Cardiff (Großbritannien) - Bei dem sogenannten Mechanismus von Antikythera handelt es sich um eine komplexe, feinmechanische Apparatur, deren Überreste vor etwas mehr als hundert Jahren von Schwammtauchern aus einem römischen Schiffswrack vor der griechischen Insel Antikythera geborgen wurden. Die Komplexität des Räderwerks ist nach bisherigem Wissensstand für die Antike einzigartig und wurde erst wieder von Uhrmachern im spätmittelalterlichen Europa erreicht. Jetzt haben Wissenschaftler Inschriften auf dem „antiken Computer“ identifiziert, mit dessen Hilfe astronomische Konstellationen und Zeitperioden berechnet werden konnten entziffert und damit neue Informationen über den Zweck der Apparatur herausgefunden.
Antikythera-Mechanismus
© Wikimedia User: Marsyas, CC BY-SA 2.5Die Vorderseite des sog. „Fragments A“ des Antikythera-Mechanismus.
Wie das Team des Antikythera Mechanism Research Project (AMRP) um Mike Edmunds, Prof. emeritus an der Cardiff University und Alexander Jones vom Institute for the Study of the Ancient World aktuell im Fachjournal Almagest berichtet, weisen die jetzt mit Hilfe von CT-Scans entzifferten Inschriften auf den Außenseiten des rund 2000 Jahre alten Geräts darauf hin, dass der Mechanismus auch dazu benutzt wurde, um astrologische Vorhersagen zu treffen. Darüber hinaus deutet nun vieles darauf hin, dass die Apparatur auf der Insel Rhodos konzipiert wurde.

Während bislang Experten darin einig sind, dass der Mechanismus zur himmelsmechanischen Darstellung von Planeten- und Sternbewegungen, sowie der Vorherberechnung von Finsternissen verwendet wurde (...GreWi berichtete), fanden sich auf den verbliebenen Außenseiten in Kleinstschrifft eingravierte Texte in Form von 3.400 Einzelzeichen. Insgesamt, so vermuten die Forscher, bestand der Text aus rund 20.000 Zeichen.

Da die Texte über der einstigen Hauptanzeige die darauf dargestellten Sternbilder, Monate und Jahre, Sonnen- und Mondfinsternisse und Olympiaden beschreibt, konnten die Forscher mit dem 35. Breitengrad in etwa jenen Ort rekonstruieren, von dem aus die grundlegenden Beobachtungen für den Mechanismus gemacht wurden. „Auf diese weise kann Ägypten oder Nordgriechenland ausgeschlossen werden. Die ägäische Insel Rhodos passt hierzu jedoch perfekt“, so Jones.
Inschriften Antikythera-Mechanismus
© Antikythera Mechanism Research Project (AMRP)Eine der Inschriften des Antikythera-Mechanismus. Die Buchstaben sind nur wenige Millimeter groß.
Anhand der verbliebenen Oberflächentexte glaubt Jones zudem die Handschriften von mindestens zwei Individuen identifiziert zu haben: „Wohlmöglich handelt es sich bei dem Mechanismus also um ein Werk einer Werkstadt oder Familie und nicht um das eines einzelnen Mechanikers.“

Bei der Neuanalyse der rückseitigen Textpassagen, von denen bereits bekannt war, dass sie zukünftige Finsternisse beschreiben, entdeckten die Wissenschaftler zu ihrem Erstaunen, dass diese auch Farben, Größe und sogar die Winde beschreiben, die während dieser für die damalige Zeit zukünftigen Verdunkelungen von Sonne und Mond zu erwarten waren.

„Für diese Angaben gibt es in der Astronomie keinerlei Grundlagen“, kommentiert Jones. „Zum einen haben Finsternisse keine astronomische Bedeutung und es ist keine Art und Weise bekannt, die Färbung dieser Ereignisse vorherzusagen. Allerdings ging die altgriechische Astrologie genau davon aus, dass etwa das Wetter während Finsternissen ebenso vorhersagbar sei, wie dadurch das Schicksal von Ländern und Menschen. Die Griechen haben diese Vorstellungen von den Babyloniern übernommen, deren Astronomenpriester den Himmel intensiv nach Omen absuchten.“

Die Inschriften auf dem Antikythera-Mechanismus gehen laut den Forschern nun aber sogar noch einen Schritt weiter und leiten das vorhersehbare Schicksal auch aus den Farben und Winden während Finsternissen ab. „Dies stimmt mit einer Tendenz im antiken Griechenland überein, innerhalb derer die Astronomie durch astrologische Vorherberechnungen und Vorhersagen abgelöst wurde und die Theorie die tatsächlichen Beobachtungen ersetzte“, so Jones.

Da die sonstigen und eigentlichen Funktionen des Mechanismus rein astronomischer Art sind, war die Verbindung zu antiken Astrologie für die AMRP-Forscher eine Überraschung, führen zugleich aber zu der Schlussfolgerung, dass der Mechanismus von Antikythera „die hellenistische Kosmologie abbildet, in der Astronomie, Meteorologie und Astrologie miteinander verwoben waren.“

Anhand der Texte schlussfolgern die Forscher auch, dass der Mechanismus nicht für Laien, sondern für Nutzer gedacht war, die mit astronomischen Begriffen bereits vertraut waren. Zudem stellt ein Text, der bislang als Art Bedienungsanleitung interpretiert wurde, weniger Hinweise für den Gebrauch des Apparates selbst, als eine Erläuterung dessen, was er anzeigt dar. „Da der Text von einem astronomischen Wissen des Benutzers ausgeht, war der Mechanismus wohl auch für entsprechend gebildete Nutzer gedacht.“

„Jenseits dieser neuen Erkenntnisse wissen wir aber immer noch nicht, wofür der Mechanismus genau verwendet wurde“, zitiert das Smithonian Magagazine Edmunds abschließend. „Es scheint eine Art Aussage darüber zu sein, was die Menschen damals von Universum wussten. Ob der Mechanismus aber einst von reichen Personen, in Schulen oder Universitäten oder aber auch in einem Tempel benutzt wurde, können wir bislang einfach noch nicht sagen.“