Israel hat Günter Grass zur Persona non grata erklärt. Grund ist sein Gedicht, in dem er dem Land vorwirft, den "Weltfrieden" zu gefährden. Israel spricht vom "Feuer des Hasses".
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© DAPDBeschmiertes Grass-Denkmal in Göttingen
Israel hat gegen den Schriftsteller Günter Grass wegen seines umstrittenen Gedichts ein Einreiseverbot verhängt. Das bestätigte ein Sprecher von Innenminister Eli Jischai. Grass' Gedicht habe darauf abgezielt, "das Feuer des Hasses auf den Staat Israel und das Volk Israel anzufachen". Als Persona non grata, also unerwünschte Person, darf Grass nicht mehr nach Israel einreisen.

"Wenn Grass "weiter seine verdrehten und lügnerischen Werke verbreiten will, schlage ich vor, er macht das vom Iran aus", sagte Jischai. Dort würde er ein gewogenes Publikum finden.

Bei dem Einreiseverbot gegen Grass griff Jischai auf ein Gesetz zurück, dass es der Regierung erlaubt, ehemaligen Nazis die Einreise ins Land zu verweigern. Grass hatte eingestanden, in den letzten Monaten des Zweiten Weltkrieges in der Waffen-SS gedient zu haben.

Volker Beck hält Einreiseverbot für falsch

Grünen-Politiker Volker Beck kritisierte die Reaktion der israelischen Regierung. "Ein Einreiseverbot für Grass halte ich für überzogen und falsch", sagte der Fraktionsgeschäftsführer zu Handelsblatt Online.

Beck warf den israelischen Behörden Intoleranz im Umgang mit Kritik vor: "Es passt zu der Linie der aktuellen israelischen Regierung und wie sie mit Kritik und Streit auch im eigenen Lande umgeht." Dies sei "unsouverän und demokratisch nicht klug". Beck forderte die israelische Regierung auf, den Schritt noch einmal zu überdenken.

Zugleich betonte Beck, dass er die Verärgerung in Israel gut verstehen könne. Grass habe sich in seinem umstrittenen Gedicht "ignorant gegenüber der tatsächlichen Bedrohung Israels durch den Iran" gezeigt. Zudem habe sich Grass als "vermeintlicher Tabubrecher eines Israelkritik-Verbotes geriert und sich damit eines antisemitischen Propagandainstruments bedient". Dies rechtfertige "harsche Kritik".

Der außenpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Rolf Mützenich, äußerte sich ähnlich: „Die Reaktion der israelischen Regierung ist unangemessen und wird dem Thema nicht gerecht“, sagte er Handelsblatt Online. Nötig sei eine sachliche Auseinandersetzung mit den Thesen von Grass. „Ein demokratisches und pluralistisches Land wie Israel kann auch kontroverse Meinungen ertragen, zumal die Ansichten von Günter Grass nicht antisemitisch sind.“

Westerwelle kritisierte Grass

Bundesaußenminister Guido Westerwelle hatte zuvor die Kritik Grass' an Israels Haltung im Atomkonflikt mit dem Iran zurückgewiesen. "Israel und Iran auf eine gleiche moralische Stufe zu stellen, ist nicht geistreich, sondern absurd", schrieb der FDP-Politiker in einem Gastbeitrag für Bild am Sonntag, ohne konkret auf das jüngste Gedicht des Schriftstellers einzugehen.

Der Streit mit der Regierung in Teheran sei "keine Spielwiese für Polemik, Ideologie und Vorurteile, sondern bitterer Ernst". Wer die vom Iran ausgehende Bedrohung verharmlose, "verweigert sich der Realität".


Grass hat den jüdischen Staat in seinem Text wegen der Drohung mit einem Militärschlag gegen das iranische Atomprogramm eine Gefahr für den Weltfrieden genannt und ist dafür parteiübergreifend angegriffen worden. Der 84-Jährige warf seinen Gegnern daraufhin Intoleranz sowie "eine gewisse Gleichschaltung der Meinung" vor.

Der Iran steht im Verdacht, unter dem Deckmantel eines zivilen Atomprogramms an Nuklearwaffen zu arbeiten. Die Regierung in Teheran hat dies zurückgewiesen.

Polizei ermittelt in Göttingen wegen Sachbeschädigung

Unbekannte haben auf dem Campus der Göttinger Universität ein von Grass entworfenes und gestiftetes Denkmal beschmiert. Auf dem Sockel der rund zwei Meter hohen Skulptur hinterließen sie mit braunroter Farbe den Spruch "SS! Günni Halts Maul".

Eine Polizeisprecherin sagte, die Schmiererei sei am Samstagmittag entdeckt worden. Der Hausmeister der Universität habe das Gebäude am Donnerstagabend verlassen. Die Tat müsse sich in dem dazwischen liegenden Zeitraum ereignet haben. Die Polizei ermittele wegen Sachbeschädigung.

Grass und sein Göttinger Verleger Gerhard Steidl hatten das Denkmal vor einem Jahr der Stadt und der Universität Göttingen geschenkt. Die stählerne Skulptur besteht aus dem Buchstaben G und der Zahl 7. Sie erinnert an sieben Göttinger Professoren, die im 19. Jahrhundert gegen die Aussetzung der Verfassung durch König Ernst August protestiert hatten und deshalb entlassen worden waren.

Zu den "Göttinger Sieben" zählten auch die Sprachforscher Jacob und Wilhelm Grimm. Mit ihrem Wirken hatte sich Grass auch in seinem Buch "Grimms Wörter" beschäftigt. Der Steidl Verlag besitzt die Weltrechte an dem Werk von Grass.

Das Denkmal war im April 2011 im Beisein von Grass enthüllt worden. Der Schriftsteller hatte bei der Feier Kritik an einigen Entwicklungen der Demokratie in Deutschland geäußert. "Ein Denkmal, das nur die Vergangenheit beschwört, ist nur von beschränktem Wert", sagte er. Es solle auch "in der Gegenwart wirksam sein" und als "Hinweis auf unsere demokratischen Zustände" begriffen werden.

Ostermarschierer unterstützen Grass

Auch die traditionellen Ostermärsche der Friedensbewegung waren vom Streit um Grass geprägt. Auf den Kundgebungen habe es viel Zustimmung zu Grass’ Haltung gegeben, wonach es kein Recht auf präventive Militärangriffe gebe, teilten die Organisatoren mit.
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© DAPD
Dass Israel gegen Grass ein Einreiseverbot verhängt habe, sei ein "unmögliches Verfahren", sagte der Sprecher der Infostelle Ostermarsch, Willi van Ooyen. Er betonte, dass die Friedensbewegung in Israel dieselbe Haltung vertrete wie Grass.

Der Zulauf bei den Aktionen am Sonntag war eher mäßig: An der Friedensradtour durch das Ruhrgebiet beteiligten sich nach Angaben der Veranstalter etwa 100 Radler, zur Abschlusskundgebung in Bochum seien 200 bis 300 Menschen hinzugekommen. Eine Friedensfahrt von Motorradfahrern in Köln habe etwa 60 Menschen angelockt. In Frankfurt/Oder war für den Nachmittag ein Ostermarsch durch die Innenstadt mit einer Kundgebung an der Friedensglocke geplant.

Bundesweit sind dieses Jahr an den Ostertagen mehr als 70 Demonstrationen, Kundgebungen, Friedensgottesdienste und andere Aktionen geplant. Am Ostermontag finden die diesjährigen Ostermärsche ihren Abschluss, die Veranstalter erwarten dabei mehr Zulauf als am Sonntag. Größere Märschen sollen unter anderem in Frankfurt, Friedrichshafen, Hamburg, Kassel Nürnberg, Sassnitz und Wismar stattfinden.

Die ersten Ostermärsche in der Bundesrepublik fanden 1960 statt. Damals hatten Pazifisten den Atomraketen-Übungsplatz Bergen-Hohne im Kreis Celle als Ziel eines dreitägigen Sternmarsches ausgesucht.

Reuters/dapd/AFP/smb