Gutes schlechtes Cholesterin
Cholesterin ist schlecht, vor allem das böse Cholesterin, auch LDL genannt, da es für Herzinfarkte und Schlaganfälle verantwortlich ist. Also muss es gesund sein, beizeiten cholesterinarm zu essen und/oder medikamentös den bereits vorhandenen Cholesterinspiegel drastisch zu senken.

Auf der Basis dieser Hypothese (absolut unbewiesen, wie so viele andere auch) hat die Lebensmittelindustrie "gesunde" Lebensmittel auf den Markt geworfen, wo in großen Buchstaben der Vermerk "kein Cholesterin" den gesundheitsbewussten Kunden zum Kauf überredet.

Wer sein Augenmerk auf das Cholesterin legt, der wird selten einen Blick auf andere Inhaltsstoffe der industriell gefertigten Nahrungsmittel werfen, die in der Regel als alles andere als "gesund" angesehen werden können. Konservierungsstoffe, künstliche Aromen und vor allem Zucker sind hier die Inhaltsstoffe, die der Gesundheit auf lange Sicht gesehen abträglich sind, was aber niemanden interessiert beziehungsweise zu interessieren hat, solange man ein cholesterinfreies Produkt vor sich hat.

Und so kommt es, wie es kommen muss: Man ernährt sich (angeblich) gesund, weil cholesterinfrei und wird nach Jahren (angeblich) gesunder Ernährung trotzdem krank. Als Erklärung hierfür muss dann die Genetik herhalten, da ja die Eltern und Großeltern unter Umständen ähnliche gesundheitliche Probleme gehabt hatten.

Dass eine cholesterinfreie Ernährung unter Umständen alles andere als gesund ist, diese Erklärung kommt dem Tatbestand von Hochverrat und Ketzerei nahe. Heute wird für diese archaischen Begriffe der Begriff "geschäftsschädigend" benutzt. Denn mit der Widerlegung der Hypothese vom schädlichen Cholesterin würde die gesamte Statin-Industrie kollabieren. Und wie es ausschaut, sind wir nicht mehr weit davon entfernt!

Es gibt eine Reihe von Leuten, die seit Anbeginn an der Cholesterin-Hypothese gezweifelt hatten.

Ich gebe gerne zu, dass ich zu diesen Leuten gehöre und die dementsprechend "geschäftsschädigenden" Beiträge dazu geliefert hatte: Die Sache ist für mich eigentlich (mal wieder) ein Medizin-Skandal erster Klasse. Das Problem ist (mal wieder) nur: es scheint kaum einen zu interessieren. Die verordnenden Ärzte nicht und die Patienten (die die Mittel nehmen) auch nicht. Deswegen fasste ich dieses Thema sogar extra in einem Buch auf: Das Märchen vom bösen Cholesterin.

Wachsende Zweifel am Dogma

Eine weitere Veröffentlichung, die aus dem Jahr 2016 stammt, gehört in die gleiche Kategorie. Ich hatte diese Studie bereits in anderen Beiträgen diskutiert.

Ich greife noch einmal auf diese Arbeit zurück, weil sie ein Paradebeispiel dafür ist, wie verzerrt Studienergebnisse in der Schulmedizin breit gewalzt werden, um den Boden für entsprechende Produkte vorzubereiten.

Re-evaluation of the traditional diet-heart hypothesis: analysis of recovered data from Minnesota Coronary Experiment (1968-73).

Bezeichnend ist, dass an dieser Veröffentlichung auch Vertreter der Mayo Klinik beteiligt sind. Weitere Autoren kommen aus dem NIH (National Institute of Health). Ich erwähne dies, um zu zeigen, dass es sich hier nicht um Esoteriker oder Alternativmediziner o. ä. handelt, die zu diesen Ergebnissen gekommen sind.

Denn die Ergebnisse "haben es in sich". Es handelt sich hier um eine randomisierte, doppelblinde, Placebo kontrollierte Studie mit über 9000 Probanden, die zwischen 1968 und 1973 durchgeführt worden war. Die Autoren der damaligen Studie hatten untersucht, ob eine fett- und cholesterinarme Diät die Mortalität durch koronare Herzerkrankungen senken kann.

Das Ergebnis zeigte, dass eine entsprechende Diät zwar den Cholesterinspiegel in der Verumgruppe signifikant senkte. Es zeigte aber auch, dass jede Senkung von Cholesterin um 30 Milligramm pro Deziliter das Mortalitätsrisiko um 22 Prozent erhöhte. Weiter zeigten die Daten, dass durch die Senkung des Cholesterins kein Einfluss genommen wurde auf Arteriosklerose oder Herzinfarkt.

Die Autoren kommentieren diese Ergebnisse so, dass diese Studie keinen Anhaltspunkt dafür gibt, dass Cholesterin für die Gefäße, für das Herz und die Lebenserwartung eine Gefahr darstellt. Vielmehr bemerken sie, dass es immer mehr Hinweise gibt, dass diese Hypothese vom "bösen" Cholesterin auf manipulierten Veröffentlichungen beruht, die den Nutzen von nicht gesättigten Fettsäuren in der Diät überbewerten.

Mein Fazit hier zu: Diese Arbeit dokumentiert gleichzeitig, dass hier offensichtlich bewusst unliebsame Studienergebnisse in die Abstellkammer wanderten. In diesem Fall waren die Ergebnisse extrem eindeutig, dass eine Veröffentlichung dieser Studie zum damaligen Zeitpunkt Anfang der siebziger Jahre einen extrem geschäftsschädigenden Einfluss ausgeübt hätte. Denn dies war der Zeitraum, wo die Lebensmittelindustrie und Schulmedizin begannen, Cholesterin und Fette, vor allem gesättigte Fette, als Ursache für kardiovaskuläre Erkrankungen auszumachen und kohlenhydratreiche Nahrungsmittel als Lösung des Problems zu verkaufen. Aus diesem Grund wurde die 1973 beendete Studie erst im Jahr 2016 veröffentlicht, und dass auch nicht von den damaligen Betreibern der Studie.

In den folgenden 40 Jahren hat sich dann dieses Märchen in allen Bereichen der Gesellschaft manifestieren können. Dies ist umso bemerkenswerter, da die Statistiken sehr deutlich zeigen, dass in diesem Zeitraum Übergewicht und Adipositas in den Industrienationen signifikant zugenommen hatben. Aber auch hier stellt sich kaum jemand die Frage, ob die Hypothese vom bösen Cholesterin und schädlichen gesättigten Fetten nicht vielleicht doch zu diesem Phänomen beigetragen hat.

Tödlicher Irrtum der Schulmedizin?

Im Juli diesen Jahres erschien ein Beitrag in dem "Pharmaceutical Journal", einem ebenfalls wenig esoterisch oder alternativ medizinisch ausgelegtem Fachblatt. Die beiden Autoren, Dr. Lustig und Dr. Malhotra, hatte ich bereits bei anderer Gelegenheit zitiert (Die giftige Wahrheit über Zucker und Übergewicht und Übergewicht als Folge von mangelnder Bewegung? Ein Mythos?).

Der neue Beitrag heißt (übersetzt): "Die Cholesterin- und Kalorien-Hypothesen sind beide tot - es ist an der Zeit, sich auf den wirklich Schuldigen zu konzentrieren: Die Insulinresistenz."

In diesem Beitrag werden Quellen zitiert, denen zufolge jeder Erwachsene älter als 50 Jahre auf ein Statin eingestellt sein sollte. Und es werden Quellen zitiert, denen zufolge bereits Kinder im Alter von 8 Jahren Statine erhalten sollen, wenn das LDL-Cholesterin ein wenig zu hoch ausfällt.

Die Autoren zitieren darauf Quellen, die die Qualität solcher Veröffentlichungen unter die Lupe genommen haben und zu dem Ergebnis kommen, dass solche Veröffentlichungen einen "industriellen Anstrich" besitzen, bei dem statistische Tricks zur Anwendung kommen und fragwürdige Methoden zur Ergebnisfindung eingesetzt werden.

Kritiker der gängigen Hypothese (besser gesagt Dogma) werden bezichtigt, dass sie sich die Daten heraussuchen, wie die Rosinen aus dem Kuchen, die ihnen am besten passen. Dabei sind es ironischerweise die Wissenschaftler, die Statine befürworten, diejenigen, die genau diese Praxis zur Anwendung bringen. Und trotz Milliarden von Entwicklungskosten für alte und neue Statine, um auf dramatische Weise das LDL zu reduzieren, gibt es bis heute keinen evidenzbasierten Hinweis für einen klinischen Nutzen in Bezug auf Mortalität und kardiovaskuläre Erkrankungen.

Die Autoren verweisen auf eine Quelle, die 44 randomisierte klinische Studien untersucht hat, bei denen es über eine cholesterinarme Ernährung oder Gabe von Statinen darum ging, das LDL-Cholesterin zu senken. Keine dieser Studien zeigte einen Nutzen beziehungsweise Senkung der Mortalität. Bei den meisten dieser Studien trat keine Senkung von koronaren Herzerkrankungen auf. Einige dieser Studien (siehe oben) dokumentierten sogar schädliche Wirkungen in diesem Bereich. Aber diese Studien, so die Autoren, sind nicht weiter diskutiert worden.

Eine ganz "frische" Studie zu diesem Thema, die ACCELERATE Studie, zeigte keine günstigen Ergebnisse. Diese Studie wurde mit einem CETP Inhibitor, Evacetrapib, durchgeführt. Es zeigte sich keine einschneidende Abnahme von kardiovaskulären Ereignissen und keine Reduktion der Mortalität. Diese mageren Ergebnisse basierten auf einer 130-prozentigen Erhöhung des HDL-Cholesterins (das "gute" Cholesterin) und einer 37-prozentigen Senkung von LDL-Cholesterin (das "bitterböse" Cholesterin). Da hätte man doch eine deutlich positivere Wirkung erwarten dürfen, wenn die Cholesterin-Hypothese stimmte. Andere Studien mit ähnlichen Substanzen mussten sogar abgebrochen werden, da das Medikament die Mortalitätsrate in der Verumgruppe signifikant erhöhte (Pfizers Torcetrapib: Pfizer Ends Studies on Drug for Heart Disease).

Und dann gibt es dann noch dieses neue Medikament mit dem neuen Wirkprinzip: Evolocumab. Es handelt sich hier um einen monoklonalen Antikörper, der sich zur Behandlung von erhöhten Cholesterinspiegel eignet. Die Substanz ist erst im Jahr 2015 in den USA zugelassen worden. Die Substanz scheint sogar noch wirksamer zu sein als Statine. Denn in einer unlängst veröffentlichten Studie zeigte sich das LDL-Cholesterin um sage und schreibe 60 Prozent vermindert. Die Reduktion von nicht tödlichen kardiovaskulären Ereignissen betrug jedoch nur 1,5 Prozent. Der Einfluss auf die Mortalität war gleich 0. Es zeigte sich sogar ein leichter, nicht signifikanter Anstieg der Mortalität in der Verumgruppe aufgrund kardiovaskulärer Komplikationen. Die allgemeine Mortalität war ebenfalls in der Verumgruppe höher als in der Placebogruppe, wenn auch nicht statistisch signifikant.

Schlussfolgerung der Autoren:
"Einfach gesagt, keiner der Patienten, die dieses Medikament einnehmen mussten, lebt länger als die, die nur Placebo bekamen. Darum mag es sein, dass das Medikament zusammen mit Statinen synergistisch einen nicht tödlichen (oder leichten) Herzinfarkt verhindert. Aber es scheint das Risiko von anderen, ebenso lebensbedrohlichen Ereignissen zu fördern, inklusive ein vorzeitiges Ableben."
Eine ebenfalls nicht so häufig zitierte Studie ist die Lyon Diet Heart Study, die 1994 veröffentlicht wurde (Mediterranean alpha-linolenic acid-rich diet in secondary prevention of coronary heart disease.). Hier ging es um die sekundäre Prävention von Herzinfarkten und Mortalität. Es zeigte sich, dass unter einer Diät, wie sie im Mittelmeerraum häufig zu finden ist, Mortalität und Häufigkeit von Herzinfarkten deutlich zurückgingen. Allerdings ging man hier davon aus, dass durch die Veränderung der Ernährungsweise eine Senkung des LDL-Cholesterins eintrat, was nicht der Fall war. Diese Studie ist ein weiterer Hinweis dafür, dass nicht Cholesterin beziehungsweise LDL-Cholesterin für kardiovaskuläre Erkrankungen infrage kommen können, sondern andere Faktoren hier maßgeblich sein müssen.

Die Autoren kommentieren diese Ergebnisse so, dass adäquate Veränderungen von Lebensstil und Ernährungsweise wesentlich eindrucksvollere Resultate liefern als die gegenwärtig gängigen medikamentösen Behandlungen (zugleich mit deutlich weniger Nebenwirkungen und deutlich geringeren Kosten).

Es besteht sogar die Möglichkeit, dass ein Absetzen von Statinen bei in Behandlung befindlichen Patienten für diese von Nutzen sein kann: Recent flaws in Evidence Based Medicine: statin effects in primary prevention and consequences of suspending the treatment. Auch diese Studie kann keinen Nutzen von Statinen, in diesem Fall Rosuvastatin, bei der Primärprävention erkennen. Die Autoren vermuten sogar, dass diese Studie ein typisches Beispiel dafür ist, wie die schulmedizinische Wissenschaft Ergebnisse verbiegt, um zum gewünschten Ergebnis zu kommen. Herzlichen Glückwunsch!

Weiter gibt es keinen Hinweis darauf, dass das Absetzen von Statinen zu einer Erhöhung von kardiovaskulären Komplikationen oder Mortalität führt. Im Gegenteil, sagen die Autoren, man kann davon ausgehen, dass eine Beendigung der Therapie mit Statinen Leben rettet. Grund dafür könnte sein, dass Patienten, die keine Medikamente mehr gegen zu hohes Cholesterin einnehmen, gleichzeitig beginnen, eine gesunde Ernährung und Lebensstil zu verfolgen.

Fazit

Es gibt immer weniger glaubhafte Belege, wenn es je welche gegeben hat, dass LDL-Cholesterin speziell und Cholesterin allgemein einen pathogenen Charakter mit sich bringen sollen. Es wird immer deutlicher, dass dieses Märchen erfunden wurde, um einen Absatzmarkt im Gesundheitssystem zu kreieren, der Profit mit erfundenen Erkrankungen macht. Unter weniger schulmedizinischen Bedingungen würde man das mit dem Wort "Betrug" oder sogar "Körperverletzung mit und ohne Todesfolge" bezeichnen.

Man fragt sich jetzt, wer ist dann der eigentliche "Schuldige"? Unsere beiden Autoren bezeichnen die Insulinresistenz als einen viel wahrscheinlicheren Kandidaten. Ein wichtiger Grund für eine solche Insulinresistenz ist eine Ernährungsgrundlage, wie sie von der Lebensmittelindustrie bereitgestellt wird. Vor allem der langfristige überhöhte Verzehr von Zucker und anderen Kohlenhydraten begünstigt seine Entstehung.

Würde die schulmedizinische Gemeinschaft diese Hypothese ähnlich dogmatisch annehmen und vertreten wie die Hypothese/Dogma vom bösen Cholesterin, dann hätte das ungeahnte Konsequenzen für die Lebensmittelindustrie und deren Output an Produkten mit wenig Gesundheit förderlichen Eigenschaften.