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Manche Menschen werden besonders alt, selbst wenn sie nicht gesünder leben als andere. Auch wenn sie rauchen, trinken und wenig Sport betreiben: Die richtigen Gene scheinen bei diesen Menschen die negativen Effekte des Lebensstils wettzumachen.

No Sports

Vitamine, Sport, Nichtrauchen und wenig Alkohol: Das gilt als Lebenselixier, wenn man möglichst alt und möglichst gesund alt werden möchte. Doch viele Hundertjährige leben möglicherweise gar nicht so gesund, wie man gemeinhin annehmen möchte. Sie trinken genauso oft und gerne Alkohol und rauchen ebenso häufig wie jene Menschen, die kein biblisches Alter erreicht haben.

Zu diesem Schluss kommt eine aktuelle Studie eines Teams um den Mediziner Nir Barzilai vom Albert Einstein College of Medicine an der Universität Yeshiva in New York.

Auch in anderen Punkten, die als ungesund gelten, standen die untersuchten Hundertjährigen anderen Menschen in nichts nach: Sie nahmen mitunter viele Kalorien zu sich, aßen große Mengen Fett, würzten gehörig mit Salz und betrieben wenig Sport.

Ungesund ins hohe Alter

Untersucht wurden 477 Aschkenasim - drei Viertel davon Frauen -, die zwischen 95 und 112 Jahre alt sind und noch selbstständig leben. Sie wurden zu ihrem Lebensstil mit 70 befragt, den die Forscher als Maß für den allgemeinen Lebensstil im Lauf des Lebens der Untersuchten annahmen.

Die Aussagen wurden mit dem Lebensstil von Menschen verglichen, die zur gleichen Zeit geboren wurden wie die Hundertjährigen, aber nicht mehr lebten. Die Daten für diese Vergleichsgruppe stammten aus einer Gesunden- und Lebensstiluntersuchung aus den 1970ern.

Zum Vergleich einige Zahlen aus der Studie: Nur 27 Prozent der Frauen aus beiden Gruppen bemühten sich, wenig Kalorien zu sich zu nehmen. 24 Prozent der langlebigen Männer konsumierten früher täglich Alkohol, bei der Vergleichsgruppe taten das nur 22 Prozent. Nur 43 der männlichen Hundertjährigen machten regelmäßig Sport oder Übungen, bei der Vergleichsgruppe waren es sogar 57 Prozent.

Gene und Fett

Als Ursache für das längere Leben trotz des teilweise sogar ungesünderen Lebensstils sehen die Studienautoren die Gene. So hat man laut Barzilai bereits Gene bei Hundertjährigen gefunden, die bestimmte physiologische Effekte auslösen, z. B. höhere Werte von HDL, dem guten Cholesterin. Die aktuellen Studienergebnisse würden nun nahelegen, dass die Hundertjährigen Gene besitzen, die die negativen Folgen eines ungesunden Lebensstils aufheben.


Kommentar: Man könnte sich hier fragen, warum der Begriff "ungesund" verwendet wird, wenn die Studie eindeutig zeigt, dass diese Personen länger gesund bleiben?


An den Hundertjährigen wurde in der Studie auch ein Geschlechterunterschied beobachtet: Während Übergewicht bei beiden Gruppen gleich häufig auftrat, litten in der Kontrollgruppe deutlich mehr Männer als Frauen an Fettleibigkeit.

Anlage versus Lebensstil

Die Ergebnisse der Studie betreffen eine der wichtigsten Fragen der Altersforschung: ob die Gründe für ein langes Leben eher in den Genen oder in erster Linie im Lebensstil liegen. Eine Rolle spielt jedenfalls beides.

Doch bisher gingen Altersforscher davon aus, dass der Lebensstil den größeren Einfluss hat. Mit anderen Worten: Auch die besten Gene helfen nicht bei einem ungesunden Lebensstil. Dem scheint die neue Studie zu widersprechen.

Glück und Gott

Die Studienautoren haben die Teilnehmer auch gefragt, welche Gründe sie hinter ihrem langen Alter vermuten. Nur wenige schrieben das hohe Alter dem Lebensstil zu. Ein Drittel gab an, Verwandte zu haben, die ebenfalls sehr alt wurden. 20 Prozent der Befragten glaubten, dass ihre physische Aktivität eine Rolle spielt.

An eine positive Einstellung als Ursache glaubten 19 Prozent der Befragten, an ein reges Leben zwölf Prozent. 15 Prozent sahen den Grund in geringem Rauchen und Trinken, schlicht ans Glück dachten acht Prozent und sechs Prozent schrieben das hohe Alter ihrer Religion oder Spiritualität zu.

Kein Freibrief

Die Autoren der Studie warnen angesichts der Ergebnisse jedoch vor falschen Schlüssen: Der Großteil der Menschheit solle sich angesichts des Glücks der Hundertjährigen keineswegs einen ungesunden Lebensstil schönreden. Denn man kann trotz eines solchen nur dann auf ein langes Leben hoffen, wenn man auch die entsprechenden Gene besitzt. Ein Anzeichen dafür sind Verwandte, die besonders alt geworden sind. Für alle anderen Menschen gilt nach wie vor: Die Chance auf ein langes Leben steigt, wenn man gesund lebt.

Die Studie: "Lifestyle Factors of People with Exceptional Longevity" erscheint in der aktuellen Ausgabe des Journal of the American Geriatrics Society.