"Früh Kohlrübensuppe, mittags Koteletts von Kohlrüben, abends Kuchen von Kohlrüben. Und bei alledem waren wir noch viel besser dran als hunderttausende
Hungersnot 1. Weltkrieg
© dpaEine alte Frau bricht in Deutschland im Kriegsjahr 1916 in der Schlange vor einem Lebensmittelgeschäft vor Hunger zusammen.
"Früh Kohlrübensuppe, mittags Koteletts von Kohlrüben, abends Kuchen von Kohlrüben. Und bei alledem waren wir noch viel besser dran als hunderttausende andere." So sah der "Kohlrübenwinter" 1916/17 in deutschen Familien aus, denen es gut ging, in bürgerlichen Familien wie der Walter Kochs, des Chefs des sächsischen Lebensmittelamtes. Seine Erinnerungen bewahrt das Deutsche Historische Museum in Berlin auf. Das Kriegsernährungsamt empfahl den Hungernden 2500 "Kauakte" für 30 Bissen in 30 Minuten, um die Nahrung besser zu verwerten. Rund 750.000 Deutschen half das viele Kauen nicht, sie starben Hungers oder an den Folgen von Unterernährung. Die Opfer kamen besonders aus den Städten und dort aus den unteren Einkommensschichten.

Diese Leute stellten auch die Mehrzahl der Teilnehmer an zahlreichenHungerkrawallen bereits 1915, die im "Kohlrübenwinter" derartige Ausmaße annahmen, dass reguläre Armee-Einheiten gegen die hungernde Bevölkerung eingesetzt wurden.

Grund für den Hunger war die völlige Nichtachtung der Ernährungsfrage der Bevölkerung in der Kriegsplanung - die Soldaten wurden während des gesamten Krieges ausreichend versorgt. Trotz verschiedener Bemühungen des Kaiserreichs - der Ausgabe von Lebensmittelkarten, staatlicher Höchstpreise, des Verfütterungsverbots von geeigneten Nahrungsmitteln an Nutztiere; alles erdacht von einem neuen Kriegsernährungsamt - sank die Nahrungsmittelproduktion stetig. Das lag vor allem an Arbeitskräftemangel, der Beschlagnahmung von Pferden für die Armee, dem fehlenden Import von Dünger und immer mehr Ausfällen der landwirtschaftlichen Maschinen. Hinzu kam die britische Seeblockade, die das Land von allen Einfuhren abschnitt.

Die Kartoffelproduktion sank von 52 Millionen Tonnen 1913 auf 29 Millionen Tonnen 1918, der Getreideertrag im selben Zeitraum von 27,1 Millionen Tonnen auf 17,3 Millionen Tonnen. Im Sommer 1917 hatten die zugeteilten Lebensmittel nur etwa 1000 Kalorien pro Tag, 2280 wurden als Minimum angesehen.

Auch die anderen kriegführenden Nationen litten unter Versorgungsengpässen, die allerdings lange nicht so gravierend waren wie die deutschen. Dennoch: Als die "spanische Grippe" 1918/1919 über die Welt raste, starben binnen weniger Monate 27 Millionen Menschen - auch weil viele von den Kriegsjahren stark geschwächt waren.