Ein eigentümlicher Pilz rafft in Nordamerika Millionen Fledermäuse dahin. In Europa überleben die Tiere das gefürchtete Weißnasen-Syndrom dagegen. Warum? Forscher haben nun eine Antwort.
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In den USA sterben sie millionenfach, in Europa überleben sie: Warum sind Fledermauspopulationen hierzulande besser vor dem Weißnasen-Syndrom geschützt? Dieser Frage ist nun ein internationales Forscherteam auf den Grund gegangen. Das Ergebnis: Offenbar sind die Tiere in Europa besser an die Erkrankung, die von einer Pilzinfektion ausgelöst wird, angepasst, berichten die Wissenschaftler im Fachjournal Science Advances. So seien europäische Fledermäuse größer und überwinterten an trockeneren und kälteren Plätzen - beides habe einen schützenden Effekt.

Das Weißnasen-Syndrom zählt zu den Wildtierkrankheiten mit der schnellsten bekannten Ausbreitung. Der ursprünglich in Europa beheimatete Pilz Pseudogymnoascus destructans breitet sich seit 2006 rasant im östlichen Nordamerika aus. Inzwischen ist er bei sieben Arten sowie in 26 US-Bundesstaaten und fünf kanadischen Provinzen nachgewiesen worden, wie die Autoren schreiben. Millionen Tiere seien daran verendet.

Der Pilz befällt die Haut von Fledermäusen im Winterschlaf. Infizierte Tiere wachen häufiger auf und verbrauchen so viel Energie. Sie zehren ihre Fettreserven auf und sterben schließlich. Eine einzelne Störung führe bei einer bei fünf Grad überwinternden Kleinen Braunen Fledermaus zum Beispiel zu einem Energieverbrauch, wie er sonst in 67 Tagen Winterruhe anfalle, erklären die Forscher.

Ort des Winterschlafs ist entscheidend

Bei europäischen Fledermäusen verläuft eine Infektion meist weit weniger dramatisch. Wissenschaftler vermuten schon länger, dass dies daran liegt, dass die europäischen Tiere den Kampf gegen die Pilzerkrankung schon sehr lange führen und bereits gute Abwehrmechanismen entwickelt haben.

Die Forscher um David Hayman von der Massey University in Palmerston North (Neuseeland) untersuchten mögliche Faktoren nun im Detail. Einbezogen wurden für Nordamerika die stark betroffene Kleine Braune Fledermaus (Myotis lucifugus) und die weniger betroffene Große Braune Fledermaus (Eptesicus fuscus). Zum Vergleich nutzten die Forscher Werte zweier europäischer, vom Pilz kaum beeinflusster Arten: Breitflügelfledermaus (Eptesicus serotinus) und Mausohr (Myotis myotis). Die Wissenschaftler kombinierten in ihren Rechenmodellen unter anderem Daten zum Energieverbrauch während des Winterschlafes, zum Pilzwachstum und zum Klima.

Demnach kann der Energieumsatz von Fledermäusen, die an eher feuchten Orten überwintern, das Wachstum des Pilzes erheblich begünstigen. Auch artentypische Merkmale wie Größe und Stoffwechsel beeinflussten die Infektion, erläutern die Forscher. Nordamerikanische Fledermausarten, die größer sind und an trockeneren und/oder kälteren Plätzen überwintern, überlebten die Pilzkrankheit nach bisherigen Beobachtungen häufiger. Die Fledermäuse in Europa seien in der Vergangenheit wahrscheinlich stark auf solche Körper- und Verhaltensmerkmale hin selektiert worden, schreiben die Forscher.

Bei den meisten betroffenen Arten drängen sich die Tiere im Winter in Baumhöhlen oder Felsspalten eng aneinander, die Stoffwechselaktivität nimmt stark ab. Für den Pilz sind das beste Bedingungen, um zu wachsen und sich zu verbreiten. Schon 2010 starben nach Schätzungen mindestens eine Million nordamerikanische Fledermäuse an der Infektion. Inzwischen befürchten Experten sogar das Aussterben einzelner Arten auf dem Kontinent. Düster sehe es etwa für die Kleine Braune Fledermaus aus, betonen die Forscher.

joe/dpa