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Psychologen beobachten bei Steuerung von Augenbewegungen einen Wettstreit von Auffälligkeit und BelohnungWir bewegen unsere Augen mehrmals pro Sekunde, um verschiedene Bereiche unserer Umgebung zu betrachten. Einerseits können diese Augenbewegungen unwillkürlich von auffälligen Objekten in der Umgebung wie zum Beispiel einem blinkenden Licht ausgelöst werden. Andererseits können diese Augenbewegungen auch willkürlich gesteuert werden, etwa wenn man einen Stift betrachtet, bevor man nach ihm greift. Der primäre Nutzen dieser Augenbewegungen ist der Informationsgewinn durch die neue Blickrichtung. Unbekannt war bisher, ob Augenbewegungen auch durch Belohnung gesteuert werden können und wie unser Gehirn unwillkürliche Steuerung und willkürliche Steuerung miteinander verrechnet. Ein internationales Forscherteam konnte nun diese Frage klären.
Psychologen haben dazu Verschiedene Experimente in der Abteilung Allgemeine Psychologie der Justus-Liebig-Universität Gießen (JLU) durchgeführt. Dabei mussten die Versuchspersonen zunächst ohne Belohnung auf ein Muster blicken, das aus einem hellen und einem dunklen Bereich bestand. War der helle Bereich auffälliger als der dunkle Bereich, schauten die Versuchspersonen unwillkürlich näher zu dem hellen Bereich. In einer zweiten Versuchssituation bekamen die Versuchspersonen Geld, wenn sie auf den dunklen Bereich blickten. Anstatt jedoch jedes Mal auf den dunklen Bereich zu schauen und damit ihren Gewinn zu maximieren, blickten die Versuchspersonen immer noch in fast der Hälfte der Durchgänge näher zu dem auffälligeren Bereich.
Die Versuchspersonen schauten insbesondere dann zum auffälligeren Bereich, wenn sie besonders schnell reagierten. Wenn sie langsamer reagierten, blickten sie ausschließlich zu dem dunklen Bereich und sicherten sich somit die Belohnung. Bei mittleren Reaktionszeiten wanderte der Blick auf eine Position zwischen dem auffälligeren und dem belohnten Bereich.
Schnelle Informationsaufnahme wichtigerDiese Ergebnisse zeigen, dass die Augenbewegungen sowohl durch die Auffälligkeit von visuellen Reizen als auch durch die erwartete Belohnung gesteuert werden. Die Auffälligkeit bestimmt dabei eher schnelle Reaktionen und die Belohnung eher langsame Reaktionen. Im Vergleich zu anderen Handlungen - wie zum Beispiel Zeigebewegungen - sind Augenbewegungen so schnell, dass diese zum Teil ausgeführt werden, bevor die Belohnungsinformation vollständig verarbeitet wurde.
Erstaunlicherweise "warten" die Augenbewegungen nicht auf den Abschluss der Belohnungsverarbeitung. Dies bedeutet, dass unser Gehirn schnelle Augenbewegungen gegenüber langsamen Augenbewegungen bevorzugt, auch wenn dies unter Umständen zu einer niedrigeren Belohnung oder zu einer Bestrafung führt.
Dies legt den Schluss nahe, dass unser Gehirn die schnelle Aufnahme von Informationen über auffällige Reize als besonders wichtig erachtet.red, derstandard.atAbstract
PNAS:
Dynamic integration of information about salience and value for saccadic eye movements
Kommentar:
Verknüpfen wir diese Studienergebnisse mit den 'neuesten' Forschungen der kognitiven Psychologie:
Die schnelle Informationsaufnahme und -interpretation wird durch das adaptive Unterbewusstsein gesteuert - also außerhalb unserer bewussten Kontrolle. Erklärungen für unsere Motive, Gefühle, Handlungen werden erst im Nachhinein konstruiert, und auf diese Weise schaffen wir uns subjektive Selbst-Erzählungen darüber, wie unser Leben verlief und aus welchen Gründen, und auch darüber
wer wir sind. Diese Selbst-Erzählungen sind eine Mixtur aus verschiedensten 'Botschaften', die uns in unserem Leben über uns selbst aufgeprägt wurden, und oftmals decken sich diese Selbst-Erzählungen nicht mit der Person, die wir wirklich sind.
Entgegen der allgemeinen Annahme, dass Selbst-Reflektion der Weg zur objektiven Selbstkenntnis ist, weisen Studien darauf hin, dass Selbstreflektionen die eigenen subjektiven Selbst-Erzählungen im Gegenteil verstärken können, während ein sicherer -obgleich immer noch schwieriger - Weg darin besteht, dass Adaptive Unterbewusste durch
Rückschlüsse aus dem eigenen Verhalten abzuleiten, in Zusammenarbeit mit anderen, die einen meist objektiver sehen als man sich selbst sieht.
Dem interessierten Leser sei das Buch
Gestatten, mein Name ist Ich: Das adaptive Unterbewusste - eine psychologische Entdeckungsreise von Timothy D. Wilson empfohlen.
Desweiteren das Buch
Schnelles Denken, langsames Denken von Daniel Kahneman, der darauf eingeht, wie wir unsere Entscheidungen und Urteile treffen, wie wir denken: Er trifft die Unterscheidung zwischen System 1, das automatisch und schnell arbeitet, mit keinem oder wenig Aufwand und ohne willentliche Kontrolle; und System 2, welches die Aufmerksamkeit auf die mühevollen mentalen Aktivitäten lenkt, die solche erfordern, einschließlich komplexer Berechnungen. Die Tätigkeiten von System 2 werden oft mit der subjektiven Erfahrung von Handlungsmacht, Wahlfreiheit und Konzentration in Verbindung gebracht.
Kurzum, wir sind alles andere als so frei wie wir denken, weder in unseren Handlungen noch in unseren Gedanken, und kennen uns selbst objektiv so gut wie gar nicht - bis wir anfangen sehr genau hinzuschauen und mit
überraschend leichten Methoden schädigende Selbst-Erzählungen (die bspw. in Selbstsabotage resultieren) zu verändern - und auf diese Weise in den Autopilot System 1 unseres Lebens einzugreifen.
Kommentar:
Verknüpfen wir diese Studienergebnisse mit den 'neuesten' Forschungen der kognitiven Psychologie:
Die schnelle Informationsaufnahme und -interpretation wird durch das adaptive Unterbewusstsein gesteuert - also außerhalb unserer bewussten Kontrolle. Erklärungen für unsere Motive, Gefühle, Handlungen werden erst im Nachhinein konstruiert, und auf diese Weise schaffen wir uns subjektive Selbst-Erzählungen darüber, wie unser Leben verlief und aus welchen Gründen, und auch darüber wer wir sind. Diese Selbst-Erzählungen sind eine Mixtur aus verschiedensten 'Botschaften', die uns in unserem Leben über uns selbst aufgeprägt wurden, und oftmals decken sich diese Selbst-Erzählungen nicht mit der Person, die wir wirklich sind.
Entgegen der allgemeinen Annahme, dass Selbst-Reflektion der Weg zur objektiven Selbstkenntnis ist, weisen Studien darauf hin, dass Selbstreflektionen die eigenen subjektiven Selbst-Erzählungen im Gegenteil verstärken können, während ein sicherer -obgleich immer noch schwieriger - Weg darin besteht, dass Adaptive Unterbewusste durch Rückschlüsse aus dem eigenen Verhalten abzuleiten, in Zusammenarbeit mit anderen, die einen meist objektiver sehen als man sich selbst sieht.
Dem interessierten Leser sei das Buch Gestatten, mein Name ist Ich: Das adaptive Unterbewusste - eine psychologische Entdeckungsreise von Timothy D. Wilson empfohlen.
Desweiteren das Buch Schnelles Denken, langsames Denken von Daniel Kahneman, der darauf eingeht, wie wir unsere Entscheidungen und Urteile treffen, wie wir denken: Er trifft die Unterscheidung zwischen System 1, das automatisch und schnell arbeitet, mit keinem oder wenig Aufwand und ohne willentliche Kontrolle; und System 2, welches die Aufmerksamkeit auf die mühevollen mentalen Aktivitäten lenkt, die solche erfordern, einschließlich komplexer Berechnungen. Die Tätigkeiten von System 2 werden oft mit der subjektiven Erfahrung von Handlungsmacht, Wahlfreiheit und Konzentration in Verbindung gebracht.
Kurzum, wir sind alles andere als so frei wie wir denken, weder in unseren Handlungen noch in unseren Gedanken, und kennen uns selbst objektiv so gut wie gar nicht - bis wir anfangen sehr genau hinzuschauen und mit überraschend leichten Methoden schädigende Selbst-Erzählungen (die bspw. in Selbstsabotage resultieren) zu verändern - und auf diese Weise in den Autopilot System 1 unseres Lebens einzugreifen.