Politik braucht Darstellung, zur Demokratie gehören Massenversammlungen, große Reden brauchen Sätze, die sich ins kollektive Gedächtnis eingraben. Nichts davon, war gestern bei Obamas und Merkels Auftritt auf dem Pariser Platz vor dem Brandenburger Tor ausfindig zu machen. Die ganze Inszenierung war wie eine bombastische Attrappe, die jeden Augenblick zu zerbersten drohte. Da saßen die Hauptakteure wie in einem Aquarium hinter einer riesigen schusssicheren Glaswand. Auf den umstehenden Dächern wachten unverkennbar Scharfschützen. Der Platz auf der westlichen Seite des Brandenburger Tors war leergefegt und die Straße des 17. Juni war menschenleer.
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Da war zwischen Bühne und dem platzierten Publikum ein riesiger Sicherheitsgraben. Die Tribünen für die geladenen Gäste waren schütter gefüllt. Spontaner Zulauf war ausgeschlossen. Die akribisch ausgewählten und strengen Sicherheitskontrollen ausgesetzten Besucher mussten zwei Stunden in sengender Hitze ausharren - nicht einmal eigene Getränke oder Sonnenschirme waren erlaubt - und wurden als mit Fähnchen bestückte Claqueure missbraucht.
Eine derart unwirkliche „Massenveranstaltung“ hat es wohl noch kaum irgendwo gegeben - nicht einmal in den Masseninszenierungen diktatorisch beherrschter Staaten. So groß ist der Abstand und so tiefsitzend ist die Angst "demokratischer Machthaber" vor den „Demos“, also dem gemeinen Volk. So grotesk ist die Inszenierung der Rede des amerikanischen Präsidenten an die deutsche Bevölkerung. Wenn man die Bilder der Reden von John F. Kennedy („Ich bin ein Berliner“) vor dem Schöneberger Rathaus oder Ronald Reagan („Mr. Gorbachev, tear down this wall!“) vor der Mauer am Brandenburger Tor noch vor Augen hat, war der Auftritt Obamas geradezu eine Vergewaltigung der Versammlungsfreiheit und der spontanen Meinungsäußerung - sei es als Jubel oder sei es auch als Missbilligung.
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