Seit nunmehr 5 Jahren beschäftige ich mich intensiv mit dem Thema Ernährung, insbesondere mit der Low-Carb-Diät. Und seit jeher haben deutsche Ernährungsbehörden immer mit drohendem Zeigefinger vor low carb gewarnt, darauf herumgehackt und Kohlenhydrate für lebensnotwendig erklärt. Bis jetzt!

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© ChrisKresser.com
Allmählich ändert sich die Meinung zu Kohlenhydraten, auch wenn die Botschaft - wie so oft in den deutschen Medien - negativ und missmutig verpackt ist. Jetzt heißt es nämlich: Low Carb ist gerade so okay, aber No Carb geht ja überhaupt nicht!

Als Grundlage nehme ich den Artikel von t-online.de darüber, dass man "prinzipiell ohne Kohlenhydrate leben kann, weil sie nicht essenziell sind", aber andererseits heißt es dort: "...ohne kommt der Körper kaum aus". Ja was denn nun?

Es ist dabei zunächst zweitrangig, welche Kritik hier eigentlich genannt wird, denn wichtiger sind mir die Zugeständnisse, die nun von offizieller Seite verlautbart werden, nämlich von einem Professor des Deutschen Instituts für Ernährungsforschung (DIfE).

Die dogmatische Aussage der Vergangenheit

"Kohlenhydrate sind lebensnotwendig"

wird ersetzt durch

"Prinzipiell kann man sogar ganz ohne Kohlenhydrate leben, weil sie nicht essenziell sind".

Erstere Aussage ist mir übrigens in der Vergangenheit hin und wieder von kritischen Lesern entgegen geworfen worden. Ich hoffe, dass nun klar ist, dass Kohlenhydrate wirklich nicht essenziell sind. Und ja, ich habe das selber probiert. Inklusive temporärerMüdigkeitserscheinungen.

Doch warum diese Aussage? Die Antwort:

"...dass sich der Mensch ausschließlich von Eiweißen und Fetten ernähren kann, hätten etwa die Inuit gezeigt".

Ach so. Das sagen wir Low Carber zwar schon lange, aber von offizieller Seite wollte das bisher nie jemand wahrhaben...

Und die Kehrtwende

Gleichzeitig empfiehlt der Ernährungsforscher, man solle weniger Reis, Weißbrot und Kartoffeln essen. Immerhin! Das ist doch schon mal ein Anfang. Leider bleibt er insgesamt bei dem Ratschlag, man solle "40 bis 50 Prozent seiner Ernährung" über Kohlenhydrate abdecken. Schade eigentlich. Hier wäre die Chance gewesen, sich einmal deutlich für eine wenigstens ansatzweise Reduzierung von Kohlenhydraten auszusprechen. Doch die Ratschläge des Professors beziehen sich nur auf die Art der Kohlenhydrate, nicht die prozentuale Menge.

Er empfiehlt komplexe statt einfachen Kohlenhydraten, was meiner Meinung nach ein Tropfen auf den heißen Stein ist.

Warum hält der Professor aus diesem Artikel an seiner Haltung fest, obwohl er weiß, dass Inuit quasi kohlenhydratfrei (und nebenbei ohne Zivilisationskrankheiten) gelebt haben, bevor der Fortschritt bei ihnen Einzug hielt? Seine Begründung ist:

"Denn der menschliche Körper sei an Ballaststoffe und Vitamine aus Produkten wie Getreide gewöhnt".

Halten wir nochmal fest: Der Grund, warum deutsche Ernährungsbehörden seit Jahrzehnten an Kohlenhydraten festhalten, soll also nicht die etwaige Lebensnotwendigkeit der Kohlenhydrate sein, sondern die Tatsache, dass Kohlenhydrate eben zufällig in Begleitung wichtiger (Vitamine) und sinnvoller (Ballaststoffe) Stoffe in der Nahrung auftauchen.

Warum lautet der Appell dann nicht: Esst mehr Ballaststoffe und Vitamine? Das wäre doch logischer und sinnvoller gewesen. Warum nimmt man die Kohlenhydrate als Anker, als Orientierungspunkt? Weiß der Durchschnittsbürger, wie viele Ballaststoffe und Vitamine er zu sich nimmt, wenn er pauschal 40-50 Prozent Kohlenhydrate aufnimmt?

Dass in Getreide besonders viele Vitamine enthalten seien, ist außerdem ein Trugschluss. Das ganze Korn ist natürlich auf dem Feld einigermaßen vitalstoffreich. Dann kommt es aber in die Mühle, dann in die Fabrik, wird dort noch weiter verarbeitet, landet dann im Kochtopf oder Ofen. Wer sich ein bisschen mit Vitaminen auskennt, weiß, dass diese nicht viel Verarbeitung aushalten. Und auch Ballaststoffe sind in Vollkornnudeln nicht so wahnsinnig viele vorhanden, wie ich finde.

Mehr Aufmerksamkeit auf gesunde Lebensmittel legen!

Was also ist sinnvoll? Wie wäre es, wenn man sich auf Lebensmittel konzentriert, die von sich aus viele Ballaststoffe und Vitamine haben? Es kann uns doch Schnuppe sein, wie viele Kohlenhydrate genau solche Lebensmittel haben. Die brauchen wir ja nicht.

Deshalb hier ein paar Gegenvorschläge. Nehmen wir Ballaststoffe. Dinkelkleie hat pro 100 Gramm 45 Gramm Ballaststoffe, aber nur 17 Gramm Kohlenhydrate. Reicht das, Herr Professor? Es sollte reichen, denn so einen hohen Ballaststoffgehalt findet man in keiner Beilage, in keinem Brot, in keinen Linsen, Nudeln, Bohnen oder sonstigen Lebensmitteln. Zumindest kenne ich keine Nahrungsmittel aus dem Alltag, die das bieten. Eine Packung mit 250 Gramm Inhalt reicht für Wochen, und schon ein Löffel pro Mahlzeit übertrifft bestimmt alle Empfehlungen. Als Alternative bieten sich beispielsweise noch Chia-Samen an. Meine haben nicht einmal 5 Gramm Kohlenhydrate, aber 33,7 Gramm Ballaststoffe.

Nehmen wir Vitamine. Wo stecken die wohl am meisten? Wie wäre es mit Obst und Gemüse? Es müssen noch nicht einmal Bohnen, Erbsen oder andere Hülsenfrüchte sein. Manche Gemüsesorten haben 3-5 Gramm Kohlenhydrate pro 100 Gramm. Selbst Obst kann mit relativ wenig Kohlenhydraten auskommen und hat noch dazu Ballaststoffe. Ein Kohlenhydratgehalt zwischen 5 und 20 Prozent ist normal, alles andere eher selten.

Schon diese beiden Tipps sorgen dafür, dass man automatisch nie im Leben auf 40 bis 50 Prozent Kohlenhydrate kommt oder kommen muss. Überhaupt nicht nötig. Warum auch? Kohlenhydrate sind nicht lebensnotwendig.

Low-Carb-Ernährung wird von Medien und Behörden oft verteufelt, weil auch Vorurteile bedient werden, zum Beispiel, dass man dann nur Wurst und Sahne essen würde. Das ist natürlich eine vollkommen unverantwortliche Ernährung. Alle Aussagen, low carb sei ungesund, beruhen auf solchen Annahmen. Auf der anderen Seite muss man nicht an Kohlenhydraten festhalten wie verrückt. Schon gar nicht in diesen Mengen.

Natürlich gibt es auch eine andere Seite der Kohlenhydrate. Zum Beispiel in Bezug auf die Schilddrüsenfunktion. Nichts ist nur schwarz und weiß. Doch so tief gehen die Argumente der Ernährungsbehörden ohnehin nicht.

Besonders entlarvend übrigens: Auch Diabetiker (umgangssprachlich: Zuckerkranke) sollen laut unserer Behörden schön brav Kohlenhydrate essen. Und zu was werden alle Kohlenhydrate, egal wie komplex sie sind, solange sie vom Körper verwertet werden? Dieser Widerspruch ist mir schon vor 11 Jahren aufgefallen, als ich einen Schwerstmehrfachbehinderten Diabetiker mit Apfelmus und Bananen füttern musste. Jeden Tag diese brutalen Schwankungen im Blutzuckerspiegel... schrecklich.

Mein Fazit: Es ist auf jeden Fall sinnvoll, Argumentationen zu hinterfragen und selbst nachzudenken. Ich hege den relativ starken Verdacht, dass hinter den Vorschlägen unserer Ernährungsbehörden viel Lobbyismus aus der Nahrungsmittelindustrie steckt. Was meint ihr dazu?