Immer wieder heißt es, der Genuss geringer Mengen Alkohols könne gesundheitliche Vorteile bringen - aber das Rauchen? Tatsächlich scheint Nikotin beginnender Demenz entgegenzuwirken. Experten warnen allerdings vor überhasteten Schlussfolgerungen.
Rauchen
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Raucher brauchen eine Zigarette, um sich für eine Viertelstunde so gut zu fühlen wie Nichtraucher den ganzen Tag - so wird gern dagegen gehalten, wenn Raucher davon schwärmen, wie belebend und gleichzeitig entspannend der Tabakgenuss doch sein könne. Eine Studie verschafft nun allerdings den Rauch-Verfechtern neue argumentative Munition, jedenfalls auf den ersten Blick. Forscher aus Nashville, USA, schreiben in der aktuellen Ausgabe der Fachzeitschrift Neurology, Nikotin könne die geistige Leistungsfähigkeit steigern und das Gedächtnis von Menschen verbessern, die unter ersten Anzeichen von Demenz leiden.

Geistig fitter mit Nikotin

Die Forscher untersuchten rund 70 nichtrauchende Senioren, bei denen eine "leichte kognitive Beeinträchtigung" (mild cognitive impairment) festgestellt worden war - geistige Ausfallerscheinungen, die über dem alterstypischen Normalmaß, aber noch unter der Schwelle für eine Demenz-Diagnose liegen. Zufällig wurden die Studienteilnehmer entweder der Versuchsgruppe zugewiesen und über sechs Monate mit niedrig dosierten Nikotinpflastern behandelt, oder einer Kontrollgruppe, die nur ein Plazebo-Präparat bekam.

Vor und nach der Behandlungsphase mussten sich die Teilnehmer computerisierten Konzentrations-, Reaktions- und Gedächtnistests unterziehen. Das Resultat: ein klarer positiver Einfluss der Nikotin-Behandlung. Auch fühlten sich die Studienteilnehmer selbst im Schnitt geistig fitter, wenn sie Nikotin bekommen hatten. Nur in einer dritten Bewertungskategorie, für die klinisch geschulte Ärzte und Therapeuten den Zustand der Studienteilnehmer einschätzten, ergab sich kein signifikanter Unterschied zwischen Versuchs- und Kontrollgruppe.

Gefährliche Nebenwirkungen

Ist Nikotin also - auch wenn die Autoren ihre Untersuchung selbst als "vorläufig" einstufen und weitere Studien mit mehr Teilnehmern und über einen noch längeren Zeitraum fordern -ein Hoffnungsträger für alle, die im Alter unter zunehmender Vergesslichkeit und anderen geistigen Leistungsschwächen leiden? Von heute.de befragte Experten sind da einhellig sehr skeptisch.

So ist etwa der Allgemeinmediziner und stellvertretende Vorsitzende der Deutschen Gesellschaft für Nikotin- und Tabakforschung, Ulf Ratje, von dem positiven Ergebnis der US-Forscher zunächst einmal kein bisschen überrascht: "Plausibel" sei das Resultat. Schließlich wisse man schon lange, dass Nikotin im Blut das Gehirn aktiviere, durchaus auch im positiven Sinne. Aber dieser Wirkung entgegen stünde eben die sehr große Gefahr einer Abhängigkeit.

"Nikotin hat ein Suchtpotenzial, das zwischen Heroin und Kokain liegt. Manchmal reicht schon eine Zigarette, um süchtig zu werden", warnt Ratje. Zudem könne Nikotin, jedenfalls in höherer Dosierung, auch unangenehme bis gefährliche Nebenwirkungen im Körper entfalten: steigender Blutdruck, erhöhtes Schmerzempfinden, Anregung der Darmtätigkeit und Durchfälle sowie im schlimmsten Fall Thrombosen.


Kommentar: Dies ist Desinformation. Nikotin an sich hat kein Suchtpotential.

Darüber hinaus weist Nikotin eine Bandbreite von positiven Effekten auf die Gesundheit auf.


Lieber ein Abo fürs Fitnessstudio

Ganz ähnlich äußert sich Martina Pötschke-Langer, Expertin für Prävention und Tabakkontrolle im Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ). Zunächst einmal stelle die Studie gewiss keinen Freibrief fürs Rauchen dar: "Tabakrauch ist ein Giftgemisch mit über 8.000 Substanzen, von denen rund 90 krebserregend sind oder im Verdacht stehen, Krebs zu bewirken." Aber auch Nikotin als einzelner Wirkstoff, etwa in der Form von Nikotinpflastern, sei keinesfalls ein harmloses Medikament.


Kommentar: Hier wird, wie erwartet, die übliche Anti-Raucher-Propaganda verbreitet.

Jenseits der Propaganda: Nikotin und Rauchen - Ein erster Blick hinter den Schleier


Außer der Suchtgefahr und den möglichen Nebenwirkungen sieht Pötschke-Langer bei Senioren, also der Zielgruppe der Studie, ein weiteres Problem: "Gerade alte Menschen nehmen häufig schon Medikamente ein." Jede weitere Arznei sei da zu vermeiden, umso mehr, da bei Nikotin auch Wechselwirkungen mit Mitteln zu erwarten sind, die viele alte Menschen einnehmen müssen, beispielsweise Blutdrucksenkern oder Blutverdünnern.

Zudem gebe es eine viel bessere, natürlichere Alternative, erklärt die DKFZ-Expertin: körperliche Aktivität. "Bewegung wirkt sich positiv auf die Denkleistung aus, macht zudem gute Laune und hilft, Stürzen vorzubeugen, die für alte Menschen ein großes Risiko darstellen." Statt älter werdenden Angehörigen nun Nikotinpflaster zu schenken oder sie gar zum Rauchen zu ermutigen, solle man deshalb besser Anreize für Bewegung schaffen: "Ermutigen Sie Ihre Großmutter lieber zum Seniorensport in Vereinen, zum Laufen, Schwimmen oder schenken Sie Ihr ein Jahresabo für ein geeignetes Fitnessstudio - es gibt gute Gründe, warum Krafttraining für Senioren bereits in Seniorenheimen angeboten wird."