Ökologen der Universität Jena legen Vorschläge für effektiveren Schutz der Natur vor

Ökologen schlagen Alarm: Die Verschmutzung der Natur mit Müll hat mittlerweile auch die Antarktis erreicht. Das Problem dürfte schlimmer sein als ursprünglich angenommen. Ein Bericht, den Wissenschafter der Friedrich-Schiller-Universität Jena angefertigt haben, verdeutlicht die Spuren, die der Mensch am Südpol bereits hinterlassen hat.
King George Island, zugemüllte Antarktis
© anja nordt/fsuZugemüllte Antarktis: Eine chinesische Mülllagerfläche in der Saison 2008/09 auf der Fildes-Halbinsel auf King George Island. Im Hintergrund die Station Great Wall.
Fahrzeugreifen und -ketten haben kilometerweit die spärliche Vegetation durchpflügt, Überreste von Versuchsaufbauten und nicht mehr genutzte Feldhütten wittern langsam vor sich hin. Müll - teilweise mit Gefahrgut wie Chemikalienresten, ausrangierten Ölfässern oder Fahrzeugbatterien - liegt offen herum. Hinzu kommen ölverschmutzte Küstengewässer und Strände durch Ölhavarien oder mangelhaften Umgang mit Treibstoff in den Stationen.

Veritables Müllproblem

"Mittlerweile haben wir in der Antarktis ein veritables Müllproblem", sagt Hans-Ulrich Peter von der Universität Jena, der den Bericht federführend verfasst hat. Dies betreffe vor allem King Georg Island, eine Insel etwa 120 Kilometer vor dem antarktischen Kontinent. Dort, genauer auf der Fildes-Halbinsel, forscht der Ökologe seit 1983 regelmäßig und hat die Umweltveränderungen seither akribisch dokumentiert.

"Die Fildes-Halbinsel ist eines der größten eisfreien Gebiete der Antarktis mit vergleichsweise großer Biodiversität", meint Peter. Dies mache diese Region für die Wissenschaft besonders interessant. Allerdings habe das auch zur Folge, dass sich dort auf relativ engem Raum sechs permanent bewohnte Forschungsstationen inklusive Flugzeuglandebahn konzentrieren, was dieses Gebiet zum logistischen Drehkreuz der internationalen Antarktisforschung macht. Und das mit allen Folgen, die eine regelmäßige menschliche Besiedelung nach sich zieht. So haben die Ökologen der Uni Jena in den vergangenen knapp 30 Jahren festgestellt, dass neben globalen Klimaveränderungen, die in der Antarktis besonders gravierend spürbar sind, vor allem lokale Einflüsse des Menschen die Natur in der Südpolarregion bedrohen.

Eingeschleppte Pflanzen

"Aufgrund der extremen klimatischen Bedingungen regeneriert sich die sensible Vegetation nur sehr langsam", sagt Christina Braun aus Peters Team, die selbst bereits sieben Mal zu Forschungsaufenthalten auf der King George Insel war. "Fahrzeugspuren sind teilweise jahrzehntelang zu sehen." Neben den durch Fahrzeuge und Bautätigkeiten verursachten Vegetationsschäden, sei die einzigartige Flora der Antarktis aber auch von eingeschleppten Pflanzen bedroht, so Christina Braun. "Bereits vor einigen Jahren haben wir in der Nähe der russischen Forschungsstation Bellingshausen nicht-heimische Gräser gefunden." Auch Insekten und andere Tier- und Pflanzenarten, die von Expeditionsteilnehmern eingeschleppt werden, sind eine Gefahr für das Ökosystem.

"Wenn es kein grundlegendes Umsteuern gibt, werden sich diese negativen Umwelteinflüsse in den kommenden Jahren noch verstärken", befürchtet Hans-Ulrich Peter. Daher schlagen die Jenaer Ökologen in ihrer rund 130 Seiten starken Publikation konkrete Maßnahmen zum Management der sensiblen Region vor: Kernpunkt ist das Ausweisen der Fildes-Halbinsel als "besonderes antarktisches Verwaltungsgebiet" (engl: Antarctic Specially Managed Area, kurz "ASMA"). Mit diesem Instrument der besonderen Verwaltung wären für die Nutzung des Gebietes rechtlich verbindlich umweltgerechte Standards festgelegt, die die Interessenkonflikte zwischen Wissenschaft, Logistik, Tourismus und dem Schutz geologischer und historischer Stätten sowie der Natur reduzieren sollen. Allerdings blockiere die Uneinigkeit unter den Antarktis-Vertragsstaaten bislang eine Umsetzung dieses Vorschlags, bedauert Peter.

(red)

Link

Friedrich-Schiller-Universität: Aktuelle Umweltsituation und Vorschläge zum Management der Fildes Peninsula Region, Antarktis (pdf-Dokument)