Inflationssorgen, Crash-Ängste und die Befürchtung, von Vermittlern über den Tisch gezogen zu werden: Immer weniger Bundesbürger wollen noch mehr Geld in ihre private oder betriebliche Altersversorgung stecken. Jüngste Fälle zeigen, dass derlei Befürchtungen offenkundig nicht unbegründet sind.
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Die populistische Behauptung, die Rente sei sicher, würde heute zwar kein Politiker mehr wiederholen, der nicht zum Gespött der Bürger werden möchte. Dennoch gilt dieser Satz nach wie vor als Paradebeispiel für die Unaufrichtigkeit von Politikern, die vor Wahlen den Bürgern alles erzählen - nur nicht die Wahrheit. Heute ist klar: Ohne eine zusätzliche private und betriebliche Altersversorgung droht den Ruheständlern von morgen ein karges Leben, in vielen Fällen sogar Armut.

Jahrelang propagierten Politiker, die eben noch von der Sicherheit der gesetzlichen Rente schwadroniert hatten, die Notwendigkeit privater Vorsorge. Und Banken, Versicherungen und Makler rieben sich die Hände. Sie verdienten prächtig an der Angst der Menschen vor Altersarmut, drehten ihnen unsinnige Riesterverträge an und zockten horrende Provisionen ab.

So kann denn die aktuelle Studie der Postbank eigentlich nicht überraschen, wonach die Bereitschaft der Deutschen zum Ausbau ihrer privaten Altersvorsorge so gering ist wie schon lange nicht mehr. Rund 42 Prozent der Berufstätigen in der Bundesrepublik wollen ihre private Altersversorgung nicht mehr erweitern. In der ersten Studie des Geldinstituts im Jahr 2003 waren es nur 30 Prozent der Berufstätigen. Rückläufig sind darüber hinaus die monatlichen Ausgaben der Arbeitnehmer, Freiberufler und Selbstständigen für ihre private Altersversorgung. Investierten sie im Schnitt im Jahr 2005 noch 204 Euro im Monat, so sind es jetzt nur 185 Euro.

Die Gründe liegen auf der Hand: Während Politiker und Mainstreammedien schon das baldige Ende der Euro-Krise feiern, weil Deutschland über Jahre hinweg zahlen und bürgen darf, sind die Menschen nachhaltig verunsichert. Mehr als die Hälfte aller Erwerbstätigen in Deutschland - exakt 52 Prozent - sorgt sich vor dem Hintergrund der Euro-Schuldenkrise um ihre Altersversorgung. »Die Bereitschaft, neue und langfristige Vorsorgeverträge in dieser Situation abzuschließen, ist entsprechend gering«, fasst Postbank-Vorstand Michael Meyer eine der wichtigsten Erkenntnisse dieser Studie zusammen. Dabei handle es sich nicht um eine kurzfristige Erscheinung, sondern um einen längerfristigen Trend. Ganz offenkundig glaubt die Mehrheit der Bürger den Gesundbetern in Politik und Medien nicht mehr.

Riesterverträgen, Lebensversicherungen, Sparplänen und anderen Fiat-Money-Produkten trauen die Bundesbürger immer weniger. Wenn es um die private Altersvorsorge geht, setzen die Menschen verstärkt auf Gold und Immobilien.

Dabei spielen die berechtigten Inflationssorgen eine entscheidende Rolle. Die Strategie der »finanziellen Repression«, mit der Regierungen und Notenbanken die Schuldenkrise längerfristig in den Griff zu bekommen glauben, zeigt bereits heute deutliche Auswirkungen - nicht zuletzt bei der betrieblichen Altersversorgung. Dank historisch niedriger Zinsen gehen die Kapitalerträge für die Betriebsrenten deutlich zurück. Konsequenz: Entweder müssen die Konzerne Milliarden zuschießen, oder aber die Arbeitnehmer haben Verzicht zu üben. Doch betrifft das Problem nicht nur die Großunternehmen. Das Thema beschäftigt zum Beispiel auch die Diakonie, mit rund 400.000 Mitarbeitern einer der größten privaten Arbeitgeber in Deutschland. Seit Juni müssen die Beschäftigten dort 0,3 Prozent ihres versorgungspflichtigen Entgelts als Sanierungsbeitrag zuschießen. Da die Notenbanken nach eigenem Bekunden fest entschlossen sind, die niedrigen Zinssätze über Jahre hinweg beizubehalten, dürfte noch einiges auf die Beschäftigten und Betriebsrentner von morgen zukommen.

Doch nicht nur Crash-Ängste und Inflationssorgen verunsichern die Bürger. Es sind darüber hinaus die oftmals haarsträubenden Berichte über die Provisionsgier von Vermittlern, die den Verdacht nähren, Banken, Versicherungen und Maklern ginge es weniger um das Wohlergehen ihrer Kunden im Alter als vielmehr um satte Provisionen und Boni.

Der milliardenschwere Markt für die betriebliche Altersversorgung ist höchst lukrativ. Im vergangenen Jahr wurden im produzierenden Gewerbe in Westdeutschland je Arbeitnehmer durchschnittlich 2.583 Euro für die betriebliche Altersversorgung aufgewandt. Im Kredit- und Versicherungsgewerbe waren es sogar im Schnitt 6.521 Euro.

Um an diesem Milliardenmarkt kräftig mitzuverdienen, suchen die Vermittler und Produktanbieter gern die Nähe zur Politik. Vor kurzem enthüllte die Financial Times Deutschland: Zehntausende von Schwestern, Pflegern und Ärzten in deutschen Krankenhäusern zahlen angeblich doppelt so hohe Provisionen an die Maklerfirma VAF Pfaffelhuber wie normalerweise üblich. Nach Angaben der Zeitung kassiert der Vermittler bei einem großen Teil seiner Verträge Provisionen von vier Prozent aller zu zahlenden Beiträge. Bei Massenverträgen - und dabei handelt es sich im vorliegenden Fall - gelten 1,8 bis zwei Prozent als üblich.

Das Geschäft werde über den Dachverband der Unterstützungskasse für deutsche Krankenhäuser (DUK) organisiert, den VAF-Geschäftsführer Ulrich Pfaffelhuber aufgebaut habe und bei dem er bis heute stellvertretender Vorstandschef sei. Unter anderem arbeiteten VAF und DUK auch mit der Sexskandal-Assekuranz Ergo zusammen.

Das Maklerunternehmen spricht mittlerweile von »haltlosen und unkonkreten Anwürfen«. So seien die Provisionen angeblich nicht überhöht gewesen, schließlich habe man eine Beratungsleistung und andere Dienstleistungen erbracht.

Aufschlussreich ist jedoch ein Blick in den Beirat der DUK. Dort findet man neben anerkannten Medizinern auch die Bundestagsabgeordneten Rolf Koschorrek und Michael Hennrich, beide Mitglied im Gesundheitsausschuss des Bundestags. Sie gehören ebenso der CDU an wie die Abgeordnete Heike Brehmer, die gleichfalls im DUK-Beirat sitzt. Ebenfalls Mitglied dieses Gremiums: Otto Bernhardt, heute Politik- und Unternehmensberater, früher Bundestagsabgeordneter und zeitweise finanzpolitischer Sprecher der CDU/CSU-Fraktion. Und damit nach außen nicht der Eindruck einer ausschließlichen Bindung an die Union entsteht, wurde das SPD-Mitglied Isolde Kunkel-Weber vom Vorstand der Gewerkschaft ver.di mit ins Boot geholt. Doch das Beziehungsgeflecht zu den Christdemokraten scheint besonders gut zu sein. Immerhin: Zum zehnjährigen Bestehen der DUK 2004 sprach eine prominente Christdemokratin - Angela Merkel.