Die Verhandlungen über die Rückgabe einer gewarteten Siemens-Turbine für Nord Stream 1 durch Kanada zeigt, unter welchem Druck die deutsche Regierung steht. In einem Pressegespräch erklärte Außenministerin Baerbock, dass man "Volksaufstände" hierzulande wegen Gasmangels befürchtet habe.
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© www.globallookpress.com / Christophe Gateau / dpaBundesaußenministerin Annalena Baerbock (Bündnis 90/Die Grünen), ist hier bei einem Besuch des ABC-Abwehrregiments der Bundeswehr am 20. Juli 2022 in der Barnim-Kaserne in Neuenhagen in Brandenburg.
Durch die Pipeline Nord Stream 1 fließt nach Wartungsarbeiten wieder Gas. Seit Tagen wurde in den deutschen Medien über einen möglichen abrupten kompletten Lieferstopp spekuliert. Die Konsequenzen wären demnach für die deutsche Wirtschaft und den Arbeitsmarkt verheerend. Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck warnte jüngst sogar vor einem "politischen Albtraum-Szenario". Wie ernst man in Berlin die Lage einschätzte und die wohl schwerwiegenden Folgen des Gasmangels für die Ökonomie des Landes sowie die daraus resultierenden innenpolitischen Auswirkungen fürchtete, geht nun aus den Aussagen der Außenministerin Annalena Baerbock hervor.

Bei einem Pressegespräch mit dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND) ließ die Grünen-Politikerin durchblicken, dass die Politik in Berlin mit "Volksaufständen" rechnete. Sie räumte auch ein, dass man deshalb auch Druck auf die Regierung in Ottawa gemacht habe, um die gewartete Siemens-Turbine schließlich doch - trotz seitens Kanada verhängter Sanktionen gegen Russlands Öl-, Gas- und Chemieindustrie - für die Pipeline Nord Stream 1 zurückgeliefert zu bekommen. In der Talkreihe "RND vor Ort" habe Baerbock demnach gesagt:
"Die Kanadier haben gesagt, 'wir haben viele Fragen', da haben wir gesagt, das können wir verstehen, aber wenn wir die Gasturbine nicht bekommen, dann bekommen wir kein Gas mehr, und dann können wir überhaupt keine Unterstützung für die Ukraine mehr leisten, weil wir dann mit Volksaufständen beschäftigt sind."
Laut RND kam die Nachfrage, ob sie wirklich mit "Volksaufständen" gerechnet habe, worauf Baerbock dann ergänzte, dass das "vielleicht etwas überspitzt" ausgedrückt sei. Doch zugleich räumte sie ein, "dass wir Gas aus Russland weiter brauchen".


Kommentar: Ein Grund mehr, mit Russland zu verhandeln, anstatt Russland mit blinden Sanktionen zu belegen.


Baerbock ging auch auf das Thema ein, warum Berlin einen von manchen anderen Ländern geforderten Gasimportstopp abgelehnt hatte. Es ging demnach um soziale Konsequenzen einer solchen Entscheidung. Deutschland sei schließlich besonders abhängig vom russischen Gas, anders als etwa Kanada.


Kommentar: Eine sehr weise Erkenntnis.


Baerbock führt auch an, dass die derzeit hohen Gaspreise für viele Menschen in Deutschland eine große Belastung seien. Sie unterstrich:
"Das ist unsere wichtige Aufgabe für den Winter, wir müssen dafür sorgen, dass dieser Krieg nicht zu einer Spaltung der Gesellschaft führt."
Auftrag der Bundesregierung sei es, so die Grünen-Politikerin weiter, "die sozialen Konsequenzen abzufedern".


Kommentar: Dazu sollten sie weniger der Propaganda aus dem weiteren Westen folgen und eine Situation analysieren (historisch, menschlich und faktisch). Doch diese Hoffnung besteht leider nicht mehr.


Anfang Juli hatte die Regierung in Ottawa trotz verhängter Strafmaßnahmen gegen Moskau wegen der russischen Militäroperation in der Ukraine "eine zeitlich begrenzte und widerrufbare Erlaubnis" für die Lieferung der Siemens-Turbine für die russische Pipeline zurück nach Deutschland erteilt.

Das Ersatzteil wurde in dem nordamerikanischen Land hergestellt und muss dorthin auch regelmäßig zur Wartung zurückgeschickt werden. Kanada begründete die Entscheidung damit, dass man eine demnach von Moskau beabsichtigte "Spaltung unter den Verbündeten" durch eine "Destabilisierung der europäischen Energiesicherheit" verhindern wolle.

Der russische Energiekonzern Gazprom hatte Mitte Juni seine Gaslieferungen nach Deutschland durch die Ostseepipeline Nord Stream 1 reduziert und auf Verzögerungen bei der Reparatur von Gasverdichtern verwiesen. Der Energietechnikkonzern Siemens Energy hatte daraufhin mitgeteilt, dass die in Kanada überholte Gasturbine derzeit wegen Sanktionen nicht aus Montréal zurückgeliefert werden könne.