Putin
Wagen wir ein kleines Gedankenexperiment: Was wäre, wenn Putin einen gerechten Krieg führte? Gibt es überhaupt "gerechte Kriege"? Die meisten Menschen aus der Friedensbewegung mit pazifistischen Überzeugungen würden diese Frage mit Nein beantworten. Und das führt natürlich dazu, dass auch die Politik Russlands durch dieselbe Brille gesehen wird, nach dem Motto: die machen ja in Syrien die gleiche imperialistische Politik wie der Westen. Dieser Reflex ist auch verständlich, schließlich wurden wir immer und immer wieder von den USA und seinen Vasallen Verbündeten belogen, es werden seit Jahrzehnten brutale Angriffskriege geführt, die man mit großen Worten rechtfertigt. Und so können wir uns einfach nicht vorstellen, dass eine kriegerische Auseinandersetzung jemals auf etwas Anderem beruhen könnte als Lügen und niederen Motiven. Und wir können uns nicht vorstellen, dass eine mächtige Regierung - die russische Regierung unter Putin - tatsächlich andere Ziele verfolgen könnte als die obszöne Bereicherung der Machtelite.

Diesen automatischen Reflex können wir heute bei vielen alternativen Medien und Menschen beobachten, die tatsächlich davon überzeugt zu sein scheinen, dass nur absolute Friedlichkeit den Frieden fördern kann. In einer idealen Welt, in der alle Menschen dieses Ziel anstreben, wäre ein solche Vorgehensweise wirklich sinnvoll und effektiv: Jedoch leben wir nicht in einer solchen Welt. Wir leben in einer Welt, in der es tatsächlich Menschen gibt, die über keinerlei Gewissen verfügen und so das Elend auf dieser Welt bewusst fördern, sei es aus grenzenloser Gier, Machtstreben oder weil es ihnen Spaß bereitet Andere leiden zu sehen. Und gerade normale Menschen mit einem Gewissen und ausgeprägten Gerechtigkeitsempfinden, die sich dieser Tatsache nicht bewusst sind, sind empfänglich für die Suggestionen und Manipulationen dieser gewissenlosen Menschen. Diese Manipulation führt leider dazu, dass viele Menschen, die vermeintlich für Frieden und Gerechtigkeit einstehen, durch diesen absoluten Pazifismus genau das Gegenteil fördern. Ihre rigiden Moralsysteme werden ausgenutzt, um sie blind für die Realität zu machen. Das aktuell wohl beste Beispiel für diesen Mechanismus ist der militärische Einsatz Russlands in Syrien.

Der böse Russe im Wald: die Moral der Kriegsdienstverweigerung

Erinnern wir uns für einen Moment an das, was Kriegsdienstverweigerer in Deutschland erdulden mussten, als die Wehrpflicht noch galt und zu Zeiten vor der „Postkarten-Verweigerung“. Damals musste der Verweigerer noch eine perfide Befragung über sich ergehen lassen - inklusive Fangfragen, die den Pazifismus des Verweigerers in Frage stellen sollten. Der kolportierte Klassiker solcher Verweigerer-Befragungen ist folgende Frage: Sie gehen mit Ihrer Freundin im Wald spazieren, und plötzlich kommt ein böser Russe (sic), der sich an ihr vergreifen will. Sie haben die Chance, ihn niederzustrecken oder gewähren zu lassen - wie entscheiden Sie sich?

Nun spielt diese Frage auf unfaire Weise bewusst mit unserem Gerechtigkeitsempfinden und unserer Ehre. Unfair deshalb, weil der Zusammenhang zwischen „Freundin beschützen“ und „Kriegsdienst verweigern“ natürlich konstruiert ist: Ich kann ja die Niederstreckung eines Vergewaltigers aus Notwehr befürworten und trotzdem gegen die illegalen Angriffskriege meiner Regierung sein und deshalb den Dienst an der Waffe verweigern. Aber genau das ist der Trick: Angriffskriege werden von den Herrschenden stets mit legitimer Notwehr und legitimen Auffassungen von Ehre verknüpft, um diese zu rechtfertigen. Aber die Ablehnung dieser obszönen Kriege und die Bereitschaft, im Notfall für eine moralisch sinnvolle Handlung Gewalt einzusetzen, schließen sich nicht zwangsläufig aus.

Versteht man Pazifismus aber als bedingungslose Ablehnung jedweder Gewalt oder zumindest jedes Krieges, so begeben wir uns auf das schwierige Terrain absoluter moralischer Gebote. Viel wurde darüber geschrieben, aber lassen Sie uns der Einfachheit halber auf die zwei wichtigsten Strömungen in der Ethik blicken, um ein Gespür dafür zu bekommen, wie vertrackt die Angelegenheit ist.

Das ethische Dilemma des Pazifismus

Die beiden wichtigsten Grundströmungen in der Ethik sind die deontologische Ethik mit Immanuel Kant als wohl wichtigstem Vertreter und die konsequenzialisitische Ethik mit der wohl bekanntesten Spielart des Utilitarismus, den insbesondere J. Bentham und John Stuart Mill geprägt haben und der übrigens auch einen großen Einfluss auf unsere ökonomischen Theorien hatte.

Die deontologische Ethik stellt moralische Pflichten in den Mittelpunkt (gr. deon = das Erforderliche, das Gesollte, die Pflicht). Hier werden also Handlungen als prinzipiell gut oder schlecht bewertet, ohne die Konsequenzen zu beachten. In der Ethik Kants zum Beispiel ist richtig, was dem kategorischen Imperativ entspricht, unabhängig von den konkreten Folgen. Und hier liegt auch das Problem - auf Wikipedia lesen wir:
Eine generelle Kritik an deontologischen Theorien ist das sogenannte Paradoxon deontologischer Verbote [...]. Dieses Paradoxon entsteht dadurch, dass deontologische Theorien Handlungen den Wert gut oder schlecht unabhängig von ihren konkreten Folgen zuschreiben. Es ist aber denkbar, dass die Ausführung einer verbotenen Handlung die Ausführung mehrerer, ebenfalls verbotener Handlungen verhindert.
Wenn wir also zum Beispiel sagen, Krieg sei grundsätzlich falsch und es sei unsere Pflicht, Kriege zu verhindern, was wäre dann, wenn ein Krieg einen größeren Krieg oder eine Vielzahl von Kriegen verhindert? Solche Überlegungen führen uns zur konsequenzialistischen Ethik, mit dem Utilitarismus als prominentester Form.

Ethik Knoten
Absolute moralische Gebote führen meist zu Denkknoten und falschen Schlüssen
Die Grundformel des Utilitarismus lautet: „Diejenige Handlung bzw. Handlungsregel (Norm) ist im sittlichen bzw. moralischen Sinne gut bzw. richtig, deren Folgen für das Wohlergehen aller von der Handlung Betroffenen optimal sind.“ Eine solche Ethik lässt natürlich Kriege zu, wenn sie sozusagen das (Gesamt-)Wohlergehen aller Betroffenen maximieren. Ein Krieg etwa, der begrenzt, schnell und präzise durchgeführt wird und einen Weltkrieg verhindert, kann somit gerechtfertigt werden. Allerdings führt auch der Utilitarismus zu Problemen - zum Beispiel lassen sich mit solchen Überlegungen Folter und Todesstrafe rechtfertigen. Und natürlich kommt es immer darauf an, wie wir „Wohlergehen“ definieren.

Das Problem mit rigiden ethischen Systemen scheint zu sein, dass ihnen eine Vorstellung einer „idealen Welt“ innewohnt. Der Pazifist etwa wünscht sich eine Welt ohne Krieg und lehnt deswegen Krieg prinzipiell ab. Aber er hat natürlich keinen Einfluss darauf, ob es in der Welt nun Kriege gibt oder nicht, oder Situationen, die eventuell einen Krieg rechtfertigen könnten. Der Utilitarist, der die Folgen abwägt, hat hingegen das Problem, dass er mit seinen Berechnungen nicht die ganze Welt erfassen kann - zudem fehlt ihm sozusagen ein moralisches Fundament, auf das er sich berufen könnte und das allzu unintuitive Ergebnisse verhindert. Im Grunde übersteigen beide Vorstellungen das menschlich mögliche, denn der Mensch ist weder allmächtig noch allwissend. Er kann weder trotzig durch sein Handeln eine vermeintlich ideale Welt erschaffen noch alle Folgen perfekt abwägen.

Vielleicht hatte der frühe Wittgenstein ja Recht mit der Ansicht, dass wir von Moral nicht sprechen können, da sie sich auf etwas außerhalb der menschlichen Sphäre bezieht? Vielleicht müssen wir in diesem Zusammenhang tatsächlich auch über höhere Ebenen nachdenken - eben außerhalb der menschlichen Sphäre - , jedoch ist das ein anderes Thema. Festzuhalten ist jedenfalls, dass absolute moralische Gebote und ethische Systeme problematisch sind, was sich exemplarisch am Dilemma des Pazifismus zeigt. Über diese rigiden Moralsysteme können wir manipuliert werden, brutale "humanitäre Interventionen" oder Folter zu akzeptieren.

Der Teufel steckt im Detail

Wenn wir mit absoluten moralischen Gesetzen nicht weiterkommen, müssen wir uns also der schwierigen Aufgabe stellen, Einzelfälle zu betrachten. Es ist anstrengend, aber unausweislich für eine aufgeklärte Meinungsbildung.

Nehmen wir zum Beispiel den Hitler-Vergleich, der vom Westen immer und immer wieder vorgebracht wird. So rechtfertigte Joschka Fischer den ersten Bundeswehr-Einsatz damit, Milosevic sei ein neuer Hitler, den man aufhalten müsse. Das funktioniert natürlich deshalb so gut, weil niemand etwas gegen diese Logik sagen kann: Natürlich ist es sinnvoll, Hitler zu stoppen! Dieser Trick hebelt die grundsätzliche Ablehnung von Krieg durch den Pazifismus aus, weil selbst hartgesottene Pazifisten wohl nicht der Meinung sind, man hätte Hitler ohne Widerstand die Weltherrschaft an sich reißen lassen sollen. Somit wird das ganze Konzept des Pazifismus in Frage gestellt und damit Krieg gerechtfertigt. Ein billiger Trick, der leider erstaunlich gut funktioniert.

Wenn wir jedoch Pazifismus anders auffassen, nämlich als Ablehnung von Krieg, die aber eng definierte Ausnahmen zulässt - ähnlich wie wir Gewalt ablehnen können, aber dennoch Notwehr zulassen - , dann greift der rhetorische Hitler-Trick nicht mehr und stellt nicht mehr unsere ganze Weltanschauung in Frage. Dann müssen wir nicht mehr in absoluten Geboten und Ideologien denken, sondern können die Ärmel hochkrempeln und die Fakten checken, recherchieren und das große Ganze sehen. Anschließend können wir den westlichen Kriegstreibern erwidern: Ja, schön und gut, wäre da ein zweiter Hitler, dann hättest Du vielleicht recht. Aber hier gibt es keinen zweiten Hitler! Du belügst mich, um mich von Deinen obszönen Wirtschafts-Kriegen zu überzeugen! Und genau das tat Joschka Fischer vor dem Kosovo-Krieg, das tat G. W. Bush vor dem Irakkrieg, das tat der Westen im Falle des Libyen-Kriegs, und das tun unsere Medien heute in Bezug auf Putin und Assad. Bleibt die Frage: Wie steht es um Russlands Handeln?

Putins Intervention in Syrien: moralisch richtig?

Glaubt man der westlichen Berichterstattung, so möchte Russland in Syrien lediglich seinen Verbündeten Assad aus geopolitischen Gründen schützen und nimmt dabei die Tötung unschuldiger Zivilisten und „moderater Rebellen“ in Kauf. Ein klarer Fall eines moralisch verwerflichen Kriegs also. Gewissermaßen schützt der eine Hitler den anderen Hitler, weil Hitlers das halt so machen. Die westliche Anti-ISIS-Koalition hingegen handelt aus Notwehr: Das Schreckgespenst ISIS verübt schließlich Terroranschläge im Westen und muss daher bekämpft werden. Soweit die Geschichte. In Wahrheit sieht die Lage allerdings ganz anders aus, aber die Wahrheit müssen wir herausfinden, um beurteilen zu können, ob sich ein Kriegseinsatz rechtfertigen lässt oder nicht. Hier ein paar Fakten:

Der Westen unter Führung der USA und unter Beteiligung seiner Verbündeten Saudi-Arabien und Türkei: Russland hingegen
  • hat über Jahre hinweg der westlichen Aggressionspolitik gegen das eigene Land (NATO-Expansion, Regime Changes an den Grenzen Russlands etc.) zugeschaut nach dem Motto: Geben wir denen noch eine Chance, wir setzen lieber auf Diplomatie und Kooperation,
  • konnte nach den Erfahrungen von Afghanistan, Irak, Libyen usw. sehen, wohin die Reise in Syrien geht und sieht sich und seine Sicherheit direkt bedroht - der Westen hat seine letzte Chance verspielt,
  • tut in Syrien genau das, was der Westen sonst stets fälschlicherweise behauptet zu tun: präzise, effektive Kriegsführung auf Grundlage detaillierter Informationen und Planung, die zivile Opfer so gut wie ausschließen,
  • handelt im Einklang mit dem Völkerrecht,
  • fördert die Stabilität in Syrien und schützt die Bevölkerung vor der Terror-Herrschaft durch den IS
  • hat den westlichen Imperialismus im Mittleren Osten eingedämmt und damit verhindert, dass Syrien das tragische Schicksal Libyens erleidet.
Wie beurteilen wir Russlands Einsatz in Syrien also moralisch? Nun, angesichts der Faktenlage können wir sagen, dass er utilitaristisch betrachtet definitiv gerechtfertigt ist: Das Eingreifen Russlands verhindert (hoffentlich) das Versinken Syriens im Chaos à la Irak und Libyen und schützt Russland vor dem Übergreifen des Terrorismus auf das eigene Land und verhindert womöglich das Ausbluten weiterer Länder durch westliche Konzerne im Zusammenspiel mit opportunistischen Oligarchen wie im Russland der 90er-Jahre.
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© Anderwelt Online
Vielleicht noch interessanter aber ist die deontologische Perspektive: Was sind die Motive Putins und Russlands? Geht es nur um Machtinteressen und Bereicherung, wie die westliche Berichterstattung suggeriert? Oder verfolgt die russische Führung - mit Unterstützung von 90% des russischen Volks - gar ein höheres Motiv? Nun, wenn wir die Äußerungen von Putin und seinem Außenminister Lawrow anschauen und mit ihren tatsächlichen Handlungen vergleichen, wird deutlich, dass sie eine bestimmte Vision verfolgen - und dies nicht nur in ihren Reden, sondern im Handeln. Diese Vision haben Putin und Russlands Außenminister Lawrow mehrfach geäußert, wie zum Beispiel hier:
„Das Wichtigste ist, dass diese Konkurrenz sich im Rahmen bestimmter politischer, rechtlicher und moralischer Normen und Regeln gestaltet.“
- Wladimir Putin

"Russland wird weiterhin seine beständige Politik fortführen, die darauf abzielt, unter Beachtung des Völkerrechts die Situation in der Welt zu verbessern, um die Freiheit jeder Nation zu gewährleisten, Partnerschaften zwischen den führenden Weltregionen, Kulturen und Zivilisationen auf Basis von gegenseitigem Respekt zu pflegen."
- Sergei Lawrow, Russischer Außenminister

"Als die UN gegründet wurde, haben seine Gründer nicht im geringsten gedacht, dass es immer Einstimmigkeit geben wird. Die Mission der Organisation ist es, Kompromisse zu suchen und zu erreichen, und seine Stärke kommt von der Betrachtung und Annahme verschiedener Ansichten und Meinungen. Entscheidungen, die innerhalb der Vereinten Nationen diskutiert werden, werden entweder als Beschlüsse getroffen oder auch nicht. Wie Diplomaten es sagen, entweder gehen sie durch oder nicht. Was auch immer für Aktionen irgendein Staat unternimmt, um dieses Verfahren zu umgehen, sie sind illegal. Sie sind gegen die Charta gerichtet und verletzen das Völkerrecht. Wir alle wissen, dass nach dem Ende des Kalten Krieges - was jedem bewusst ist - ein einziges Zentrum der Herrschaft auf der Welt entstand und sich diejenigen dann, die an der Spitze der Pyramide sich auffanden, versucht waren zu denken, dass, wenn sie stark und exzeptionell sind, sie es besser wüssten und mit den Vereinten Nationen nicht rechnen müssen, die, anstelle von einer automatischen Genehmigung und Legitimierung der notwendigen Entscheidungen [zu handeln], oft Hindernisse schafft, oder, mit anderen Worten, im Wege steht."
- Wladimir Putin
Im Grunde stehen Putin und die russische Führung für die Idee der Aufklärung ein, für die Idee internationaler Spielregeln - des Völkerrechts - , die das Miteinander der Nationen zum Wohle der Menschen regeln. Damit befindet Putin sich in bester Gesellschaft - schließlich ist es Immanuel Kant, der als Vordenker der Vereinten Nationen gilt und der schon damals auf die Verbindlichkeit zwischenstaatlicher Abkommen pochte.

Putins Handeln zeigt, dass er dies ernst meint: So hat er es stets vorgezogen, behutsam und diplomatisch vorzugehen. Wenn es jedoch keinen, aber wirklich gar keinen anderen Weg gibt, verteidigt Putin sein Land mit einem bemerkenswerten Respekt für die internationale Rechtsordnung. So geschehen im Falle der Krim, wo er im Einklang mit dem Völkerrecht den Menschen die Chance gegeben hat, sich der Russischen Föderation anzuschließen - und das, ohne dass ein Tropfen Blut vergossen wurde. Ganz im Gegensatz übrigens zur Nato-Aggression im Kosovo, wo obendrein noch nicht einmal ein Volksentscheid durchgeführt wurde. Oder beim Streit um die Chemiewaffen in Syrien, bei dem es Russland gelungen ist, eine diplomatische Lösung zu erreichen und damit - vorerst - einen Krieg zu verhindern. Auch beim aktuellen Militäreinsatz in Syrien handelt Putin im Einklang mit dem Völkerrecht, indem er erst auf offizielles Bitten um Unterstützung durch den gewählten Präsidenten Assad einschritt. Was für ein Kontrast zu den Handlungen der USA, die keinen Hehl aus ihrer Verachtung des Völkerrechts machen!

Es geht um Empathie und Tugenden

In der Tat zeigt Putin sowohl in seinen Reden als auch - was viel wichtiger ist - in seinen Taten Einfühlungsvermögen und Empathie gegenüber allen Menschen, sogar seinen Feinden. Aber diese Empathie verlangt von ihm auch, dass er für Menschen einsteht, wenn diese aus niederen Motiven heraus angegriffen werden. Natürlich macht Russland in Syrien auch Realpolitik: Es geht darum, zu verhindern, dass Syrien ein gescheiterter Staat wie Libyen und damit zum Hafen für Terroristen und US-finanzierter Söldner wird. Denn dies wäre zwangsläufig der erste Schritt, um den Terror nach Russland zu tragen. Denn Russland - oder besser gesagt Putin und seine menschliche Regierung - scheint der eigentliche Feind zu sein. Putin ist damit ein letztes großes Bollwerk gegen den US-Imperialismus, der die gesamte Region und die Welt ins Chaos stürzen möchte - inkl. Flüchtlingsströme, Tod, Leid und Elend. Das zu verhindern - diplomatisch, aber zur Not eben auch militärisch - und damit die Verbindlichkeit des Völkerrechts einzufordern, können wir in der Tat als moralisch richtig ansehen.

Vielleicht sollten wir Politiker danach beurteilen, ob sie Empathie zeigen (sich in andere Menschen einfühlen können) und demnach tatsächlich aus einem moralischen Pflichtbewusstsein handeln, und ob sie kompetent sind, also in der Lage, Folgen abzuschätzen - also sowohl im deontologischen als auch utilitaristischen Sinne "gut" handeln. Das Wichtigste dabei ist jedoch, die Taten zu beurteilen und nicht die Worte. Hierfür müssen wir die Fakten sammeln, verstehen, was wirklich geschieht. Erst dann können wir auch beurteilen, ob ein bestimmter militärischer Einsatz moralisch zu rechtfertigen ist. Im Falle von Putins Intervention in Syrien zur Bekämpfung des Islamischen Staats deutet alles darauf hin, dass dies der Fall ist.