Es war eine kleine alte Frau, die bei der zusammengekauerten Gestalt am Straßenrand stehen blieb. Das heißt, die Gestalt war eher körperlos, erinnerte an eine graue Flanelldecke mit menschlichen Konturen.

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"Wer bist du?" fragte die kleine Frau neugierig und bückte sich ein wenig hinunter. Zwei lichtlose Augen blickten müde auf. "Ich ... ich bin die Traurigkeit", flüsterte eine Stimme so leise, dass die kleine Frau Mühe hatte, sie zu verstehen.
"Ach, die Traurigkeit", rief sie erfreut aus, fast als würde sie eine alte Bekannte begrüßen.
"Kennst du mich denn", fragte die Traurigkeit misstrauisch.
"Natürlich kenne ich dich", antwortete die alte Frau, "immer wieder einmal hast du mich ein Stück des Weges begleitet."
"Ja, aber ..." argwöhnte die Traurigkeit, "warum flüchtest du nicht vor mir, hast du denn keine Angst?"
Kommentar: Die "Arbeit an sich selbst", d.h. daran zu arbeiten, ein besserer Mensch zu werden, ist ein integraler Bestandteil eines sinnerfüllten Lebens. Die Welt und die Menschen um uns herum können wir nicht verändern. Alles was wir verändern können, ist uns selbst. Da dieser Weg lang und beschwerlich ist und uns vor Augen führt, wie automatisch und im Grunde fremdbestimmt wir uns verhalten, entwickeln wir im Zuge dessen auch mehr Mitgefühl und Nachsicht für die Fehler anderer Menschen, weil wir erfahren haben, wie fehlbar wir selbst sind und wie schwierig es ist, sich zu verbessern.