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Die Weltgesundheitsbehörde (WHO) schlägt Alarm: Der illegale Organhandel habe inzwischen solche Ausmaße erreicht, dass weltweit jährlich wohl 10.000 Nieren verkauft werden. Patienten würden demnach für Transplantationen in Ländern wie China, Indien und Pakistan bis zu 200.000 Dollar (160.000 Euro) zahlen. Skrupellose Ärzte und Vermittler kassieren das meiste davon.

Laut WHO werde mit dem Organhandel die Humanität als solche untergraben: Arme Menschen lassen sich für dringend benötigtes Geld „amputieren“, während kranke Reiche das Geschäft ausnutzen und damit erst ermöglichen. Organhändlerringe würden gezielt nach armen und verzweifelten Menschen suchen, diese erhalten dann für ihre Nieren manchmal nur 5.000 Dollar.

Nachfrage steigt rasant

Dabei sei 2006 und 2007 sogar ein Rückgang bei den illegalen Geschäften verzeichnet worden, sagte der Arzt Luc Noel gegenüber dem britischen Guardian. Er leitet eine Stelle der WHO, die die Entwicklungen bei legalen und illegalen Transplantationen beobachtet. Nun habe der Handel wieder angezogen. Die Nachfrage sei groß - und die zu erreichenden Profite riesig, so Noel. Erleichtert werde das durch zu lasche Gesetze in einigen Ländern - und fehlende Durchsetzung solcher in anderen.

Nieren würden dabei laut Noels Einschätzungen etwa 75 Prozent des globalen Organhandels ausmachen. Der Vormarsch von Wohlstandskrankheiten wie Diabetes, Bluthochdruck und Herzproblemen sorgt für einen steigenden Bedarf an Spendernieren.

Dunkelziffer schwer abzuschätzen

Laut WHO-Daten wurden 2010 in den 95 Mitgliedsstaaten rund 107.000 Organe transplantiert, davon rund 70 Prozent Nieren. Diese knapp 75.000 würden aber nur rund zehn Prozent des weltweiten Bedarfs decken, so Noel. Wie viele der durchgeführten Operationen legal waren, ließe sich nur schätzen. Laut Noel sei wohl rund jede Zehnte ein Fall von Organhandel.

Für Noel ist eine stärkere Überwachung aber nur eine Möglichkeit: Wichtiger sei es, einerseits das System von legalen Organspenden zu optimieren, und andererseits für einen gesünderen Lebensstil zu drängen und damit den Bedarf an Organen zu senken.

Problemfall China

China wird als ein besonderer Problemfall betrachtet: Transplantationen für Geld seien zwar verboten, dennoch sei in den vergangenen Jahren ein deutlicher Anstieg zu verzeichnen. Reiche aus den nahen Osten, anderen Teilen Asiens und manchmal auch aus Europa - oftmals mit chinesischen Wurzeln - würden zwischen 100.000 Und 200.000 Dollar für eine Transplantation zahlen.

Dabei brauchen allein in China selbst rund eine Million Menschen eine neue Niere, 2001 wurden aber nur knapp über 5.200 transplantiert. Derzeit werden noch zum Tode Verurteilten Organe entnommen - 2011 waren das 4.000 Menschen. Auf internationalen Druck will China diese Praxis 2017 allerdings einstellen. Und auch bei der Überwachung des Schwarzhandels mit Organen ist China unter Zugzwang. Gerüchten zufolge werden illegale Transplantationen sogar in Militärspitälern durchgeführt, für das Image des Landes sei das verheerend, meinen Experten.

Erst im April war ein spektakulärer Fall bekanntgeworden, bei dem ein 17-Jähriger eine Niere für umgerechnet 2.700 Euro an einen illegalen Händlerring verkauft hatte, um sich damit ein iPhone und ein iPad leisten zu können.

System der Ausbeutung

Nachdem die Philippinen - ehemals eines der Zentren des Transplantationstourismus - die Gesetze auf internationalen Druck verschärft haben, müsse auch China umdenken, sagte Jim Feehally, Professor an der Universitätsklinik Leicester gegenüber dem Guardian.

Es sei ein einziges System der Ausbeutung: Während sich die reichen Kranken nicht nur die Organe, sondern auch die medizinischen Experten und die Mittelsmänner leisten könnten, würden die Spender mit einem Hungerlohn und ohne medizinische Nachversorgung zurückgelassen.

Legaler Markt im Iran

Ein Sonderfall stellt der Iran dar: Dort ist seit den späten 90er Jahren ein Modell eines staatlich regulierten Organhandels in Kraft. Zwei staatliche Agenturen kontrollieren den Handel und stellen sicher, dass die Spender ihr Geld erhalten. Rund ein Siebtel der Summe wird vom Staat bezahlt, der Rest vom Spender, berichtet der Guardian. Ausländer dürfen keine Organe empfangen. Eine Warteliste für Patienten wie in fast allen anderen Ländern gibt es nicht mehr.

Die Schattenseiten des Systems sind dennoch offensichtlich: Ein Großteil der Spender stammt aus armen Bevölkerungsschichten. Vor Krankenhäusern in Teheran versuchen etliche potenzielle Spender ihre Nieren per Zettel und sogar mit Graffitis anzupreisen - von einer regelrechten Bieterschlacht ist die Rede.