Biblisches Symbol zur Entstehung der Sprachen
© Public DomainBiblisches Symbol der Entstehung der Sprachen von Pieter Brueghel (1563), zu sehen im Kunsthistorischen Museum Wien.
München/ Deutschland - Während im vergangenen Jahr der Kulturanthropologe Quentin Atkinson in einer Studie zu dem vielbeachteten Ergebnis gekommen war, dass der Ursprung aller Sprachen im Südwesten Afrikas liege, zeigt nun der Sprachwissenschaftler Michael Cysouw, dass diese Out-of-Africa-Hypothese für die Sprachentstehung damit längst nicht belegt sei. Die Suche nach dem Ursprung der Sprachen geht weiter.

Atkinson hatte für seine im Fachmagazin Science veröffentlichte Studie die Zahl sogenannter Phoneme von gut 500 heute noch gesprochenen Sprachen verglichen. Hierbei handelt es sich um die kleinsten Lauteinheiten - Konsonanten, Vokale oder auch Tonhöhen. die dazu verwendet werden, Bedeutungen voneinander zu unterscheiden und deren Zahl je nach Sprache stark variieren kann.

"Die größte Vielfalt an Phonemen fand der Biologe und Psychologe in Südwestafrika, und je weiter weg ein Sprachraum von diesem Hot Spot lag, desto kleiner war das Inventar der Phoneme laut Atkinsons Statistik", erläutert die aktuelle Pressemitteilung der Ludwig-Maximilians-Universität München (LMU, uni-muenchen.de). Daraus zog der Wissenschaftler eine Parallele zur Populationsgenetik. Einen ähnlichen "Gründereffekt" nämlich beobachten Biologen bei der genetischen Vielfalt: Sie nimmt mit dem Abstand vom afrikanischen Menschheitsursprung ab. Mit der Migration kleinerer Populationen, so die Idee, schrumpfte deren genetische Vielfalt. Die sei nun einmal in einer großen Population allemal größer als in einer kleinen."

In seiner aktuellen Studie kommt der LMU-Wissenschaftler Michael Cysouw nun zu der Schlussfolgerung, dass es sich bei Atkinsons Befund um ein "Artefakt" handele. Von der Europäische Forschungsrat (ERC) mit einem seiner prestigeträchtigen Starting Grants gefördert, leitet Cysouw eine Forschergruppe zum "quantitativen Sprachenvergleich" an der Fakultät für Sprach- und Literaturwissenschaft.

Er habe nichts dagegen, so sagt Cysouw, auch zunächst fachfremde Methoden für die Linguistik fruchtbar zu machen. Er wehre sich allerdings gegen methodische Kurzschlüsse. Untersuche man beispielsweise andere Merkmale von Sprachen, beispielsweise die Art der Nebensatzkonstruktionen oder die Verwendung des Passivs, mit Atkinsons Methoden, komme man zu Ergebnissen, die "nicht in die gleiche Richtung weisen". Je nach Merkmal, so zeigt Cysouw in der ebenfalls in Science veröffentlichten Replik die er zusammen mit Steven Moran, ebenfalls LMU, und Dan Dediu vom Max-Planck-Institut für Psycholinguistik in Nijmegen verfasst hat, "liegen die Ursprünge der Sprache mal in Ostafrika und dem Kaukasus, mal in ganz anderen Regionen".

Auch Sprachwissenschaftler suchten schon lange nach geografischen Mustern der Sprachherkunft, sagt Cysouw. "Bislang lassen sich solche Verwandtschaftsbeziehungen aber nur etwa 10.000 Jahre weit zurückverfolgen. Den Ursprung der Sprachen datiert die Forschung jedoch auf eine Zeit von 100.000 Jahren und mehr vor unserer Zeitrechnung."

Quellen: uni-muenchen.de / grenzwissenschaft-aktuell.de