Kalkutta (Indien) - Mit einer bis heute nicht entzifferten Schrift, geradezu modernen Städten und einer enormen Ausdehnung gilt die auch als Harappa bezeichnete Indus-Kultur, neben dem Ägypten und Mesopotamien als die heute noch immer rätselhafteste der antiken Hochkulturen. Bislang glaubten Archäologen zumindest das Alter der bronzezeitlichen Zivilisation mit rund 5.500 Jahren relativ genau zu kennen. Eine neue Studie indischer Archäologen fand nun jedoch Hin- und Beweise dafür, dass die kaum bekannte Indus-Kultur mit einem Alter von rund 8.000 Jahren sogar noch älter ist als die Hochkulturen Ägyptens und Mesopotamiens.
Steinfigur heutige Ruinen Mohenjo-Daro
© Saqib Qayyum (Ruinen), Mamoon Mengal (Figur) via Wikimedia Commons / CC BY-SA 3.0; Collage: grewi.deSteinfigur eines vermeintlichen „Priesterkönigs“ vor dem Hintergrund der heutigen Ruinen von Mohenjo-Daro.
Korrektur: In der ursprünglichen Version dieser Meldung hieß es, dass die gefundenen und auf ein Alter von 6.000 Jahren datierten Funde von Töpferwaren, „die ältesten Funde von Töpferware überhaupt darstellen“. Gemeint waren damit jedoch die Funde an den indischen Grabungsstellen. Sowohl aus Japan, Europa und dem mesopotamischen Raum sind vergleichbare oder ältere Funde bekannt. Dies wurde im Meldungstext korrigiert.
Die Induskultur erstreckte sich einst über fast das gesamte heutige Pakistan sowie Teile Afghanistans und Indiens. Insgesamt umfasste sie 1.250.000 Quadratkilometer und damit eine größere Landfläche als das antike Ägypten und Mesopotamien zusammen.

Ausdehnung und wichtigste Stätten der Indus-Kultur
© Dbachmann (Wikimedia Commons), CC BY-SA 3.0Ausdehnung und wichtigste Stätten der Indus-Kultur.
Wie die Wissenschaftler des Indian Institute of Technology (IIT) Kharagpur, des Institute of Archaeology, des Deccan College Pune, des indischen Physical Research Laboratory und der Archaeological Survey of India (ASI) des indischen Kulturministeriums aktuell im Fachjournal Nature Scientific Reports (DOI:10.1038/srep26555) berichten, belegen jüngste Ausgrabungen die Existenz einer Prä-Harappa-Kultur, wodurch welche die Indus-Kultur mit 8.000 Jahren deutlich älter ist als bislang angenommen. Zudem belegen die Funde, dass ein Abschwächen des Monsuns vor rund 3.000 Jahren nicht alleinig zum Niedergang der Kultur geführt hat, wie dies eine Studie noch 2014 vermutet hatte.

Zu diesem Ergebnis kamen die Forscher anhand von neuen Untersuchungen und Datierungen von Töpferwaren aus der frühen Harappa-Zeit mittels der Thermolumineszenzdatierung (OSL), mit der die Funde auf ein Alter von rund 6.000 Jahren datiert werden konnten und somit die ältesten bislang hier gefundenen Töpferwaren überhaupt darstellen. Funde aus der noch früheren, dörflich geprägten sog. Prä-Harappa Hakra-Phase datierten die Forscher sogar auf ein Alter von 8.000 Jahren.

„Tatsächlich haben einige Archäologen schon zuvor ein größeres Alter der Fundstätten in Bhirrana und im indischen Indus-Tal vermutet“, erläutert Prof. Anindya Sarkar vom Department of Geology and Geophysics am IIT Kharagpur. „Unsere Studien versetzten die Geburt dieser Hochkultur nun jedoch sogar ins achte Jahrtausend vor unserer jetzigen Zeit - und das wird große Auswirkungen auf unsere Vorstellungen von der Evolution der menschlichen Besiedlung des indischen Subkontinents haben.“
Harappan-Schriftzeichen Dholavira
© Siyajkak (Wikimedia Commons), CC BY-SA 3.0Harappan-Schriftzeichen, die über dem Tor einer Zitadelle in Dholavira gefunden wurden.
Analysen der Sauerstoff-Isotope in Knochen und Zahnphosphaten von Säugetieren belegen zudem einen deutlich stärkeren Monsun-Regen vor 9.000 bis 7.000 Jahren: „Unsere Analysen zeigen, dass die Prä-Harappa-Menschen die Gegenden um die Flüsse des Ghaggar-Hakra (Saraswati?) zu Zeiten mit einem für Menschen deutlich siedlungs- und landwirtschaftsfreundlicheren Klima besiedelten als dies heute der Fall ist“, erklärt Dr. Arati Deshpande Mukherjee vom Deccan College Pune. „Danach wurde der Monsun zunehmend schwächer. Dennoch verschwand die Kultur nicht, sondern breitete sich überraschender Weise weiter aus. „Es ist interessant zu sehen, wie diese antiken Menschen dem damaligen Klimawandel Stand hielten“, kommentiert Dr. Navin Juyal vom Physical Research Laboratory in Ahmedabad und zieht Vergleiche zur aktuellen Klimasituation.


Wie sich zeigt, veränderten die Menschen damals die Art ihres Feldanbaus, weg von großkörnigem Getreide wie Weizen und Gerste hin zu Hirse und Reis. Da diese Getreidesorten aber einen geringeren Ertrag erbringen, stellten die Menschen auch ihr System der großen Aufbewahrungslager in der späten Harappa-Zeit ein und wechselten zu einer kleineren, individualisierten Form der eher hauseigenen Getreidelagerung und - Verarbeitung, was wiederum zur eher langsamen Enturbanisierung der Zivilisation statt zu einem abrupten Kollaps geführt habe.

„Eine Sache wissen wir somit ganz sicher über die Indus-Kultur: Die Menschen im antiken Indien haben es auch ohne moderne Technologien geschafft, einen desaströsen Klimawandel zu überstehen und mehrere Tausend Jahr lang zu überleben“, stellen die Autoren der Studie fest und fügen abschließend hinzu: „Wir können also wahrscheinlich einiges von ihnen lernen. Es wird spannend herauszufinden, wie lange unsere moderne Zivilisation mit all‘ ihrer Weltraum-, Kommunikations- und Agro-Bio-Technologie den derzeitigen Klimawandel überdauern wird.“