Bislang war die USA das Paradies für die Produzenten von genmanipulierter Nahrung. Doch immer mehr Menschen kämpfen dagegen an. Zumindest der Hinweis auf den Lebensmitteletiketten soll eingeführt werden. Auch Präsident Obama gerät unter Druck.
US Food
© AFP/Gabriel Bouys

In den USA gewinnt der Kampf von Kritikern genetisch veränderter Nahrungsmittel an Schärfe. Die Gegner sind inspiriert von der »Occupy-Wall-Street«-Bewegung, in der zuletzt zahlreiche Menschen gegen die Macht der Finanzmärkte demonstrierten. Die Aktivisten für natürliche Nahrung konnten jüngst einen wichtigen Erfolg verbuchen, als eine Fabrik des Nahrungsmittelkonzerns Monsanto, der genmanipulierten Samen herstellt, vorübergehend geschlossen wurde. Darüber hinaus gibt es Signale aus dem Kongress, den Forderungen nach exakten Angaben über die in Lebensmitteln enthaltenen Inhaltsstoffe nachzukommen. Bislang gibt es keine Verpflichtung, auf genetisch veränderte Nahrung hinzuweisen.

In den USA sind 90 Prozent des verwendeten Mais, der Sojabohnen und der Zuckerrüben genetisch verändert. Bei Nahrungsmitteln, die aus diesen Zutaten hergestellt sind, verrät das Etikett nichts über die Herkunft seiner Inhaltsstoffe. Die Kritiker dieser Praxis erwarten jedoch für die nächste Zeit grundlegende Änderungen. Gerade internationale Großkonzerne wie Monsanto sehen sich zunehmender Kritik ausgesetzt. Die bevorstehenden Präsidentschaftswahlen verstärken die aufgeheizte Atmosphäre zusätzlich.

Lorraine Reich gehörte zu den Demonstranten, die am 16. März Angestellte daran hinderten, ihren Arbeitsplatz in der Monsanto-Fabrik im kalifornischen Davis zu betreten. »Wir müssen ihnen ans Portemonnaie gehen. Das ist die einzige Möglichkeit, eine wirkliche Veränderung herbeizuführen. Wenn wir Monsanto wirtschaftlichen Schaden zufügen, haben wir unser Ziel erreicht.« Reich ist Teil der Bewegung »Occupy Monsanto«. Diese protestiert seit Mitte März gegen den Konzern, sowohl vor dessen Zentrale in Washington als auch vor zahlreichen Niederlassungen im ganzen Land. Und damit sind sie nicht alleine. Eine andere Gruppe, Agra Watch, demonstrierte ebenfalls am 16. März vor der Bill & Melinda Gates Stiftung in Seattle. Die Stiftung arbeitet gemeinsam mit Monsanto an Lösungen für die Nahrungsmittelknappheit in Entwicklungsländern. Der für den Agrarsektor zuständige Stiftungsdirektor, Roy Steiner, versicherte jedoch, dass nur ein geringer Teil der Gelder in den Bereich der genmanipulierten Lebensmittel investiert werde.

In Europa bläst Firmen, die auf genmanipulierte Lebensmittel setzen, schon länger ein starker Wind ins Gesicht. Monsanto hat erst kürzlich angekündigt, einen schädlingsresistenten Mais nicht in Frankreich zu vermarkten. BASF hat die komplette Verlagerung seiner Genforschung von Europa in die USA angekündigt. In zahlreichen Mitgliedsländern der Europäischen Union sind genmanipulierte Lebensmittel ganz oder teilweise verboten. In den USA ist die Entwicklung noch nicht so weit. Im vergangenen Jahr diskutierten 14 Bundesstaaten über die Angabe von genmanipulierten Zusätzen auf den Etiketten - und lehnten sie doch ab. Die USA sind somit weiterhin eine der wenigen großen Nationen mit solch einer liberalen Praxis. Doch dies könnte sich bald ändern. Mitte März haben 55 Kongressabgeordnete beider Parteien einen Brief an die nationale Lebensmittel- und Arzneimittelaufsicht geschrieben und dazu aufgefordert, die Etikettenpflicht auf genmanipulierte Zusätze zu erweitern. »Die bisherige Praxis stammt aus dem 19. Jahrhundert und wird den Anforderungen der heutigen Zeit nicht gerecht«, heißt es in dem Schreiben. Gleichzeitig unterschrieben 850 000 Amerikaner eine Petition mit demselben Inhalt und forderten die freie Wahl zwischen natürlichen und genmanipulierten Lebensmitteln.

Vor zwanzig Jahren hatte die Lebensmittelaufsicht verlauten lassen, es gebe keinen Unterschied zwischen natürlichen und genmanipulierten Lebensmitteln. »Die Menschen sehen das heute aber anders«, meint Colin O'Neil vom Zentrum für Lebensmittelsicherheit. »Wir erleben ein verändertes Verbraucherverhalten, die Menschen wollen mehr Informationen.« Monsanto wehrt sich jedoch weiter gegen die Kennzeichnungspflicht: »Wenn wir nun auch auf Inhaltsstoffe hinweisen, die keinerlei Einfluss auf die Gesundheit der Menschen haben, läuft dies der ganzen Gesetzgebung zuwider. Und es sorgt für Unsicherheit bei den Verbrauchern.«

Da momentan der Präsidentschaftswahlkampf läuft, muss sich auch Präsident Barack Obama mit der Diskussion beschäftigen. Er hatte 2009 Michael Taylor zum höchsten Berater der Lebensmittelaufsicht gemacht. Dieser hatte einst Präsident Bill Clinton bei der Legalisierung genmanipulierter Nahrung beraten. Bevor er von Obama berufen wurde, arbeitete er in der freien Wirtschaft und zwar ausgerechnet bei Monsanto. In einer Petition fordern 420 000 Amerikaner die Absetzung Taylors. Er habe geholfen, genmanipulierte Nahrung zu genehmigen, ohne einen einzigen Test über daraus folgende Risiken durchzuführen. Dass er nun die Lebensmittelaufsicht berät, sei ein Hohn. Die Aktivisten machen jedenfalls weiter Druck. Für den 17. September, genau ein Jahr nach dem Beginn der Occupy-Wall-Street-Bewegung, hat Occupy Monsanto zu einer großen Protestkundgebung aufgerufen. Der Wahlkampf wird zu diesem Zeitpunkt auf Hochtouren laufen.