche Scheich Nimr al-Nimr , wie das Innenministerium mitteilte. Nimr hatte zu den Anführern der Schiiten-Proteste im Osten des Königreichs gehört, die im Zuge des Arabischen Frühlings 2011 ausgebrochen waren. Zudem wurden auch mehrere Sunniten hingerichtet, die als Mitglieder des Terrornetzwerks al-Qaida in den Jahren 2003 und 2004 tödliche Anschläge im Königreich verübt hatten.

Das Innenministerium teilte weiter mit, die Hingerichteten seien wegen Mitgliedschaft in "terroristischen Organisationen" und der Ausführung "krimineller Verschwörungen" verurteilt worden und hätten einer radikalen Strömung des Islamismus angehört. Bis auf einen Ägypter und einen Tschader waren alle Saudi-Araber. Nicht auf der Liste war Nimrs ebenfalls zum Tode verurteilter Neffe, der zur Zeit seiner Festnahme während der Proteste erst 17 Jahre alt war.

Nimr war ein entschiedener Gegner des sunnitischen Königshauses in Riad. Er hatte während der Proteste 2011 die Abspaltung der mehrheitlich schiitischen Regionen Katif und al-Ihsaa im Osten des Landes befürwortet. Vor einem Jahr wurde er wegen Aufwiegelung, Ungehorsams und Waffenbesitzes von einem Sondertribunal zum Tode verurteilt. Ende Oktober wurde das Todesurteil vom Obersten Gerichtshof Saudi-Arabiens bestätigt.

So viele Exekutionen wie seit 20 Jahren nicht mehr

Iran, das sich als Schutzmacht der Schiiten sieht, warnte die Regierung in Riad daraufhin vor der Hinrichtung Nimrs. Sollte das Todesurteil gegen den Geistlichen vollstreckt werden, werde Saudi-Arabien einen "hohen Preis zahlen", sagte der iranische Vizeaußenminister. Die meisten der rund zwei Millionen saudi-arabischen Schiiten leben im Osten des Landes. Die schiitische Minderheit klagt seit Langem über religiöse und soziale Diskriminierung durch das wahhabitische Herrscherhaus.

Saudi-Arabien hatte 2015 laut Menschenrechtlern so viele Todesurteile vollstreckt wie seit 20 Jahren nicht mehr. Das ultrakonservative Königreich, in dem eine besonders strenge Auslegung des islamischen Rechts der Scharia gilt, richtete im vergangenen Jahr laut einer Zählung der Nachrichtenagentur AFP 153 Menschen hin.

Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International hatte für den Zeitraum von Januar bis November eine Zahl von mindestens 151 Hingerichteten ermittelt. Im gesamten Jahr 2014 waren es demnach noch 90. Seit August 2014 hatte die Zahl der Exekutionen aber deutlich zugenommen, unter dem im Januar 2015 inthronisierten König Salman hat sich dieser Trend beschleunigt. Ein zynisches Anzeichen dafür: Im Mai vergangenen Jahres suchten die Behörden per Stellenanzeige acht neue Henker.

Das Land steht seit Jahren wegen der hohen Zahl von Hinrichtungen in der Kritik internationaler Menschenrechtsorganisationen. Amnesty International wirft dem Regime vor, es setze das Todesurteil auch als politisches Instrument gegen die schiitische Minderheit ein. Auch wichtige Verbündete wie die USA äußern sich kritisch, scheuen aber vor Sanktionen gegen das ölreiche Land zurück.

Vergleich Strafen Saudi-Arabiens IS
© SPIEGEL ONLINEVergleich von Strafen Saudi-Arabiens und des IS
fdi/dpa/AFP