Bielefeld - Eine von Psycho­logen in Deutschland entwickelte Therapie kann ehemaligen Kinder­soldaten helfen, ihre traumatischen Erleb­nisse zu verarbeiten. Die narrative Expositions­therapie linderte in einer Studie im US-amerikanischen Ärzteblatt (JAMA 2011; 306: 503-512) die Symptome der post­trauma­tischen Belastungs­störung (PTSD).

Man nimmt an, dass derzeit in 14 Krisen­gebieten etwa 250.000 Kinder als Soldaten eingesetzt werden. Sofern sie überleben, werden die Erlebnisse sie auch nach dem Ende des Kriegs lebenslang begleiten.

Typisch für diese posttraumatische Belastungsstörung sind plötzliche Erinnerungen, die ein 18-jähriger ehemaliger Kindersoldat aus Anaka/Uganda der Psychologin Verena Ertl von der Universität Bielefeld gegenüber so beschrieb: „Wenn ich heute mit einem Buschmesser hantiere, zum Beispiel, um das Dach meiner Hütte zu reparieren, macht es manchmal ‘klick‘ und ich bin plötzlich nicht mehr ich selbst.

Ich schlage wild um mich und glaube, zurück bei den Rebellen im Busch zu sein. Wenn ich unsere Felder bestelle, und ich höre ein verdächtiges Geräusch, lasse ich alles stehen und liegen und renne um mein Leben zurück zum Lager, auch wenn das Geräusch nur ein Tier oder der Wind verursacht hat.“

Diese Erinnerungen werden in der sogenannten narrativen Expositionstherapie systematisch aufgearbeitet. Diese psychotherapeutische Behandlung wurde von einem Psychologenteam um Frank Neuner von der Universität Konstanz entwickelt.

Sie strebt danach, die traumatischen Erlebnisse in der Erinnerung in eine chronologische Biografie des Patienten einzuordnen und sie auf diese Weise zu „verorten“. Damit soll den Kindern auf Dauer die Angst und der Schrecken genommen werden, die mit den unwillkürlichen Erinnerungen verbunden sind.

Die Gruppe um Verena Ertl von der Universität Bielefeld hat die Therapie in Norduganda angewendet, wo über mehr als zwei Jahrzehnte ein Bürgerkrieg herrschte. In einer randomisierten Studie wurden 85 traumatisierte ehemalige Kindersoldaten zufällig in drei Gruppen unterteilt: eine wurde nach dem Prinzip der Narrativen Expositionstherapie therapiert, eine weitere erhielt akademische Förderung und unterstützende psychologische Beratung und eine dritte wurde als Kontrollgruppe (zunächst) nicht therapiert.

Am Ende erzielte die narrative Expositionstherapie die besten Ergebnisse. Nach 12 Monaten hatten sich 68 Prozent der Kinder von der PTSD erholt, unter der akademischen Förderung war es nur bei 52 Prozent und in der Wartegruppe bei 54 Prozent zu einer Verbesserung gekommen.

Die narrative Expositionstherapie ist nach Auskunft von Ertl gut für den Einsatz in Krisengebieten geeignet: Mit nur wenigen Therapiesitzungen würden bereits Erfolge erzielt. Außerdem könne die Therapie auch von Laien angewendet werden, was in Gebieten, wo es notgedrungen keine oder nur wenige Psychologen und Psychiater gibt, ein wichtiger Vorteil sei.

Die deutschen Wissenschaftler hatten für die Studie in Uganda lokale Laientherapeuten geschult, die den ehemaligen Kindersoldaten in bis zu acht Doppelsitzungen halfen. Zudem haben sie viele ugandische Lehrer über Traumafolgestörungen aufgeklärt und auf Symptome hingewiesen, damit sie Betroffene besser erkennen und mit ihnen umgehen können. Darüber hinaus hat das Team bereits Mitarbeiter mehrerer Nichtregierungsorganisationen in Traumatherapie geschult.

rme/aerzteblatt.de