Masttiere werden in Ställen mit Medikamenten vollgepumpt. Das ist gefährlich. Darum raten Verbraucherschützer jetzt zu besonderem Schutz bei der Zubereitung von Hähnchenfleisch.
Masthühner
© ag.ddpMasthühner sollen in kürzester Zeit viel Gewicht zulegen. Das hat schlimme Folgen für die Tiere.

Das irdische Dasein von Masthühnern ist ein kurzes: gerade einmal 32 Tage dauert ihr Leben in der Massentierhaltung im Schnitt, bevor sie geschlachtet werden. Während dieser Zeit werden 99 Prozent der Tiere nicht nur auf engstem Raum gehalten, sondern rein statistisch betrachtet auch 2,3 Mal mit Antibiotika behandelt - meist nicht, weil sie krank sind, sondern vorbeugend - und um ihr Wachstum zu beschleunigen. In der modernen Viehhaltung ist dies nach Angaben von Veterinären gang und gäbe, obwohl die Gabe von Medikamenten zur Förderung der Mastleistung seit 2006 in der EU offiziell verboten ist.

Trotzdem steigen die Verbrauchszahlen. Für Agrarexperten wie Reinhild Benning vom Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) ist dies ein Zeichen dafür, "dass das Verbot völlig unwirksam ist". Knapp 1000 Tonnen Antibiotika wurden schätzungsweise 2010 an Hühner, Puten, Schweine, Kälber oder Rinder in deutschen Ställen verfüttert.

2005 waren es noch knapp 900 Tonnen. Diese Schätzungen bestätigt auch das Landwirtschaftsministeriums in einer aktuellen Stellungnahme auf Anfrage der Grünen im Bundestag. Wie viel genau verschrieben wird, weiß aber auch die Bundesregierung nicht, weil sie Daten über den Einsatz von Medikamenten in den vergangenen Jahren nicht erfassen ließ.

Fast die Hälfte des Putenfleisches betroffen

Wissenschaftler, Tierärzte, Humanmediziner und Verbraucherschützer sind alarmiert, weil der wachsende Einsatz von Antibiotika in der Massentierhaltung zur Ausbreitung gefährlicher Erreger führt, die durch verseuchte Lebensmittel auch auf den Menschen übertragen werden. Wissenschaftler nennen den übermäßigen Einsatz von Medikamenten in der Massentierhaltung auch als Hauptgrund für die zunehmenden Resistenzen bei Menschen gegen Antibiotika.

Das Bundesinstitut für Risikoforschung (BfR) geht davon aus, dass nicht nur Hühner, sondern auch Schweine, Mastkälber und Rinder bis zu 5,9 Mal im Jahr mit Antibiotika behandelt werden. Mit schlimmen Folgen, wie das Ministerium von Ilse Aigner (CSU) nun einräumen muss. Denn mit gefährlichen Keimen verseuchtes Fleisch gelangt in den Handel. Laut BfR waren 2009 gut 25 Prozent des verkauften Hühnerfleisches und 43 Prozent des Putenfleisches betroffen. Die sogenannte MRSA-Erreger wurden auch in 52 Prozent aller Schweineställen nachgewiesen, vor allem in Großbetrieben. Hinter der Abkürzung MRSA verbergen sich Bakterien wie Staphylococcus aureus, die Abwehrmechanismen gegen Antibiotika entwickelt haben und daher nur schwer zu behandeln sind.

Im Robert-Koch-Institut hält man die Keime für so gefährlich, dass es Verbrauchern empfiehlt, vor allem Hähnchenfleisch nur stark erhitzt zu essen und beim Verarbeiten Einmalhandschuhe zu tragen. Die Deutsche Gesellschaft für Krankenhaushygiene geht davon aus, dass jedes Jahr 7000 Menschen an MRSA-Keimen sterben. Auch das Landwirtschaftsministerium gibt zu, "dass die Antibiotikaresistenz ein bedeutendes Problem für die öffentliche Gesundheit ist."

Trotzdem unternimmt die Bundesregierung nach Einschätzung von Kritikern kaum etwas, um den Missbrauch von Antibiotika in der Tierhaltung einzudämmen. "Die Regierung muss sich vorwerfen lassen, dass sie nichts gegen den hohen Verbrauch dieser Medikamente unternimmt, obwohl die Risiken bekannt sind", sagt Benning vom BUND. Strafen für einen Missbrauch seien nicht vorgesehen.

"Die industrielle Massenhaltung mit zigtausenden Tieren auf engstem Raum wäre heute ohne den Einsatz großer Mengen von Antibiotika undenkbar", ergänzt die stellvertretende Grünen-Fraktionsvorsitzende, Bärbel Höhn. Sie fordert: "Wir müssen die Notbremse ziehen und das System der Massentierhaltung grundlegend verändern."

Auch Tierärzte bestätigen, dass die Aufzucht von Nutztieren in Großbetrieben ohne eine hohe Medikamentierung nicht machbar wäre. Der Missbrauch sei in der Branche weit verbreitet, bestätigt der ehemalige Vizepräsident der bayerischen Landestierärztekammer, Rupert Ebner.

Neben Antibiotika werde auch viel Aspirin verschrieben, häufig ohne genaue Prüfung. Unter Betäubung könnten etwa Hühner Schmerzen leichter aushalten. Masthühner sind so gezüchtet, dass sie in kürzester Zeit so viel Gewicht zulegen, dass sie sich kaum noch auf den Beinen halten können. Dies führt zu Knochenbrüchen und anderen Verletzungen.