Seit Pakistan im vergangenen Jahr bei den USA und der UNICEF in Ungnade gefallen ist, erkranken immer mehr junger Menschen in dem Land an Polio (Kinderlähmung). Dies weckt Zweifel an den guten Absichten der Impfbefürworter. Noch weit schwerer wiegt, dass die meisten Neuerkrankungen bei Kindern auftraten, die bereits geimpft waren. Versuchen die USA etwa, Pakistan zu bekämpfen, indem Impfdosen verunreinigt werden?
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Die medizinischen Daten deuten darauf hin, dass sich die Wirksamkeit des Impfstoffs gegen die Krankheit verändert hat. Im vergangenen Jahr erkrankten 136 Kinder; unter ihnen 107, die mehrfach gegen Polio geimpft worden waren. Es sind die höchsten Zahlen, die seit 2006 von der Polio Global Eradication Initiative (Weltweite Initiative zur Ausrottung der Kinderlähmung) beobachtet wurden, trotz intensiver Bemühungen in den am meisten betroffenen Gebieten wie dem südlichen Punjab und den Stammesgebieten unter Bundesverwaltung (FATA).

Selbst die friedlicheren Provinzen waren betroffen. Wie die Zeitung Pakistan Daily Times berichtet, gab es in den ersten vier Monaten dieses Jahres in der Provinz Sindh zehn Polio-Fälle. In düsterem Ton wird jeder einzelne Fall beschrieben, die Namen der Kinder werden genauso genannt wie die Anzahl der Impfungen, die sie vor dem Ausbruch des Polio-Virus erhalten hatten: »Mohammed Asif, Alter 40 Monate, Arme und Beine betroffen [...] erhielt vier Mal oralen Polio-Impfstoff (OPV). [...] Bei der dreieinhalbjährigen Ameera [...] waren ein Bein und ein Arm gelähmt. [...] Ameera war der erste bestätigte Poliofall in diesem Jahr.«

Es ist nachvollziehbar, dass die Menschen in Pakistan allmählich böse Absicht hinter diesen Fällen vermuten. Dr. Mazhar Khamisani, Direktor der Gesundheitsbehörde der Provinz Sindh, spricht über eine wachsende Zahl von Fällen, in denen Eltern die Impfung ihrer Kinder verweigern. Kann man ihnen das angesichts der Tatsachen verdenken?

Möglicherweise verantwortlich ist der Typus des verabreichten Polio-Impfstoffs. Es gibt zwei Hauptarten von Polio-Impfstoffen, die inaktivierte Polio-Vakzine (IPV) und die orale Polio-Vakzine (OPV). Der erstgenannte enthält abgetötete Poliomyelitis-Zellen. Der von Jonas Salk entwickelte IPV-Impfstoff wurde in den 1950er Jahren überall in den USA angewendet, um den Ausbruch einzudämmen, dem damals pro Jahr 22.000 amerikanische Kinder zum Opfer fielen. Innerhalb von 20 Jahren war die Kinderlähmung in Amerika so gut wie vergessen.

Bei der Global Eradication Initiative hat man sich hingegen für den zweiten Typus entschieden, die orale Polio-Vakzine. OPV wurde von Albert Sabin entwickelt; dabei durchläuft das Virus mehrere Tiere, wobei der Stamm geschwächt, aber nicht abgetötet wird. Der abgeschwächte Stamm wird dann Kindern verabreicht, deren Immunsystem stark genug ist, um die Krankheit abzuwehren. Es ist leicht einzusehen, dass die Behandlung in ihr Gegenteil umschlagen kann, nämlich in Fällen, bei denen der Strang für den Kontakt mit Menschen nicht ausreichend abgeschwächt wurde.

Obwohl der Impfstoff in den USA nicht in großem Stil zum Einsatz kam - möglicherweise wegen der mit seinem Gebrauch verbundenen Gefahren - ist OPV in Ländern wie Pakistan der Impfstoff der Wahl, da sich das abgeschwächte Virus schon bald nach der Impfung im Kot der Kinder findet. Dadurch kann die Immunisierung über die kommunale Wasserversorgung verbreitet und auf größere Bevölkerungskreise ausgedehnt werden. Wenn also Eltern die OPV verweigern, so können ihre Kinder den Impfstoff trotzdem indirekt über das Trinkwasser erhalten.

Historisch betrachtet kam es immer dann zum Ausbruch der Krankheit, wenn ein abgeschwächter Strang dennoch stark genug war, um statt einer Immunisierung eine Infektion zu bewirken. In diesem Fall wird die OPV normalerweise durch die IPV ersetzt, weil man erstere nicht mehr als sicher betrachtet. In Pakistan ist OPF hingegen noch immer OPV der Impfstoff der Wahl, obwohl sich bei der Polio Global Eradication Initiative seine potenzielle Gefährlichkeit erwiesen hat. Warum?

Eine mögliche Erklärung lautet, dass die Forscher noch nicht ausreichend viele Daten gesammelt haben, um eine sichere Aussage darüber zu treffen, dass der Impfstoff für den Ausbruch verantwortlich ist. Wie lange soll dies noch so weitergehen?

Weiterhin wäre es plausibel zu vermuten, dass der Impfstoff nicht vorschriftsmäßig gehandhabt worden ist. Wird nämlich die erforderliche Temperatur nicht genau eingehalten, kann der Impfstoff seine Wirkung vollständig einbüßen. In abgelegenen Gebieten, in denen es zu stunden- oder gar tagelangen Stromausfällen kommen kann, kann die Lagertemperatur des OPV-Impfstoffs deutlich überschritten werden, sodass dieser durch die Temperaturschwankungen seine Wirksamkeit verliert. Die Mediziner würden jedoch wissen, ob ihr Impfstoff möglicherweise schädlichen Einflüssen ausgesetzt gewesen ist.

Leider deuten beide Möglichkeiten auf eine gewisse Fahrlässigkeit hin. Entweder ist den Ärzten, die den Impfstoff verabreichen, bewusst, dass dieser ihre Patienten womöglich nicht wird immunisieren können, oder die Verantwortlichen verabreichen wirkungslose Impfungen, und rechnen dann das Opfer unter die Rubrik »mangelnde Aussagekraft der Daten«, wenn sich zeigt, dass etwas schiefgelaufen ist.

Die Polio Global Eradication Initiative erhält den Löwenanteil ihrer finanziellen Mittel von UNICEF und den USA, die beide Pakistan inzwischen als Feind und nicht mehr als Freund betrachten. Reichen die politischen Beziehungen bis zu den Medizinern, die doch eine Krankheit und nicht ein Land bekämpfen sollen?

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Quellen:



http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC2936408/
http://www.dawn.com/2010/12/22/incidence-of-polio-among-vaccinated-children-alarms-govt.html
http://www.polioeradication.org/Infectedcountries/Pakistan.aspx
http://www.history.com/this-day-in-history/polio-vaccine-trials-begin
http://americanhistory.si.edu/polio/virusvaccine/vacraces2.htm
http://www.polioeradication.org/tabid/408/iid/86/Default.aspx
http://dailytimespakistan.com/polio-virus-cripples-10-children-in-sindh-in-four-months/
http://onlinelibrary.wiley.com/doi/10.1111/j.1467-8306.2005.00460.x/pdf