Vor einem Handelskrieg als Folge der von den USA beschlossenen Sanktionen hat Stefan Brosza, Experte für Europapolitik und internationale Beziehungen, gewarnt. Wie er in einem Sputnik-Interview betonte, hat Europa ein ganzes Bündel an völkerrechtlichen Antworten, um zu reagieren.
Kongress
© AFP 2017/ Andrew Caballero-Reynolds
Der Wiener Politologe Brocza vermutet, dass der US-Kongress durch die Verschärfung eines ganzen Bündels von Sanktionen den Präsidenten tatsächlich daran hindern will, sich in den Beziehungen zu Russland frei zu spielen und, wie von ihm schon seit Ewigkeiten angekündigt, das Verhältnis zu Russland zu entkrampfen. Dies sei nach seiner Ansicht der Hintergrund dieses ganzen Pakets von Sanktionen.


Beachtlich sei, dass nicht nur russische Unternehmen sanktioniert würden, sondern auch Unternehmen in anderen Staaten, die mit Russland Geschäftsaktivitäten anbahnen oder unterhalten. Deswegen würden die Europäer auch zu empfindlich reagieren. Brocza betont:

"Kommissionspräsident Juncker hat ja angekündigt, dass die Europäische Union (EU) binnen kürzester Zeit - also innerhalb von ein paar Tagen - angemessen reagieren wird. Durch die Sanktionen werden in Wahrheit vorwiegend europäische Firmen bestraft, die mit Russland im Energiebereich zusammenarbeiten. Das ist natürlich eine massive Beeinflussung der Energiesouveränität Europas, des Rechts, sich seine Energielieferanten und Energiequellen selbst zu suchen und mit denen Geschäfte zu machen. Es ist jetzt spannend, wie Europa wirklich reagieren wird und was Europa machen wird. Da gibt es ein ganzes Bündel an völkerrechtlichen und europarechtlichen Maßnahmen die man andenken kann."

Klassisch völkerrechtlich wäre, "Wenn du mir wehtust, tue ich dir auch weh", erklärt der Experte für internationale Beziehungen. Brocza glaubt, dass die EU und die EU-Kommission den klassischen Weg gehen werden. Das hieße auch Wirtschaftssanktionen: Man könnte entweder die USA direkt dafür bestrafen, also mit Strafzöllen dafür belegen, dass sie europäischen Unternehmen hier einen Nachteil kreiert. Man könne auch daran denken, vor die Welthandelsorganisation (WTO) zu gehen, wobei allerdings spannend sein werde, wie die EU hier als gesamtes auftreten werde. Die Außenhandelskompetenz liege zwar bei der Kommission, aber wenn die 28 Mitglieder darüber diskutieren, ob die EU wirklich vor der WTO klagen solle, werde es schwierig. Auch diffizil sei, was sie wirklich einklagen wollen.

Russland gehe aber sicher gegen die Sanktionen vor und Stefan Brocza macht noch auf einen weiteren Punkt aufmerksam:

"Wir diskutieren gerade alle über Russland, die Sanktionen beinhalten aber auch Geschäftsanbahnungen mit dem Iran und Nordkorea. Nordkorea ist nicht wirklich relevant, aber der Iran ist gerade ein großes Thema für alle Staaten der EU. Die Handelsdelegationen geben sich dort die Klinken in die Hand. Es ist kompliziert, wie man jetzt wirklich darauf reagieren möchte und sollte. Man wird wohl auch abwarten müssen ob es wirklich einen wirtschaftlichen Nachteil für ein europäisches Unternehmen gibt, und dann müsste man schnell reagieren."

Der Experte für Europapolitik befürchtet, dass so etwas wie ein Handelskrieg drohe und er verweist auf die Ironie der Situation:

"Nun droht ein Handelskrieg zwischen den USA und Russland und allenfalls der EU, den Trump gar nicht angezettelt hat, sondern den ihm eher seine Gegner im Senat und Repräsentantenhaus vor die Nase gesetzt haben. Aber so Handelskriege mit Reaktion und Gegenreaktion können wahrscheinlich in der jetzigen Situation schneller entstehen, als man sich bis vor ein paar Monaten noch gedacht hat."

So wie der US-Präsident auftrete, wäre es eher zu erwarten gewesen, dass er irgendetwas Irrationales tut, so Brocza. Doch jetzt seien es die gewählten Volksvertreter, die ihm dies vor die Nase setzen würden. Es scheine aber auch, dass jetzt handelspolitische Nebelgranaten gegenüber China angekündigt wurden. Der Politologe fasst zusammen:

"Die USA rutschen in einen Streit mit Russland und mit der EU. Zur Ablenkung fängt der Präsident auch noch an, handelspolitisch auf China einzuprügeln. Da kann man ganz schnell so etwas wie einen Handelskrieg haben."