Innsbrucker Geologen datierten Hand- und Fußabdrücke in Tibet auf bis zu 12.600 Jahre. Das höchste Plateau der Welt dürfte also bald nach der Eiszeit besiedelt worden sein.
Tibet, Tibetische Hochebene
© Robby ShoneDie einzigartige Landschaft der Tibetischen Hochebene. Seit wann wird sie von Menschen besiedelt?
Es wird aus guten Gründen »Dach der Welt« genannt: Das Hochplateau von Tibet liegt auf durchschnittlich 4.500 Metern Seehöhe und ist damit das höchste Plateau der Welt. Das nötigt dem menschlichen Organismus besondere Anpassungen ab. Doch auch aufgrund seiner Abgeschiedenheit nördlich des Himalayas ging man lange davon aus, dass Tibet erst recht spät vom Menschen besiedelt wurde. Eine rezente genetische Studie weckte daran freilich indirekt Zweifel: Jene DNA-Modifikationen nämlich, die den Tibetern das Überleben in großer Höhe erleichtern, sind vermutlich ein Erbe des Denisova-Menschen und könnten rund 30.000 Jahre alt sein. Wurde also womöglich auch Tibet (oder eine andere asiatische Höhenregion) vom Menschen früher bewohnt als angenommen?

Spuren im Quellkalk

Bisher ging die Forschung aufgrund archäologischer Funde davon aus, dass die Tiefebene Tibet, die auf rund 3.300 Metern liegt, vor 9.000 bis 15.000 Jahren besiedelt wurde, die höheren Regionen aber erst sehr viel später. Zweifel daran tauchten auf, als man 1998 in der Nähe von Chusang, einem auf über 4.200 Meter gelegenen Dorf 80 Kilometer nordwestlich von Lhasa, 19 Hand- und Fußabdrücke in sogenanntem Quellkalk fand, der dadurch entsteht, dass heiße mineralhaltige Quellen meterdick Kalk ablagern.

Von den Tibetern jedenfalls werden die Hand- und Fußspuren als Abdrücke des Guru Rinpoche verehrt, der den Buddhismus nach Tibet gebracht haben soll. Aus diesem Grund hat man unmittelbar neben den Abdrücken ein Chörten errichtet, einen Kultbau des tibetischen Buddhismus, ähnlich eines Stupa. Doch die Erforschung dieser Spuren erwies sich als kompliziert.
Die Chörten in Tibet
© Mark AldenderferDer Chörten (eine Art tibetischer Stupa) in unmittelbarer nähe der im Kalkgestein verewigten und von einer Tibeterin angebeteten Spuren.
Komplizierte Datierung

Aus wissenschaftlicher Sicht stammen die Abdrücke eher von bis zu sechs Individuen, von denen zwei vermutlich Kinder waren. Schwieriger aber ist die Erforschung des Alters dieser menschlichen Spuren. Erste Schätzungen nach dem Fund kamen auf ein Alter von 20.000 Jahren. Das wurde aber alsbald revidiert. Zuletzt ging man davon aus, dass die Hand- und Fußabdrücke »nur« rund 5.200 Jahre alt sind. Nun aber hat ein internationales interdisziplinäres Forscherteam unter der Leitung von Michael Meyer (Uni Innsbruck) die rätselhaften Abdrücke noch einmal mit neuesten wissenschaftlichen Methoden unter die Lupe genommen und neu datiert: mittels Radiokarbonuntersuchungen, der sogenannten Uran-Thorium-Technik sowie einer Lumineszenz-Datierung.

Viel älter als zuletzt gedacht

Wie die Forscher im Fachblatt Science berichten, konnten sie das Alter der Spuren auf 7.400 bis 12.670 Jahre eingrenzen. Zwar waren auch die ersten Analysen mittels der Lumineszenz-Methode gemacht worden, doch Meyer hat sehr viel mehr Messungen durchgeführt und kam auf diese Weise in Übereinstimmung mit den anderen Datierungsmethoden zur neuen und sehr viel verlässlicheren Schätzung. Diese nun ermittelte Zeitspanne passt nicht nur besser zu den rezenten genetischen Erkenntnissen, sondern auch zu den klimatischen Veränderungen in diesen Jahrtausenden: Damals begann die Warmzeit, also das Holozän, das in dieser Region mit stärkerem Monsun einherging und die höheren und trockeneren Regionen Tibets besiedelbarer machte.

Meyer geht mit seinem Team auch davon aus, dass die Abdrücke von Menschen stammten, die sich in der Gegend dauerhaft niederließen und nicht bloß in den Sommermonaten. Zwei beteiligte US-Archäologen rechneten nämlich durch, wie aufwendig die An- und Abreise - zumal mit Kindern - damals gewesen wäre und kamen zum Schluss, dass saisonaler Nomadismus eher auszuschließen ist.