Am Donnerstag hatte Italiens Regierung den Notstand für die Lagunenstadt ausgerufen. Am Freitag teilt der Bürgermeister mit: "Ein weiterer Tag des Alarms."

Markusplatz Venedig unter Hochwasser
© Luca Bruno/AP/dpaArbeiter tragen Holzplatten für einen Steg über den Markusplatz
Nach dem schweren Hochwasser in Venedig ist die Lage erneut kritisch. Der Markusplatz wurde am Freitag wegen Überflutung und starken Windes gesperrt, erklärte Bürgermeister Luigi Brugnaro. Für 11.20 Uhr war ein Wasserstand von 160 Zentimeter über dem normalen Meeresspiegel vorhergesagt, teilte die Kommune mit.

Schulen sind genauso wie der Dogenpalast geschlossen

"Ein weiterer Tag des Alarms", schrieb Brugnaro auf Twitter und rief die Einwohner zur Vorsicht auf. Vor allem der Wind peitschte das Wasser wieder in die Stadt. Schulen waren genauso wie der Dogenpalast geschlossen. Der öffentliche Verkehr wurde eingestellt.

In der Nacht zu Mittwoch hatte das Wasser allerdings noch deutlich höher gestanden. Es war ein Rekordwert von 187 Zentimetern registriert worden. Das war der höchste Wert seit mehr als 50 Jahren. Das bedeutet, dass mehr als 90 Prozent der historischen Stadt unter Wasser standen. Das war der höchste Wert seit 1966. Mehr als 80 Prozent der historischen Stadt stehen unter Wasser.

Nach den verheerenden Überschwemmungen in Venedig hatte die italienische Regierung am Donnerstag den Notstand für die Lagunenstadt beschlossen. Dies teilte der Ministerrat nach einer Sitzung am Donnerstag mit. Damit werden 20 Millionen Euro an Soforthilfen freigegeben. Ministerpräsident Giuseppe Conte sagte, dass Privatleute mit Soforthilfen von 5000 und Geschäftsleute von 20.000 Euro rechnen könnten. Conte hatte am Donnerstag Venedig besucht.

Im ganzen Norden Italiens, aber auch in anderen Landesteilen werden für die nächsten Tage weiter heftige Niederschläge erwartet. In Venedig ist das Ausmaß der Schäden noch nicht abzusehen. In der Unesco-Welterbestadt entbrannte ein Streit über den mangelnden Flutschutz.

Flutschutz-Projekt wegen Korruption verzögert

Ein Milliarden-Projekt mit dem Namen "Mose" - kurz für "Modulo Sperimentale Elettromeccanico" - sollte eigentlich schon 2014 in Betrieb gehen. Dabei sollen riesige Barrieren an drei Eingängen zur Lagune hochgefahren werden und die Stadt schützen, sobald der Meeresspiegel eine kritische Marke überschreitet. Vor mehr als 15 Jahren begannen die Arbeiten, die schon knapp sechs Milliarden Euro kosten. Ein Korruptionsskandal verzögerte das umstrittene Mammutwerk. Auch gibt es seit jeher Kritik, dass ein Eingriff in das sensible Ökosystem der Lagune mehr schade als nutze.

Dogenpalast Hochwasser Venedig
© Claudio Furlan/LaPresse/dpaDer Dogenpalast spiegelt sich im Hochwasser auf dem Marktplatz in Venedig
Nach den Bildern der Zerstörung beeilten sich Politiker zu versichern, dass das Projekt nächstes Jahr fertig werde. "In den letzten Jahren gab es viele Skandale. Es gab schwere Verzögerungen", gestand Infrastrukturministerin Paola De Micheli in einem Radiointerview ein. Jetzt seien aber bereits 93 Prozent fertiggestellt.

Kreuzfahrtschiffe in der Kritik

Wissenschaftler führen die zunehmenden Fluten in Venedig auf den Klimawandel zurück, der den Meeresspiegel steigen lässt. "Das Hochwasser in Venedig bringt das Problem der absoluten Trägheit an die Oberfläche, mit der man in Italien das Phänomen des Meeresspiegelanstiegs angeht", erklärte Luigi Merlo vom Handelsverband Confcommercio.


Viele Kritiker halten auch die großen Kreuzfahrtschiffe für eine Gefahr. Weil für sie immer tiefere Fahrrinnen ausgehoben würden, entwickelten sich Teile der Lagune zu einem offenen Meeresarm.


Und so müssen erst Bilder wie von einem überschwemmten Markusdom um die Welt gehen, dass sich Italien wieder des Problems bewusst wird. Kulturdenkmäler seien durch salziges und schmutziges Wasser in Mitleidenschaft gezogen worden, sagte Kulturminister Dario Franceschini und sprach von einem "Notfall". Kunstwerke in Sammlungen oder Material in Archiven und Bibliotheken seien aber nach ersten Erkenntnissen nicht beschädigt worden.

"So was habe ich noch nicht gesehen. Es ist eine Katastrophe."

Während Touristen Selfies mit den Wassermassen machten, waren die Bewohner schockiert. "So was habe ich noch nicht gesehen. Es ist eine Katastrophe. Es ist wie ein Krieg. Wir haben es gewusst", sagte der Venezianer Ezio Toffolutti der Deutschen Presse-Agentur. Läden und Supermärkte seien alle im Erdgeschoss, die habe es deshalb schlimm erwischt. "Eine schreckliche Zeit", sagte der viel in Deutschland tätige Bühnenbildner.

Ministerpräsident Conte traf am Donnerstag in Venedig auch Kioskbesitzer Walter Mutti, der bei der Flut alles verloren hatte. Bilder hatten gezeigt, wie sein Kiosk in den braunen Wassermassen davon trieb. "Ich habe nicht die geringste Ahnung, wo er sein könnte", sagte Mutti in einem Interview der Zeitung "La Repubblica" auf die Frage nach dessen Verbleib. (dpa)