Bereits wenige Stunden nach dem Tod der früheren britischen Premierministerin Margaret Thatcher wurde damit begonnen, die Geschichtsbücher umzuschreiben, und auch die Glorifizierung der »Eisernen Lady« hat bereits eingesetzt.
Margaret Thatcher
Der derzeitige Premierminister David Cameron pries Lady Thatcher für ihre »Rettung Englands«, zudem habe sie der einstigen Kolonialmacht wieder zu »alter Größe« verholfen. Auch führende deutsche und französische Politiker wie der französische Staatspräsident François Hollande und die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel zollten der Verstorbenen Tribut, und der amerikanische Präsident Barack Obama erklärte, Amerika habe eine »besondere Freundin« verloren.

Der frühere amerikanische Außenminister Henry Kissinger und der ehemalige russische Präsident Michail Gorbatschow beklagten den Verlust einer »historischen Persönlichkeit von weltweiter Bedeutung«. Der frühere polnische Staatspräsident Lech Wałęsa pries Thatcher dafür, mit zum Sturz der Sowjetunion und des Kommunismus beigetragen zu haben.

Ein solch überschwängliches Lob konnte man von den zahlreichen Kriegsverbrechern vielleicht erwarten. Aber es ist schon bezeichnend, wie die Geschichte von den Siegern und Verbrechern in hohen Ämtern geschrieben wird. Obama, Cameron, Hollande und Merkel verdienen es allesamt, wegen Kriegsverbrechen im Iran und Irak, in Afghanistan, Libyen, Syrien, Pakistan sowie Somalia und Mali nebst anderen Ländern und Regionen angeklagt zu werden. Kissinger konnte sich bisher der gerechten Bestrafung für seine Rolle beim amerikanischen Völkermord in Südostasien während des so genannten Vietnamkriegs entziehen, in dessen Verlauf in Vietnam, Laos und Kambodscha mehr als drei Millionen Menschenleben ausgelöscht wurden.

England will Thatcher, die im Alter von 87 Jahren starb, mit militärischen Ehren beisetzen. Die Lobgesänge, Grabreden, Kranzniederlegungen und anderen Zeremonien bedeuten nichts anderes als den öffentlichen Schulterschluss mit einer der rücksichtslosesten und verbrecherischsten politischen Persönlichkeiten der Neuzeit.

Wie die breite Bevölkerung Thatchers Erbe in Erinnerung hat

Bei Thatcher wird man sich daran erinnern, dass sie im Vorfeld des Malwinenkrieges mit den reaktionärsten Elementen des schmutzigen Medienimperiums Rupert Murdochs konspirierte. Dieser Krieg forderte einige Hundert Menschenleben und führte zur völlig unnötigen Versenkung des argentinischen Kreuzers ARA General Belgrano durch das britische Unterseeboot HMS Conqueror.

Anstatt ernstgemeinte politische Verhandlungen mit Argentinien über die anhaltende koloniale Besetzung der Malwinen zu beginnen, erklärte Thatcher dem Land lieber den Krieg, was sie aus ihrem Popularitätstief rettete und ihr eine zweite Amtszeit in Downing Street 10 sicherte. Für ihre politische »Größe«, für die sie jetzt so viele führende westliche Politiker preisen, bezahlten die argentinischen und britischen Soldaten, die inm Malwinenkrieg fielen, mit ihrem Leben. Zudem entstand eine weiterhin schwelende Konfliktquelle im Südatlantik.

Aber nicht nur gegen andere Länder zog Thatcher in den Krieg. Bewaffnet mit ihrer alleinseligmachenden Wirtschaftspolitik der Privatisierung, Deregulierung, eines ungezügelten Finanzkapitalismus, Steuervergünstigungen für die Reichen, die von der arbeitenden Bevölkerung erarbeitet werden mussten, erklärte Thatcher ihrer eigenen Bevölkerung den Krieg. Sie behauptete einfach »so etwas wie Gesellschaft gibt es nicht« und leitete eine Wirtschaftspolitik ein, die die Schere zwischen Arm und Reich immer weiter auseinanderklaffen ließ und die sozialen Rahmenbedingungen in England zerstörte. Diese Politik wurde nach ihrem erzwungenen Rücktritt vor mehr als 20 Jahren von sowohl konservativen wie Labour-Regierungen nicht nur fortgesetzt, sondern noch verschärft und ist maßgeblich für die heutige soziale Kernschmelze in England verantwortlich. Es ist lächerlich oder extremer Zynismus, wenn David Cameron, der noch von Thatcher protegiert wurde, behauptet, sie habe »England gerettet«. In Wahrheit hat Thatcher den Niedergang des britischen Kapitalismus und der britischen Gesellschaft beschleunigt. Ihr Befehl zur Versenkung der Belgrano lässt sich von den Folgen ihrer Politik her auch als Analogie und Sinnbild für die britische Gesellschaft als Ganze verstehen.

Während ihrer zweiten Amtszeit Mitte der 1980er Jahre erklärte die Eiserne Lady dem »inneren Feind« den Krieg. Damit meinte sie die bis dato starke gewerkschaftlich organisierte britische Bergbauindustrie. Machen Sie sich einmal klar, was es wirklich bedeutet, der eigenen Bevölkerung den Krieg zu erklären. Diese »Kriegserklärung« wirft ein bezeichnendes Licht auf die schon krankhaft zu nennende Intoleranz gegenüber allen, die ihre widerwärtigen ideologischen Ansichten nicht teilten - ihre ideologischen Überzeugungen sind zudem seither intellektuell und moralisch grundsätzlich gescheitert.

Um 1984 herum zwang ihre Geisteshaltung und Politik, deren Seelenverwandtschaft mit der düsteren Zukunftsvision in Orwells gleichnamigem Roman 1984 ins Auge fällt, die vom Bergbau geprägten Gemeinwesen im Norden Englands zur Unterwerfung, wobei sie nicht davor zurückschreckte, paramilitärische Polizeieinheiten einzusetzen, um die Entschlossenheit und die legitimen Rechte dieser Gemeinwesen zu brechen. Der Chef der britischen Bergarbeitergewerkschaft National Union of Mineworkers, Arthur Scargill, wurde später in den Augen der breiten Gesellschaft rehabilitiert, wenn auch nicht in den etablierten Medien. Die britischen Kohlebergwerke wurden damals systematisch geschlossen, Tausende von Bergleuten und Arbeitern wurden arbeitslos und ganze Gemeinden verarmten und verödeten sozial. Die gesamte Gewalt und das Elend waren der Preis für Thatchers ideologisch motivierten Krieg gegen die Arbeiterschaft und ihre politischen Rechte.

Bis heute tobt dieser »Klassenkampf«, den Thatcher in England losgetreten hatte, immer noch weiter. Die Reichen wurden immer reicher, die sozial schwächeren Schichten nahmen zahlenmäßig zu und verarmten noch stärker. Die Abschaffung von Arbeiter- und Arbeitnehmerrechten und die praktisch uneingeschränkte Macht, die dem Finanzkapital zugebilligt wurde, kennzeichnen das Erbe Thatchers und prägen bis heute den anhaltenden sozialen Verfall Englands. Aber dieses zerstörerische Erbe entfaltete seine Wirkung weit über England hinaus. Der rechtsgerichtete, nihilistische Kapitalismus, dem Thatcher freien Lauf ließ, wurde zum vorherrschenden Zeitgeist in Nordamerika, Europa und fast der ganzen Welt. Die wirtschaftlichen Schwierigkeiten, die heute die Welt plagen, lassen sich vielfach unmittelbar auf Ideologen wie Margaret Thatcher und den früheren amerikanischen Präsidenten Ronald Reagan zurückführen.

Ein entscheidendes Schlaglicht auf das wirkliche Erbe Thatchers - das im krassen Gegensatz zu den Geschichts-Verfälschungen ihrer Mitkriegsverbrecher steht - wirft ihre Rolle im Nordirlandkonflikt. Ihr Spitzname »Eiserne Lady« wird oft mit Bewunderung oder sogar heimlicher Hochachtung ihrer angeblichen Tugenden wie Entschlossenheit und Stärke angeführt. In Wahrheit war ihre »eiserne« Willenskraft einfach nur bösartig, wie sich unschwer an ihrer Haltung zum irischen Unabhängigkeitskampf gegen England erkennen lässt. 1981 starben zehn irisch-republikanische Gefangene, angeführt von einem jungen Mann aus Belfast - Bobby Sands - , nach mehr als 50 Tagen an den Folgen ihres Hungerstreiks. Sie hatten die Nahrungsaufnahme verweigert, weil sie als politische Gefangene eingestuft und nicht wie Verbrecher behandelt werden wollten. Thatcher weigerte sich, dieser Forderung nachzukommen, beschimpfte sie wiederholt als »Kriminelle« und behauptete kaltschnäuzig, sie hätten »Selbstmord« begangen. Dabei störte es sie nicht im Mindesten, dass Bobby Sands während seines Hungerstreiks von einigen Zehntausend irischen Wählern in das britische Unterhaus gewählt worden war. Aus ihrer Sicht war er nur ein Verbrecher, der den Tod verdient hatte - welche Kälte und mangelnde Empathie spricht aus dieser Haltung.

Als Folge der unnachgiebigen Haltung Thatchers und ihrer Weigerung, in der Irlandfrage zu verhandeln und die irischen Rechte ernst zu nehmen, nahm die Gewalt in Nordirland in den folgenden zehn Jahren zu. Viele Tausend Menschen verloren dabei ihr Leben. Anstatt sich auf einen vernünftigen und ergebnisoffenen Dialog einzulassen, entschied sich Thatcher wie im Falle des Malwinenkonflikts auch hier für eine militärische Lösung und opferte damit zahllose Menschenleben. Ihre Arroganz und ihre Halsstarrigkeit machten sie für alle anderen Optionen blind.

Vor dem Hintergrund der in Nordirland ausufernden Gewalt schreckte Thatcher auch nicht vor der verbrecherischen Methode zurück, mit probritischen Killerkommandos zusammenzuarbeiten. Diese Kommandos wurden vom britischen Geheimdienst bewaffnet, finanziert und gesteuert und ermordeten in den folgenden Jahren Hunderte unschuldiger Menschen - mit Wissen und stillschweigender Billigung Lady Thatchers. Hier handelt es sich um aktiven britischen Staatsterrorismus, der von Thatcher gebilligt wurde. Eines der Opfer war der Rechtsanwalt Pat Finucane aus Belfast, der im Februar 1989 ermordet wurde. Man schoss ihm vor den Augen seiner Frau und seiner Kinder zwölfmal in den Kopf, nachdem sich die Mörder zuvor gewaltsam an einem Sonntagnachmittag Zutritt zum Haus der Familie verschafft hatten.

Ob nun im Umgang mit dem Streit um die Malwinen mit Argentinien, mit den britischen Arbeitern und Arbeitnehmern oder irischen Republikanern - Margaret Thatcher bediente sich einer rücksichtslosen militaristischen Politik, die immer auf Demagogie, den Einsatz von Gewalt und Entkräftung setzte, um ihre politischen Ziele zu erreichen. Sie trug verbrecherische faschistoide Züge und verdient es keinesfalls, als nationale Heldin gefeiert zu werden.

Berichten zufolge starb Thatcher an den Folgen eines Schlaganfalls und litt seit Jahren an der Alzheimer-Erkrankung, jener degenerativen Erkrankung des Gehirns, bei der die Erkrankten in zunehmendem Maße ihre Erinnerungsfähigkeit verlieren. Offenbar wollen die führenden westlichen Politiker die öffentliche Erinnerung an das verbrecherische Erbe Thatchers ebenfalls gerne auslöschen.



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