Joe Biden
© ReutersUS-Vizepräsident Joe Biden will ein Freihandelsabkommen zwischen Europa und den USA.
US-Vizepräsident Biden bekennt sich zu einer transatlantischen Freihandelszone. Die Deutschen sind begeistert. Doch können die Partner alle Differenzen über Vorschriften und Standards überwinden?


Die Idee ist alt. Seit Jahrzehnten wird die Idee einer transatlantischen Freihandelszone diskutiert, eines gemeinsamen Binnenmarktes zwischen den Vereinigten Staaten von Amerika und der Europäischen Union. Es gibt Entschließungen der EU dazu, beginnend 1990, erneuert 1998 und 2005. Wirklich passiert aber ist nichts.

Nun aber könnte das Projekt wieder Fahrt aufnehmen. Bereits Ende des vorigen Jahres setzten US-Präsident Barack Obama und EU-Präsident Herman van Rompuy eine Arbeitsgruppe ein, die diese Idee erneut prüfen soll. Die europäische und die amerikanische Handelskammer drücken aufs Tempo, ebenso die irische EU-Ratspräsidentschaft.

Außerdem ist die Idee populär: Rund zwei Drittel der Amerikaner und Europäer stehen einer gemeinsamen Freihandelszone laut Umfragen positiv gegenüber.

"Früchte eines Erfolgs wären fast grenzenlos"

Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel hat das Thema entdeckt. Seit zwei Wochen wirbt sie öffentlich für den transatlantischen Binnenmarkt. "Nichts wünschen wir uns mehr als ein Freihandelsabkommen zwischen Europa und den Vereinigten Staaten", hatte Merkel etwa am Dienstag vor dem Bund der Deutschen Industrie gesagt. "Irgendwann werden auch die schwierigsten Projekte Realität", fügte sie einen Tag später bei einem Empfang für das Diplomatische Korps in Berlin hinzu.

Mit Spannung wurde deshalb erwartet, was US-Vizepräsident Joe Biden in seiner Rede auf der Münchner Sicherheitskonferenz zu diesem Mega-Projekt sagen würde. Immerhin war sein Auftritt die erste außenpolitische Standortbestimmung der amerikanischen Administration seit der Wiederwahl Obamas zum Präsidenten.

Und dessen Stellvertreter äußerte sich überraschend optimistisch: "Ich glaube, dass wir die Schwierigkeiten überwinden können. Die Früchte eines Erfolges wären fast grenzenlos."

Biden will es "mit einer Tankfüllung" schaffen

Eine Freihandelszone sei eine gute Weiterentwicklung der transatlantischen Partnerschaft, "dies wäre für beide Seiten des Atlantiks gut und würde der Partnerschaft eine neue Facette geben, Wachstum und Beschäftigung stärken sowie die Position des Westens im weltweiten Wettbewerb verbessern", sagte Biden. Europa sei bereits jetzt der größte Wirtschaftspartner der USA, das Potenzial aber sei noch sehr viel größer.

Der Vizepräsident mahnte aber auch. Wenn man das Projekt angehe, dürfe es keine ausufernden Verhandlungen geben, sondern man müsse es "mit einer Tankfüllung" tun. "Gibt es den politischen Willen, die langjährigen Differenzen über Vorschriften und Standards aus dem Weg zu räumen?", fragte Biden.

Nur ein Beispiel für diese Probleme: Während die Europäer gentechnisch veränderten Lebensmitteln extrem skeptisch gegenüberstehen, gibt es in den USA nicht einmal Warnhinweise auf den Packungen.

Westerwelle - "Die Zeit ist reif"

Die Deutschen jedenfalls sind guten Willens, um nicht zu sagen: Sie sind begeistert. Verteidigungsminister Thomas de Maizière freute sich über Bidens "klares Bekenntnis zu einer Freihandelszone".

Außenminister Guido Westerwelle assistierte: "Die Zeit ist reif für ein ambitioniertes Projekt, das unsere Stärken beiderseits des Atlantiks nutzt. Die Zeit ist reif für einen gemeinsamen transatlantischen Binnenmarkt." Der verspreche einen starken Impuls für Wachstum und Arbeitsplätze, wäre zugleich ein wichtiger Baustein für die Zukunft der liberalen internationalen Ordnung.

Mit Blick auf den Aufstieg neuer Kraftzentren in anderen Teilen der Welt sei ein "transatlantisches Abkommen, das nicht nur Handelsfragen, sondern Investitionen, Dienstleistungen, Normen und Standards umfasst, ein überzeugender Beitrag für die Selbstbehauptung Europas und Amerikas in der Globalisierung".

Ende von Tausenden regulatorischen Unterschieden

Tatsächlich würden mit einem solchen Binnenmarkt nach Vorbild der EU Tausende von regulatorischen Unterschieden zwischen den Wirtschaftsräumen auf beiden Seiten des Atlantiks verschwinden. Es gibt keinen vernünftigen Grund, warum Autos an der Grenze des jeweils anderen umgerüstet werden.

Auf Schuhe, Lebensmittel und Computer werden Schutzzölle erhoben, als handelten zwei feindliche Lager miteinander. Die bisherige Handhabung der Handelsbeziehungen, sagte unlängst die scheidende US-Außenministern Hillary Clinton, vernichte beim Grenzübertritt jährlich Dutzende von Milliarden Dollar.

Gary Smith, Leiter der American Academy in Berlin, glaubt, dass die US-Regierung einen Abschluss wirklich will. "Das Freihandelsabkommen ist ein klassisches Projekt für die zweite Amtszeit eines Präsidenten, weil er heftige Widerstände im US-Kongress überwinden muss", sagte Smith mit Blick auf die Interessen der US-Agrarlobby. "Obama kann mehr Risiken eingehen." Vielleicht wird eine alte Idee ja tatsächlich noch in die Tat umgesetzt.