© M. SvenssonBislang konnten erst wenige der 369 Holzmännchen gesäubert und ausgestellt werden.
Hultsfred (Schweden) - Bei Ausgrabungen auf dem Gelände eines historischen Gehöfts in der südschwedischen Provinz Smaland, haben Archäologen der Universität Mariannelund einen sensationellen Fund gemacht, von dem sie sich bislang einzigartige Einblicke in den mythologischen Volksglauben und damit verbundene Rituale der einstigen Landbevölkerung Südschwedens erhoffen. Zugleich stellt der Fund von 369 archaisch anmutenden Holzfiguren die Wissenschaftler aber auch vor ein Rätsel.Wie Fra U. Petrell vom Kolleg für Brauchtumsstudien gemeinsam mit ihrer Kollegin Astrid Nergdnil in der Aprilausgabe des Fachjournals
Ethnological Monthly Illustrations & Lectures (EMIL; DOI:
0104/mic/2017/hel) berichtet, gelangen die Funde während Ausgrabungen auf einem Gut, dessen genaue Lage bis zur Beendigung der Arbeiten noch nicht veröffentlicht werden soll, um so weitere Funde vor Raubgräbern zu schützen.
Der heute verlassene Hof selbst sei wohl noch bis Ende-Mitte des 19. Jahrhunderts bewirtschaftet worden. Die Grundmauern einiger Gebäude datieren die Forscher jedoch deutlich weiter zurück. Über die einstigen Bewohner des Hofes berichten lokale Aufzeichnungen, dass es sich um eine einfache Bauernfamilie mit zwei Kindern, einer Magd und einem Knecht gehandelt habe.
© M. SvenssonDie Anthropologin Frau U. Petrell bei der Untersuchung des Kieferknochens eines Hausschweins.
Zu den beschriebenen Funden gehören die Knochen zahlreicher Weide- und Hoftiere: „Besondere Bedeutung hatte wohl eines von mehreren Hausschweinen, das von den Bewohnern des Hofes zu einem noch zu datierenden Zeitpunkt gemeinsam mit gegorenen Kirschen gesondert an einem Platz neben einem kleinen Schuppen beigesetzt worden war“, so Petrell. „Wir vermuten, dass es sich hier um eine rituelle Tierbestattung handeln könnte und die gegorenen Früchte nicht nur von den Hofbewohnern selbst verarbeitet und verköstigt, sondern auch an die Tiere verfüttert und bis in den nahegelegenen Hauptort der Gemeinde Vimmerby gehandelt wurden.“
Den spektakulärsten Fund machten die Archäologen jedoch in dem Tischlerschuppen selbst: „Unter zahlreichen Werkzeugen und Planken, fanden sich insgesamt 369 Holzfiguren von bis zu 30 Zentimetern Höhe (s. Abb. o.). Die grob bearbeiteten Figurinen stellen offenbar Menschen jener Zeit dar, zu der die Figuren einst gefertigt wurden.“
„Der Hersteller muss für die Schnitzarbeiten ungewöhnlich viel Zeit gehabt haben. Schließlich sprechen wir hier nicht nur von einigen wenigen Figuren, sondern von einer ganzen Ansammlung von nicht weniger als 369 Holzstatuetten.“ Im Gegensatz zum enormen Zeitaufwand stehe allerdings die eher grobe Ausführung und fast schon kindlich-naive Darstellungsform der Figuren. Eine Erklärung für diese auffälligen Gegensätze haben die Forscher bislang nicht.
© M. SvenssonIn historischen Kostümen stellt ein Experimentalarchäologe aus Bakorwa die (rituelle?) Verfütterung der gegorenen Kirschen durch ein Familienmitglied an ein Hausschwein nach.
Ein Videomitschnitt der Experimente finden Sie HIER
„Das ist alles sehr merkwürdig“, kommentiert A. Nergdnil die Funde und fügt hinzu: „Wir vermuten, dass es sich hier entweder um eine Strafarbeit, für die der Hersteller der Holzmännchen in dem Schuppen eingesperrt wurde oder aber, dass es sich um Fetische handelt - sind aber auch weiterhin für alternative Erklärungsansätze offen. Die Ethnologinin Li Si von der chinesischen Ping-University und Koautorin der Studie vermutet etwa, dass es sich auch um eine südschwedische Variante der berühmten Terrakotta-Armee des chinesischen Kaisers Qín Shihuangdi handeln könnte.“
Ein weiteres Rätsel gibt den Forschern auch die Tür des Schuppens auf - konnte diese doch durch jeweils unabhängig voneinander verwendbare Riegel sowohl von außen als auch von innen verriegelt werden. „Einen wirklichen Sinn hinter dieser merkwürdigen Vorkehrung konnten wir bislang noch nicht ableiten. Möglicherweise handelt es sich aber auch hier um eine eher rituelle Installation auf der Grundlage eines nicht mehr überlieferten Volksglaubens.“
© M. SvenssonHistorische Aufnahme des Hofgutes.
Weitere Informationen über die Bedeutung, Sinn und Zweck der seltsamen Funde erhoffen sich die Archäologen nun von dem neusten, im einstigen Haupthaus des Anwesens gemachten Fund: „In einer Schublade haben wir einen ganzen Stapel zeitgenössischer blauer Schreibhefte entdeckt. Hierbei scheint es sich um die Aufzeichnungen einer der einstigen Besitzerinnen des Hofes zu handeln. Die Auswertung der handschriftlichen Aufzeichnungen könne allerdings noch bis zum kommenden April dauern, so die Forscherinnen abschließend und zeigen sich zuversichtlich, mit Hilfe dieser Aufzeichnungen das Rätsel um die einstigen Vorkommnisse in Smaland viel besser zu verstehen.
Musste auch erst überlegen, Michel aus lönneberga