Donnerstagabend, Sitzung des Bauausschusses in Oersdorf, Schleswig-Holstein. Wie in jeder Kommune geht es auch um die Unterbringung von Flüchtlingen. Pflichttermin, keine Besonderheit. Wären da nicht die Anfeindungen. Bereits zwei Sitzungen des Bauausschusses der 874 Einwohner zählenden Gemeinde bei Hamburg mussten wegen Bombendrohungen ausfallen. Bürgermeister Joachim Kebschull bekommt Briefe mit den Worten: "Wer nicht hören will, muss fühlen" und "Oersdorf den Oersdorfern". Kebschull setzt sich für die wenigen Flüchtlinge vor Ort ein. Das gefällt in Oersdorf anscheinend nicht jedem. Am Donnerstagabend geht Kebschull nach der Ausschusssitzung zu seinem Auto. Unbekannte lauern ihm auf, schlagen ihn mit einem Knüppel nieder. Kebschull verliert das Bewusstsein und kommt ins Krankenhaus.
Kebschull
Bürgermeister Kebschull
Der 61-Jährige ist seit Juni 2013 ehrenamtlicher Bürgermeister der kleinen nordischen Gemeinde. Ebenfalls ehrenamtlich engagiert er sich für das Oersdorfer Dörpjournal, leitet in der Kaltenkirchener Turnerschaft die Badmintonabteilung, spielt selbst begeistert und trainiert Jugendliche. Hauptberuflich arbeitet er im eigenen Ingenieurbüro für EDV-Technik. Mit der Flüchtlingskrise wurde Kebschull zuerst abstrakt in den Nachrichten konfrontiert, dann konkret vor Ort in Oersdorf, wo Asylsuchende in einem leerstehenden Wohnhaus untergebracht werden sollten. Ob die Drohbriefe mit der Attacke auf Kebschull in Verbindung stehen und ob sie aus dem braunen Milieu stammen, ist bisher nicht geklärt, aber wahrscheinlich.

Nach der Attacke ist die Unsicherheit in anderen Kommunen groß. Maßnahmen werden verlangt: "Für Bedrohungen gegenüber Kommunalpolitikern und deren Familien sollte das Strafgesetzbuch um den Tatbestand des ,Politiker-Stalkings' ergänzt werden", fordert der Städte- und Gemeindebund NRW.

Quelle: RP