Die Satellitenfotos der Gletscher von Himalaja und Karakorum geben eine kleine Entwarnung. Sie schmelzen nicht so schnell, wie erwartet. Die Ursache ist offenbar mehr Schneefall oder doch eine geringere Erderwärmung.
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© chromorangeDie Gletscher von Himalaya wachsen sogar an.
Kleine Entwarnung vom Dach der Welt: Viele Gletscher im Himalaja und im Karakorum schmelzen längst nicht so schnell wie angenommen, bleiben gleich in ihrer Stärke oder wachsen sogar.

Gespenstisch hatte es sich angehört: Bis zum Jahr 2035 schon, so hieß es, würden die Himalaja-Gletscher noch die Flüsse speisen und damit den im Unterland lebenden 1,3 Milliarden Menschen Trinkwasser spenden.

Dann aber seien sie aufgrund einer sich beschleunigenden Erderwärmung so gut wie abgetaut. Erst würden die Ströme mit ihrer Fracht von Schmelzwasser noch alles überschwemmen, schließlich versiegen - und die Menschen verdursten.

Noch unsere Generation würde dies mithin erleben. Die Jahreszahl stand im offiziellen Bericht des Weltklimarates IPCC, der im Jahre 2007 mit solchen Prognosen den Menschen einen Schrecken einjagte über den globalen Klimawandel.

Warnung vor Gletscherschwund

Zweieinhalb Jahre später erst stellte sich heraus: Hinter der Prognose „2035“ stand keine wissenschaftliche Forschung, sondern die Broschüre einer Umweltorganisation, und deren Autor wiederum habe schlicht das Jahr 2035 mit 2350 verwechselt.

Und nun, wieder zweieinhalb Jahre später, zeigt eine Studie der Universität Grenoble und des französischen Centre National de la Recherche Scientifique: Zumindest im Karakorum schrumpften die Gletscher gar nicht, blieben gleich oder wachsen sogar minimal. Dies ergab der Vergleich von Satellitenbildern aus dem Jahr 1999 und 2008.

Die Wissenschaftler hatten auch andere Gebirge untersuchen wollen. „Aber es war nicht überall so einfach, klare Ergebnisse zu erzielen“, sagt die Glaziologin Julie Gardelle. „Sie brauchen für die Beobachtung einen klaren Himmel und eine reduzierte Schneedecke.“ Die Satellitenbeobachtung von Gletschern ist wichtig für die Beurteilung, wie sich vor allem die höher gelegenen, unzugänglicheren Gletscher entwickeln.

Die Warnungen vor allzu schnellem Gletscherschwund basieren denn auch vor allem auf der Beobachtung von Gletscherflächen in tieferen, stets wärmeren Regionen. „Es gibt über 160.000 Gletscher auf unserem Planeten, von denen weniger als 120 kontinuierlich und langfristig vermessen wurden“, sagt der Gletscherforscher Jonathan Bember.

Gletscher- und Klimaforscher stehen angesichts ihrer bisherigen Alarmrufe vor einem Rätsel. Dabei hatten indische Experten 2007 bereits den IPCC kritisiert und erklärt, dass die Gletscher des Himalajas vergleichsweise stabil seien.

Rätsel der wachsenden Gletscher

Klimaforscher sehen im möglichen Abtauen der Gletscher eine Gefahr nicht nur wegen der Trinkwasserversorgung der Flussanrainer, sondern auch wegen des Anstiegs des Meeresspiegels durch das Schmelzwasser. Sie machen nun geltend, dass die Himalaja-Gletscher im Vergleich etwa zur Eiskappe der Antarktis und Grönlands eine eher geringe Rolle spielen.

Doch auch die mit Abstand größte Eismasse, die der Antarktis, zeigt sich recht stabil - mit Ausnahme eines Zipfels in der West-Antarktis, bei der Wetter und Meeresströmungen regelmäßig für größere Abbrüche sorgen.

Beobachtungen starteten nach heißer Phase

Warum wachsen die Gletscher im Karakorum und schrumpfen nicht? „Wir wissen die Ursache nicht wirklich“, sagt Gardelle. Da Schwund oder Wachstum bei Gletscher nicht nur von der Temperaturentwicklung abhängt, sondern auch von der Menge der Niederschläge, vermuten sie und andere Forscher, dass vermehrter Schneefall vor allem in den höheren Regionen die Gletscher größer werden ließ.

Andererseits setzte der Beobachtungszeitraum genau in eben jenem Jahr 1999 ein, als die Erderwärmung nach Meinung vieler zu stagnieren begann oder gar in eine leichte Abkühlung überging - ein etwas umstrittenes Phänomen, das nun indes neue Bestätigung erhalten könnte. Klimaforscher weisen zwar darauf hin, dass ihrer Ansicht nach die vergangenen 13 Jahre noch keinen Klimatrend ausmachten.

Klimawandel mit neuen Ergebnissen

Dass eine ausbleibende Erwärmung auch über einen kürzeren Zeitraum den Gletscherschwund stoppen könnte, bleibt dennoch unbenommen. Und es korrespondiert damit, dass seit einigen Jahren auch der Anstieg der Meerestemperatur und des Meeresspiegels sowie der Schwund des sommerlichen Meereises in der Arktis gestoppt ist - ebenfalls eine nur kurzfristige Beobachtung, die indes in sich stimmig ist.

Die von Gardelle und ihren Kollegen untersuchte Region fiel dabei schon seit Längerem aus dem Rahmen der gängigen Klimabeobachtungen, wie sie schreibt: „Die mittleren Sommertemperaturen sind zudem an allen Klimastationen dieses Gebiets zwischen 1961 und 2000 leicht gesunken.“

Atolle sind gewachsen

Die Beobachtung von ganz oben aus Satelliten oder aus Flugzeugen über eine längere Zeit führt in der Diskussion über den Klimawandel und darüber, ob er etwas wachsen oder schrumpfen lässt, immer mal zu überraschenden Ergebnissen.

So ergab 2010 eine Auswertung von Luftaufnahmen durch Forscher aus Fidschi und der Universität Auckland (Neuseeland), dass auch die Atolle in der Südsee in den letzten 50 Jahren eher gewachsen als geschrumpft sind. Von 27 untersuchten Inseln hatten lediglich vier Land verloren, alle anderen waren gleich geblieben oder gewachsen.

In Tuvalu, heute das Symbol für untergehende Inseln, verzeichneten sieben von neun Inseln einen merklichen Landgewinn.