Der Rücktritt von CIA-Chef David Petraeus wegen einer Liebesaffäre ist der größte Skandal, den Washington seit langem erlebt hat. Für den wiedergewählten Präsidenten Obama kommt er zur Unzeit.
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© DAPDGlücklichere Zeiten: General David Petraeus im Juni 2010 mit Präsident Obama
Er war Amerikas mächtigster Spion - bis er selbst einem Schnüffelangriff zum Opfer fiel. Es waren ausgerechnet FBI-Agenten, die den CIA-Chef David Petraeus mit ihren Ermittlungen zu Fall brachten. Die „Gegenspionage-Einheit“ der Bundespolizei habe vor Monaten begonnen, das private E-Mail-Konto des Geheimdienstchefs bei Google genauer unter die Lupe zu nehmen, berichtete das „Wall Street Journal“ am Samstag. Die „Feds“ hätten eigentlich nur die Sicherheit des Accounts überprüfen wollen. Zufällig stießen sie dabei auf kompromittierende Nachrichten über Petraeus’ Liebesaffäre.

Soweit die bislang bekannte Version. Die ganze Wahrheit hinter dem größten Sex-Skandal, den Washington seit langem erlebt hat, wird wohl höchstens bruchstückweise ans Tageslicht kommen. Bereits jetzt reicht der Stoff für einen schlüpfrigen Hollywood-Thriller. Allein der Blick auf die angebliche Liebhaberin liefert den Drehbuchautoren, was sie kaum hätten erfinden können: Eine wunderschöne Frau, Ball-Königin in der Schule, Triathletin, Absolventin der Elite-Militärakademie West Point und der Top-Universität Harvard, Mutter von zwei Kindern. Und dann auch noch einstiges Foto-Modell für einen Maschinenpistolen-Hersteller. Das ist Paula Broadwell, laut amerikanischen Zeitungen die Frau, die den angeblich so disziplinierten Vier-Sterne-General nach 37 Jahren Ehe schwach machte.

Aus der mitreisenden Journalistin wurde die Geliebte

Die 40 Jahre alte Frau Broadwell schrieb eine Biografie über Petraeus und schwärmte in Fernsehinterviews von seiner Führungsstärke. Für die Recherche war sie für rund ein Jahr nach Afghanistan gezogen, wo Petraeus den Anti-Terror-Krieg der Vereinigten Staaten führte. Sie hatte lange Gespräche mit ihm, gemeinsam gingen sie joggen. Die Affäre habe begonnen, als der 60 Jahre alte General die Armee verließ, schreibt das Wall Street Journal. Das war im August 2011, kurz vor seinem Wechsel zur CIA. Seit einigen Monaten sei das Tête-à-tête vorbei. Dennoch konnte nicht einmal der Geheimdienstchef die Beziehung verbergen.

Was die FBI-Agenten in seinem Google-Konto fanden, löste bei ihnen „Sicherheitsbedenken“ aus. Eine Affäre kann Top-Spione erpressbar machen und sie in ein nationales Risiko verwandeln, heißt es in Washington. Der CIA-Chef ist dabei keine Ausnahme - ganz im Gegenteil. Vor zwei Wochen habe die Bundespolizei Petraeus mit den Untersuchungsergebnissen konfrontiert, schreibt die New York Times. Er konnte die Ermittler offenbar nicht beruhigen. Am Mittwoch wurde das Weiße Haus in Kenntnis gesetzt, am Donnerstag der amerikanische Präsident Barack Obama, am Freitag war der Spuk vorbei.

Die ganze Angelegenheit ist für die Weltmacht nicht nur peinlich. Erinnerungen an die Praktikantinnen-Affäre von Ex-Präsident Bill Clinton oder den Schwangerschaftsskandal des Präsidentschaftsbewerbers John Edwards drängen sich auf. Die Affäre ist auch misslich für Obama, dessen Feierlaune nach der Wiederwahl am Dienstag ruiniert sein dürfte. Er sei richtig enttäuscht, verlautete aus dem Weißen Haus.

Schmerzlicher Verlust für Obama

Mit Petraeus verliert Obama eine Säule seines Anti-Terror-Kampfes. Der hochdekorierte Ex-General baute die CIA weiter in eine schlagkräftige Truppe um, die immer mehr internationale Drohneneinsätze steuert und auch bei der Abwehr von Angriffen aus dem Internet eine zunehmende Rolle spielt. Was hinzu kommt: Obama erleidet - wenn sich alle Andeutungen bewahrheiten - ohnehin bald einen massiven Verlust an erfahrenen Führern in der Außen- und Verteidigungspolitik. Außenministerin Hillary Clinton will sich zurückziehen, Verteidigungsminister Leon Panetta ebenso. Jetzt muss der wiedergewählte Präsident auch noch einen Geheimdienstchef finden, der genau diese beiden Behörden mit entscheidenden Infos versorgt.

Kein Wunder also, dass Amerikas Sicherheitspolitiker von der Nachricht am Freitag regelrecht geschockt waren. Doch bei allen Sorgen: Für die Satiriker des Landes ist der tiefe Fall des bisherigen „amerikanischen Helden“ ein gefundenes Fressen. Der TV-Komiker Jay Leno ermahnte seine Zuschauer am Freitagabend, aus dem Vorfall eine Lehre zu ziehen: „Wenn nicht einmal der CIA-Direktor eine Affäre geheim halten kann, dann habt Ihr ein richtiges Problem“, meinte er.