Münster - Der Staat missbraucht nach einer Studie der Caritas immer häufiger die Tafeln und Kleiderkammern, um sich still und heimlich aus eigenen Angeboten zurückzuziehen. Helfer gerieten zusehend in ein Dilemma, sagte der Sprecher des Caritasverbandes für die Diözese Münster, Harald Westbeld, am Freitag.

Einerseits seien diese Hilfen für den Einzelnen notwendig. Andererseits verwandele sich das als Zusatzversorgung gedachte Angebot zunehmend in eine dauerhafte Grundversorgung.

Immer wieder würden Tafeln und Kleiderkammern vom Staat missbraucht. Die Angebote würden von Ämtern und Jobcentern empfohlen - „als Alternative zu den eigenen nicht ausreichenden Leistungen“, sagte der Sprecher.

Die Caritas ließ von einer „Forschungsgruppe Tafelmonitor“ eine Studie zu Hilfsangeboten erstellen. Demnach sollten Menschen am Rande der Gesellschaft bei den Hilfsangeboten nicht nur „Kunden“ sein, sondern öfter selbst in die Pflicht genommen werden. In Datteln bei Recklinghausen beispielsweise arbeite jeder dritte Nutzer der Caritas-Tafel auch mit.

Die Scham werde aber nicht einfach mit organisatorischen Änderungen verschwinden, sagte Prof. Stefan Selke von der Hochschule Furtwangen, einer der beiden Autoren der Studie. „Sich nicht zu schämen, lässt sich nicht verordnen.“ Grundlage der Studie sind mehr als 800 Fragebögen und rund 40 intensive Interviews.

Mit großem Engagement hätten Ehrenamtliche in den letzten Jahren Hilfen aufgebaut und erweitert, um existenzielle Not zu lindern, hieß es. Rund 540 Warenkörbe, Suppenküchen sowie Kleider- und Möbelkammern biete allein die Caritas in Nordrhein-Westfalen mittlerweile an. „Wir könnten uns über diesen Erfolg freuen, wenn nicht die Ursache so traurig wäre“, meinte Diözesancaritasdirektor Heinz-Josef Kessmann.