Der Fall sorgte für Entrüstung und Rücktrittsforderungen: Wochenlang hat das US-Justizministerium Journalisten der weltgrößten Nachrichtenagentur überwacht. Nun verteidigen die Verantwortlichen den Akt als notwendig.
ERic Holder, US-Justizminister
© ReutersUS-Justizminister Eric Holder kam nach Bekanntwerden der AP-Überwachung unter Beschuss.
Washington. Das US-Justizministerium hat die umstrittene Ausforschung von Telefondaten der Nachrichtenagentur AP verteidigt. Die Aktion sei nach einem schweren Fall von Geheimnisverrat angeordnet worden, sagte Justizminister Eric Holder am Dienstag in Washington. Die durchgesickerten Informationen hätten eine Gefahr für die US-Bevölkerung bedeutet.

Holder war nach Bekanntwerden der Überwachungsaktion stark unter Druck geraten. Die Republikaner verlangten sogar Holders Rücktritt. Aber auch Demokraten kritisierten ihren Parteifreund. Am Mittwoch muss Holder vor dem US-Kongress zum Überwachungsfall aussagen.

Holder erklärte, es habe sich um „einen der ernstesten, wenn nicht den ernstesten“ Fall von Geheimnisverrat gehandelt, den er in seiner Berufslaufbahn erlebt habe. Daher sei „sehr aggressives Handeln“ notwendig gewesen. „Das ist keine Übertreibung“, sagte der Minister.

Holder betonte, dass er in die Ermittlungen zu dem Geheimnisverrat nicht eingebunden gewesen sei. Weil er in dem Fall selbst von der Bundespolizei FBI befragt worden sei, habe er sich wegen Befangenheit zurückgezogen. Ein Stellvertreter habe die Ausforschung der AP-Telefondaten angeordnet.

Der stellvertretende Justizminister James Cole schrieb in einem Brief an AP, dass Veröffentlichungen von geheimen Informationen Menschenleben aufs Spiel setzen und „allen Amerikanern schweren Schaden“ zufügen könnten.

Die Ausspähung der Telefondaten sei erst angeordnet worden, nachdem andere Ermittlungswege zu keinem Ergebnis geführt hätten. Die Beschlüsse zur Auswertung der Telefondaten seien zudem zeitlich begrenzt gewesen. Die Inhalte der Gespräche seien nicht ausgeforscht worden.

Die Nachrichtenagentur AP wurde vor wenigen Tagen vom Justizministerium über den Fall informiert und machte die Nachricht in einem offenen Brief an Eric Holder bekannt. AP-Präsident Gary Pruitt beschwerte sich dem Brief über den „massiven und beispiellosen Eingriff“ in die Arbeit der Agentur.

„Es kann keine mögliche Rechtfertigung für eine solche überbordende Sammlung von Telefondaten der AP und ihrer Reporter geben.“

Die erfassten Daten könnten Hinweise auf die Identität als vertraulich eingestufter Informanten preisgeben und Aufschluss über die Recherche und Arbeitsweise der AP geben, was die Regierung nichts angehe, schrieb er.

Die Empörungswelle schwappte am Dienstag nach Europa. „Dies stellt eine ernsthafte Verletzung der Pressefreiheit und einen Angriff auf eine Organisation dar, die weltweit für ihre unabhängige Berichterstattung respektiert wird“, erklärte die European Alliance of News Agencies (EANA) am Dienstag in einer Stellungnahme. Die Möglichkeit von Nachrichtenagenturen, unparteiisch und frei von Regierungseinflüssen zu berichten, sei ein „Eckpfeiler jeder Demokratie“.

Weißes Haus will nichts gewusst haben

Zwischen April und Mai 2012 hatte die Regierung die Verbindungsdaten von mehr als 20 Anschlüssen überwacht, wie AP am Montag (Ortszeit) mitteilte. Hintergrund waren offenbar die Recherchen für einen brisanten Artikel der AP über einen vereitelten Terroranschlag und in dem Zusammenhang die Suche nach einem Leck im Regierungsapparat.

Nach Informationen, die das Justizministerium der AP vor wenigen Tagen übergeben hatte, waren Büro- und Privatanschlüsse einzelner Reporter betroffen sowie Sammelnummern von AP-Büros in New York, Washington und Hartford im US-Bundesstaat Connecticut.

Die gesammelten Daten enthielten Informationen über ausgehende Anrufe. Es war zunächst nicht bekannt, ob auch eingehende Anrufe erfasst oder Gespräche abgehört wurden. Unklar war auch, wie viele Mitarbeiter die Datensammlung traf; mehr als hundert Journalisten arbeiten laut AP in den betroffenen Büros.

Noch ist unklar, in welchem Zusammenhang die Überwachung stattfand. Nach AP-Informationen steht sie möglicherweise in Zusammenhang mit einer Ermittlung zur illegalen Herausgabe von Informationen über einen vereitelten Terroranschlag, über den AP am 7. Mai 2012 berichtet hatte.

Der Sprecher von Präsident Barack Obama, Jay Carney, sagte, das Weiße Haus habe keine Kenntnis über die Ermittlungen des Justizministeriums gehabt. Das Weiße Haus sei in strafrechtliche Ermittlungen nicht involviert.

Heftige Kritik kam vom Berufsverband American Society of News Editors, Arnie Robbins, kritisierte den Vorfall als „verstörenden Affront gegen eine freie Presse“.

Die gesetzlichen Auflagen für die Herausgabe von Telefondaten von Medienunternehmen sind streng. Eine entsprechende Anordnung kann erst veranlasst werden, wenn „alle vernünftigen Versuche“ unternommen wurden, um die gewünschten Informationen aus anderen Quellen zu erhalten, wie es in den Regelungen des Justizministeriums heißt.

Eine Datenherausgabe der Medien müsse „so eng wie möglich“ gefasst werden, dürfe nur auf „relevante Informationen“ abzielen und solle einen „vernünftig begrenzten Zeitrahmen“ umfassen, heißt es. Es war zunächst nicht bekannt, ob ein Richter oder eine Jury die Anordnung zur Herausgabe der AP-Daten unterzeichnet hat.

ap/afp/dpa