Die israelische Luftwaffe hat in nächtlichen Bombardements das Regierungsgebäude der Hamas in Gaza-Stadt schwer beschädigt. Insgesamt gab es 180 Angriffe. Zur Vorbereitung einer Bodenoffensive werden Panzer im Grenzgebiet stationiert. Aus dem Gaza-Streifen wurden 500 Raketen abgefeuert.

Jerusalem - Bis zum frühen Samstagmorgen hat die israelische Luftwaffe ihre Angriffe auf Ziele im Gaza-Streifen verschärft und nach palästinensischen Angaben mehrfach die Zentrale der radikalislamischen Hamas-Regierung in Gaza-Stadt bombardiert. Augenzeugen berichteten von schwersten Schäden an dem Gebäude und den Nachbarhäusern.

Auch der Sitz von Premierminister Ismail Hanija sei beschossen worden, teilte ein israelischer Armeesprecher mit. Vor dem Amtssitz hatten führende Hamas-Mitglieder am Freitag noch Ägyptens Ministerpräsidenten Hischam Kandil zu einem kurzen Solidaritätsbesuch im Gaza-Streifen empfangen. Eigentlich wollte Kandil zwischen beiden Seiten schlichten und für einen Waffenstillstand werben. Doch eine für den Besuch verabredete Feuerpause hielt nicht, Kandil beendete ihn daraufhin vorzeitig.
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© AFPPalästinensische Feuerwehrleute am Samstagmorgen in Gaza-Stadt an der Hamas-Zentrale: Die israelischen Streitkräfte haben bei ihren Luftangriffen im Gaza-Streifen nach eigenen Angaben bisher mehr als 800 Ziele getroffen. Das israelische Militär erklärte, allein in der Nacht habe die Luftwaffe rund 180 Angriffe geflogen. Das Innenministerium in Gaza teilte mit, die israelischen Kampfflugzeuge hätten Verwaltungsgebäude von Regierung und Polizei, Schmugglertunnel und ein dreistöckiges Wohngebäude getroffen. Aus dem Gaza-Streifen wurden unterdessen rund 500 Raketen auf Israel abgefeuert.

Insgesamt hätten die Angriffe 85 "Terrorzielen" gegolten, darunter Werkstätten zum Bau von Raketen, sagte ein israelischer Armeesprecher am Samstagmorgen. Allein in der Nacht habe die Luftwaffe rund 180 Angriffe geflogen. Weitere Ziele waren die Polizeizentrale der Hamas im Westen von Gaza-Stadt, das im Norden der Stadt gelegene Hauptquartier der Inneren Sicherheit sowie das Haus eines Vertreters des Innenministeriums im Flüchtlingslager Dschabalja. Der Armee zufolge gab es seit Mittwoch mehr als 830 Angriffe auf den Gazastreifen.

Das Innenministerium in Gaza teilte mit, die israelischen Kampfflugzeuge hätten Verwaltungsgebäude von Regierung und Polizei, Schmugglertunnel und ein dreistöckiges Wohngebäude getroffen. Zudem zerstörte die Luftwaffe fünf Transformatoren. Über 400.000 Menschen im Gaza-Streifen seien ohne Strom, teilten die Versorgungsbetriebe mit.

Aus dem Gaza-Streifen wurden laut palästinensischen Angaben rund 500 Raketen auf Israel abgefeuert. Eine israelische Militärsprecherin sagte, die Hamas habe ingesamt mehr als 350 Raketen abgefeuert, von denen mehr als 200 abgefangen worden seien.

Bei den Angriffen in der Nacht zum Samstag kam nach Angaben der Gesundheitsbehörden im Gaza-Streifen ein Mensch ums Leben. Dutzende weitere seien verletzt worden. Damit stieg die Zahl der Todesopfer auf palästinensischer Seite seit Mittwoch auf 30. In Israel wurden am Donnerstag drei Menschen getötet, als palästinensische Raketen in einem Wohngebiet einschlugen. Am Freitag war erstmals eine Rakete aus dem Gaza-Streifen nahe der israelischen Hauptstadt Jerusalem niedergegangen.

"Wir planen mehr Überraschungen"

"Die palästinensische Regierung unterstreicht ihre Standfestigkeit und ihre Unterstützung für den palästinensischen Widerstand", schrieb Regierungssprecher Ihab Hussein am Samstagmorgen in einer Nachricht an Journalisten. "Sie steht an der Seite des Volkes, das dieser Aggression ausgesetzt ist."

Nachdem am Freitag den zweiten Tag in Folge Raketen auf die Metropole Tel Aviv abgefeuert wurden, sagte der Sprecher des militärischen Arms der regierenden Hamas, Abu Obeida: "Die Botschaft ist kurz und einfach: Es gibt keine Sicherheit für die Zionisten (...) und wir planen mehr Überraschungen."

Seit der gezielten Tötung von Hamas-Militärchef Ahmed al-Dschabaari am Mittwoch steuert der Dauerkonflikt zwischen Israel und der islamistischen Bewegung, die seit 2007 den Gaza-Streifen kontrolliert, auf einen offenen Krieg zu. Auf ununterbrochene israelische Luftangriffe folgten hunderte Raketenangriffe auf israelisches Gebiet.

Der israelische Außenminister Avigdor Lieberman kündigte Vergeltung an für die anhaltenden Raketenangriffe und schloss selbst eine gezielte Tötung von Ministerpräsident Ismail Hanija nicht aus. "Jedes Mal, wenn die Hamas schießt, wird die Antwort noch heftiger ausfallen", sagte er im Fernsehsender Channel 2. "Ich rate der gesamten Hamas-Führung, uns nicht auf die Probe zu stellen (...) Keiner dort ist unantastbar - weder Hanija noch sonst irgendjemand."

Obama bekräftigt Israels Recht auf Selbstverteidigung

Unterdessen beschleunigte Israel die Vorbereitungen zu seiner angedrohten Bodenoffensive gegen die Hamas. Nach der Einberufung von 16.000 Reservesoldaten am Donnerstag und Freitag billigte das Kabinett am Freitagabend laut israelischem Fernsehen die Mobilisierung von bis zu 75.000 Reservisten. Korrespondenten berichteten von Panzern, gepanzerten Truppenfahrzeugen und Planierraupen, die in der Grenzregion zum Gaza-Streifen zusammengezogen würden. Diese wurde zum militärischen Sperrgebiet erklärt.

Angesichts der wachsenden Gefahr einer Gewaltexplosion im Nahen Osten verstärkten die USA ihre Bemühungen um eine diplomatische Lösung des Konflikts. US-Präsident Barack Obama telefonierte mit dem israelischen Premierminister Benjamin Netanjahu und dem ägyptischen Staatschef Mohammed Mursi, um nach Wegen zu suchen, die Lage zu entschärfen, wie das Weiße Haus mitteilte.

Der Präsident bedauerte den Tod von Israelis und Palästinensern. Er lobte Mursis Bemühungen um eine Entspannung der Situation, bekräftigte aber gleichzeitig Israels Recht auf Selbstverteidigung.

US-Verteidigungsminister Leon Panetta ließ sich unterdessen von seinem israelischen Kollegen Ehud Barak über den neuesten Stand informieren. Uno-Generalsekretär Ban Ki Moon kündigte einen Besuch der Palästinensergebiete an.