Schafherde
© dapdSchäfer Franz Rehle fürchtet um seine Tiere.

Türkheim (RPO). Raben gelten als sehr intelligente und gelehrige Vögel. Nun haben sie aber auch ihren Ruf als Fleischfresser auf blutige Weise gefestigt. Im Allgäu überfällt ein Schwarm der Tiere seit einiger Zeit regelmäßig eine Schafherde und tötet die Wollträger.

Schäfer Franz Rehle und sein Sohn Roland sind bestürzt. Vor den beiden liegen zwei tote Lämmer. Ein weiteres, erst zwei Tage altes Tier ist schwer verletzt in einer Box und bewegt sich nicht. Kolkraben haben die Tiere offenbar so zugerichtet.

"Über 40 Lämmer und 5 Mutterschafe sind schon Opfer von diesen Kolkraben geworden", klagt Franz Rehle, der einen Bio-Schäferhof in Türkheim im Unterallgäu betreibt. Sohn Roland berichtet, er habe erst am Vortag gesehen, wie drei Vögel auf ein gerade erst geborenes Lamm eingehackt haben. "Dann habe ich es halt mit heimgenommen, aber ich glaube nicht, dass es durchkommt." Vergangenen Herbst hatte sich ein Schwarm von gut hundert aggressiven Kolkraben in dem Bäumen rund um die Weide der Rehles niedergelassen. Seither fallen sie immer wieder über die Schafe her.

Vögel picken Augen aus

Franz Rehle zeigt auf die schlimmen Verletzungen der toten Tiere. Den Lämmern wurden die Augen ausgepickt. Aus den aufgerissenen Aftern haben die Raben die Eingeweide gezogen. Vor allem bei den nicht seltenen Zwillingsgeburten schlügen die Kolkraben blitzschnell zu, sagt der Landwirt. Normalerweise lecke das Mutterschaf ihr Neugeborenes unmittelbar nach der Geburt sauber, kurz darauf stehe es schon auf eigenen Beinen. Dann sei das Schlimmste überstanden, berichtet Rehle senior. "Kommt aber ein zweites Lamm auf die Welt, dann lässt die Mutter das Erstgeborene liegen, und schon picken die Raben drauflos!"

Rehle weiß sich nicht zu helfen. "Das bedroht uns in unserer Existenz", sagt der Schäfer. Früher habe es das Problem nicht gegeben, da seien Raben nur vereinzelt aufgetaucht. Die Schuld an der Rabenplage gibt Rehle zwei in der Umgebung angesiedelten Biogasanlagen. Hier fänden die Vögel nun das ganze Jahr über Futter.

Bei den Behörden fand der Schäfer mit seinem Problem zunächst wenig Gehör. "Bis ich dann ins Landratsamt nach Mindelheim rein bin und so ein verletztes Schaf mitgenommen habe", erzählt Vater Rehle. "Dem haben die Eingeweide hinten rausgeschaut. Ich musste es dann erschießen, aber die sollten das mal sehen!"

Das Landratsamt Unterallgäu verweist auf Anfrage auf die komplizierte Rechtslage. Schließlich seien Kolkraben laut Bundesjagdgesetz ganzjährig geschont. Allerdings hat die Bezirksregierung von Schwaben mittlerweile dem gezielten Abschuss einzelner Tiere zugestimmt - als sogenannte Vergrämungsmaßnahme. "Da Kolkraben sehr intelligente und lernfähige Tiere sind, ist zu erhoffen, dass die Raben auf diese Weise vertrieben werden können", heißt es in einer Stellungnahme der Behörde.

Zwei Raben abgeschossen

In dieser Woche hat ein Jäger die ersten zwei Raben abgeschossen. Schäfer Franz Rehle glaubt jedoch nur bedingt an den Erfolg der Maßnahme. "Im Moment ist Ruhe. Aber in spätestens in vier Wochen geht das doch wieder von vorne los", fürchtet er.

Die Behördenvertreter hingegen fordern, dass auch die Schäfer ihrerseits Maßnahmen ergreifen. Die Experten der Unteren Naturschutzbehörde etwa schlugen den Rehles vor, die Raben mit Schussgeräuschen vom Tonband zu vertreiben. Auch einen fahrbaren Unterstand für trächtige Tiere halten die Fachleute für praktikabel.

Inzwischen haben Vater und Sohn Rehle ein Drittel ihrer insgesamt 700 Tiere zum Schutz vor den Kolkraben in den Stall geholt. Das sei zwar unsinnig im Sommer. "Aber sonst krieg ich gar kein Junges mehr durch", sagt Franz Rehle.