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Berlin. Sie sind in Konservendosen enthalten, im Duschvorhang, in Gummistiefeln oder in Elektrogeräten - hormonähnlich wirkende Chemikalien wie Weichmacher, Flammschutzmittel und Bisphenol A. Über ihre Gesundheitsschädlichkeit ist viel spekuliert worden, bislang wurden die Stoffe aber vor allem mit Störungen der Sexualfunktionen in Verbindung gebracht.

Eine Untersuchung weckt nun den Verdacht, dass sie auch Diabetes und Fettleibigkeit verursachen können. Der Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) stellte die Studie, die von der britischen Umweltorganisation Chem Trust in Auftrag gegeben wurde, am Dienstag in Berlin vor.

"Verbraucher kommen mit diesen Produkten täglich in Berührung", sagte Sarah Häuser, BUND-Expertin. Die betreffenden Chemikalien wirkten wie körpereigene Hormone und könnten das Hormonsystem komplett aus dem Takt bringen. "Sie gelangen über die Atemluft, die Haut oder die Nahrung in den Körper."

Dabei widersetzten sie sich der toxikologischen Grundannahme, wonach eine höhere Dosis gefährlicher sei als eine geringere, erklärte Häuser: Im Gegenteil könnten kleinere Dosen zu Schädigungen führen, größere dagegen nicht. Der Toxikologe Gilbert Schönfelder von der Charité verwies darauf, dass auch der Zeitpunkt, wann jemand mit den Stoffen in Berührung komme, entscheidend sei. Kinder oder schwangere Frauen beispielsweise seien besonders empfindlich, vielfach zeigten sich die Auswirkungen allerdings erst nach vielen Jahren. Umso wichtiger sei es, vorbeugend zu handeln, betonte er.

Für die Chem-Trust-Studie, die auch in Brüssel und London vorgestellt wurde, hatten der spanische Epidemiologe Miquel Porta (Barcelona) und sein südkoreanischer Kollege Duk-Hee Lee (Daegu) knapp 240 Untersuchungen ausgewertet. "Der Anstieg des Vorkommens von Fettleibigkeit fällt mit dem Anstieg der Verwendung und Verbreitung von Industriechemikalien zusammen, die eine Rolle bei der Entstehung von Fettleibigkeit spielen könnten. Das legt nahe, dass hormonelle Chemikalien mit dieser Epidemie in Zusammenhang stehen könnten", heißt es in der Übersichtsarbeit. Bislang sei man davon ausgegangen, dass Fettleibigkeit Folge von zu viel Essen und zu wenig Bewegung sei; die Ergebnisse der Untersuchung ließen aber vermuten, dass die hormonähnlich wirkenden Stoffe eine wichtige Rolle spielen könnten.

Der Anteil, den die Belastung mit hormonähnlichen Substanzen haben könnte, werde unterschätzt, erklärte Schönfelder - auch wenn man diesen Anteil bisher nicht beziffern könne. In Deutschland gilt jeder zweite Erwachsene als übergewichtig oder fettleibig, immer häufiger betrifft dies auch Kinder und Jugendliche. Übergewicht gilt als Risikofaktor für Diabetes Typ 2.

Der BUND forderte die Bundesregierung auf, die entsprechenden Schadstoffe zumindest in Produkten, mit denen Kinder in Berührung kommen, sowie in der Umgebung von Lebensmitteln zu verbieten. "Weichmacher und Bisphenol A müssen durch sichere Alternativen ersetzt werden", sagte Häuser. Auch sollte sich Deutschland dafür stark machen, dass bei der 2013 anstehenden Überarbeitung der europäischen Chemikalienverordnung REACH der Ersatz von hormonell wirkenden Chemikalien festgelegt werde.

Verbraucher können angesichts der Vielzahl chemischer Stoffe, über deren Wirkung überdies zum Teil wenig bekannt ist, nicht allzuviel tun. Häuser empfahl, nach Möglichkeit keine in Plastik verpackten Lebensmittel zu kaufen, wenig Essen und Trinken aus Dosen zu verzehren und auf Weich-PVC zu verzichten.

(http://www.bund.net/dickmacher )

dapd