Der Abschuss des türkischen Militärjets durch Syrien führt zu immer schärferen Reaktionen: Regierungschef Recep Tayyip Erdogan gab für die türkisch-syrische Grenze den Schießbefehl und verlangte den Sturz des Assad-Regimes.


Syrische Truppenbewegungen an der Grenze werden von der Türkei ab sofort als potenzielle Bedrohung aufgefasst und bekämpft - das kündigte am Dienstag der türkische Regierungschef Recep Tayyip Erdogan an. Dass sich die Lage an der Grenze so zugespitzt hat, ist aus türkischer Sicht allein dem syrischen Regime zuzuschreiben. DerAbschuss eines unbewaffneten türkischen Militärjets im internationalen Luftraum über dem östlichen Mittelmeer am vergangenen Freitag habe eine neue Lage geschaffen, sagte Erdogan in Ankara. Mit dem unprovozierten Abschuss sei Syrien zu einer Bedrohung der nationalen Sicherheit der Türkei geworden.

Von den türkischen Dörfern an der Grenze zu Syrien aus sind seit dem Beginn des Aufstandes gegen das Assad-Regime in Damaskus regelmäßig syrische Panzer zu sehen: Die Auseinandersetzung zwischen Regierungstruppen und Rebellen in Syrien spielen sich hin und wieder vor den Augen der türkischen Nachbarn ab. Fünfmal drangen syrische Kampfhubschrauber nach türkischen Angaben in den vergangenen Monaten bei der Bekämpfung der Rebellen kurzzeitig in den türkischen Luftraum ein. Bisher beließen es die Türken bei einer Warnung an die Piloten - ab sofort soll ohne Zögern geschossen werden.

Befreiung Syriens vom „blutdürstigen Diktator“

Erdogan sagte dem syrischen Volk Unterstützung bis zur Befreiung von Machthaber Baschar el Assad zu. „Die Türkei unterstützt das syrische Volk mit allen nötigen Mitteln, bis es von Unterdrückung, Massakern, diesem blutdürstigen Diktator und seiner Clique befreit ist.“ Der Abschuss des Phantom-Jets sei ein „feindseliger Akt“ gewesen. Die Türkei werde auf jede weitere Aggression durch Syrien mit militärischen Mittel reagieren.

Erdogans Ankündigung erreicht die Auseinandersetzung zwischen der Türkei und ihrem ehemaligen Partner Syrien eine ganz neue - und gefährliche - Ebene. Schon einmal drohte die Türkei dem Nachbarn mit Krieg: 1998 erreichte Ankara damit, dass Syrien den kurdischen Rebellenchef Abdullah Öcalan aus dem Land warf. Ob der militärische Druck diesmal ebenfalls erfolgreich sein wird, steht noch nicht fest.

Parallel zur neuen Lage an der Grenze bemüht sich die Erdogan-Regierung weiter um internationale Unterstützung für ihre Position. Die Rede des Ministerpräsidenten vor der Parlamentsfraktion seiner Regierungspartei AKP in Ankara wurde unter anderem von dem arabischen Nachrichtenkanal El-Dschasira live übertragen. Die Türkei sei kein Land, das „mit gefesselten Händen“ einem Angriff wie dem auf ihr Flugzeug zuschaue, sagte Erdogan. „So wertvoll die Freundschaft der Türkei ist, so furchtbar ist ihr Zorn.“

Nato hält sich bedeckt

Während Erdogan in Ankara sprach, gaben die Nato-Partner in Brüssel den Türken in dem Konflikt mit dem offenbar unberechenbar gewordenen Nachbarn zwar Rückendeckung, ein militärisches Eingreifen erwägen sie aber weiterhin nicht. „Wir bewerten diesen Akt als nicht hinnehmbar und verurteilen ihn auf das Schärfste“, stellte Nato-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen nach einer von der Türkei beantragten Krisensitzung klar.

Die Nato beobachte die Lage genau, warnte Rasmussen und fügte hinzu: „Und falls notwendig, werden wir uns beraten und diskutieren, was weiter getan werden kann.“ Für die Nato ist das eine scharfe Warnung Richtung Damaskus, zumal Rasmussen nicht ausdrücklich seine in den letzten Monaten immer wieder getätigte Aussage wiederholte, dass „die Nato nicht die Absicht hat, in Syrien zu intervenieren“. Doch nach dem Waffengang in Libyen im vergangenen Jahr wollen die Nato-Länder eine Militärintervention in Syrien unbedingt vermeiden.


Kommentar: Solange Psychopathen an der Macht sind, ist diese Aussage nicht ernst zu nehmen.


Die Sitzung des Nato-Rats wurde von Ankara auf Grundlage von Artikel 4 des Nato-Vertrags beantragt. Der Passus sieht ein Treffen des Gremiums vor, wenn ein Mitglied „die Unversehrtheit des Gebiets“ bedroht sieht. Eine Diskussion über den Artikel 5, der den Nato-Bündnisfall regelt, habe es nicht gegeben, sagte Rasmussen. Keiner der Vertreter der 28 Nato-Staaten habe von einer möglichen militärischen Vergeltung gesprochen, sagten Nato-Diplomaten.

dg/dn/AFP