Über eine halbe Million Euro fliessen vom Europäischen Parlament in die Kassen neonazistischer Organisationen.
Webseite rechtsextreme Partei Alliance for Peace & Freedom
© APFWebseite Alliance for Peace & Freedom
Anlass zu Parteienfinanzierungs-Debatten geben meist private Spenden, wenn keine Transparenz über die Herkunft der Gelder besteht. Dieses Thema wird derzeit gerade in der Schweiz wieder einmal virulent. Es ist dieser Tage durch die von SP, Grünen und BDP lancierte Transparenzinitiative auf die politische Agenda gesetzt worden. Aber auch staatliche Parteienförderung, wie auch immer sie organisiert ist, führt gelegentlich zu Diskussionen.

Besonders heikel wird es, wenn öffentliche Gelder zu Parteien und Organisationen fliessen, die antidemokratische, rassistische oder neonazistische Ziele verfolgen. Wer einen Blick ins Budget 2016 des Europäischen Parlaments wirft, reibt sich die Augen: Da werden im laufenden Jahr erstmals einer Partei namens «Alliance for Peace and Freedom» (APF) 400 000 Euro nachgeworfen und der mit der APF verbundenen, erst 2015 gegründeten Stiftung «Europa Terra Nostra» (ETN) 197 625 Euro, insgesamt also gegen 600 000 Euro. Gar so friedlich wie ihr Name ist die Allianz für Frieden und Freiheit nicht. Sie ist ein Zusammenschluss rechtsextremer Parteien und Organisationen verschiedener EU-Länder.

Who is who des Neonazismus

Wes Geistes Kind die APF ist, zeigt einer der jüngsten Einträge auf der Homepage der Organisation. Ende April weilte eine APF-Delegation beim syrischen Regime in Damaskus. Ziel des Besuchs: Kampf gegen den Terrorismus. Ausgerechnet! Der Delegationsleiter und Präsident der APF, Roberto Fiore, ist nicht nur ein bekannter italienischer Rechtsextremist, der sich selbst als Neofaschist bezeichnet und eine Zeitlang als Nachfolger von Alessandra Mussolini, Enkelin des Duce, Mitglied des Europäischen Parlaments war. Fiore wird auch mit dem Attentat auf den Bahnhof von Bologna im Jahr 1980 in Verbindung gebracht, bei dem 85 Menschen getötet und 200 verletzt wurden. Jedenfalls entzog er sich der italienischen Justiz, versteckte sich in London und wurde aus nicht ganz durchsichtigen Gründen nie ausgeliefert. Er wurde in Abwesenheit wegen Mitgliedschaft in einer bewaffneten Organisation zu mehrjähriger Haft verurteilt und kehrte erst nach der Verjährung des Urteils 1999 nach Italien zurück, wie die deutsche Internet-Plattform «Blick nach rechts» berichtet.

Die Zusammensetzung der Delegation, die Syrien besuchte, liest sich wie ein Who ist who des europäischen Rechtsextremismus und Neonazismus. Mit von der Partie waren auch Udo Voigt, Mitglied des Europaparlaments und langjähriger Vorsitzender der Nationaldemokratischen Partei Deutschlands (NPD), Eleftherios Synadinos von der griechischen Neonazi-Partei «Goldene Morgenröte», ebenfalls Mitglied des Europaparlaments, sowie der militante belgische Nationalist Hervé Van Laethem, von der belgischen Justiz mehrmals wegen rassistischer Umtriebe verurteilt.

Widerstand angekündigt

Die Finanzierung von Gruppierungen wie APF und ETN stösst auf Widerstand. Ein italienischer Abgeordneter des Partito Democratico im Europaparlament hat angekündigt, er wolle beim Parlamentspräsidium intervenieren, um die Auszahlung der Gelder zu blockieren. Solange Parteien zugelassen sind, profitieren sie von den gleichen Rechten wie alle anderen auch. Die Linken-Europa-Abgeordnete Sabine Lösing sagte dem Berliner Tagesspiegel: «Dies ist natürlich schlimm, aber nichts Unerwartetes. Fraktionen und politische Stiftungen erhalten finanzielle Unterstützung vom Parlament, so wie die NPD in Deutschland finanzielle Zuschüsse erhält». Derzeit läuft vor dem deutschen Bundesverfassungsgericht ein Verfahren für ein Verbot der NPD.

Der Ruf nach einer weiteren Verschärfung der Regeln wird auch auf europäischer Ebene zunehmen. Bereits 2014 ist die Schraube angezogen worden, um Zuwendungen an antidemokratische Parteien zu verhindern; genützt hat es offensichtlich noch zu wenig. Die rechtliche Grundlage zur Praxisverschärfung wäre vorhanden. Immerhin heisst es in den Richtlinien des Europäischen Parlaments zur Parteienfinanzierung unter anderem: Eine Partei, die finanzielle Zuschüsse erhalten will, müsse die Prinzipien von Freiheit, Demokratie, Respekt vor den Menschenrechten und den fundamentalen Freiheitsrechten sowie die Rechtsstaatlichkeit beachten (the party «must observe the principles of liberty, democracy, respect of human rights and fundamental freedoms, and the rule of law»). Das sollte eigentlich reichen, der unappetitlichen APF-Truppe den Geldhahn zuzudrehen.