Eine Gruppe von Wissenschaftlern hat die bisher größte und detaillierteste Datensammlung zu den angeblichen »außerordentlichen Überstellungsflügen« (»Extraordinary Rendition Flights«) der CIA ins Internet gestellt.
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Mit vielen dieser Flüge sollen Gefangene in das berüchtigte Gefangenenlager Guantanamo Bay auf Kuba gebracht worden sein. Bisher hat Schottland als einziges Land offiziell Fragen zu den Überführungen, die angeblich über Schottland gelaufen sein sollen, aufgebracht.

Das Rendition Project geht auf gemeinsame Forschungsarbeiten von Dr. Ruth Blakely von der Universität von Kent und Dr. Sam Raphael von der Londoner Kingston-Universität zurück. Nun kann sich jeder über die mehr als 11.000 CIA-Flüge informieren, mit denen zwischen 2001 und 2006 im Rahmen des so genannten »Überstellungsprogramms« der USA Gefangene transportiert wurden - eine düstere Operation, in der es um Geheimgefängnisse und Folter ging. »Wir wollen damit so viel Licht wie möglich auf dieses System werfen«, sagte Blakely gegenüber RussiaToday.

Blakelys Arbeitsgruppe hat eine bisher einzigartige Datensammlung zusammengetragen, die sich auf Anfragen nach dem Gesetz zur Informationsfreiheit (FOIA, Freedom of Information Act), Berichte von Gefangenen und des Roten Kreuzes, Gerichtsdokumenten, Flugaufzeichnungen und Rechnungen stützt.

Diese Daten wurden in vier Untergruppen unterteilt: Flüge, bei denen sich mit Sicherheit einer oder mehrere Gefangene an Bord befanden; Flüge, bei denen sich mutmaßlich Terrorverdächtige an Bord befanden; Testflüge und andere Rundflüge. Alle diese Flüge wurden von 122 verschiedenen, in den USA eingetragenen Fluggesellschaften durchgeführt. »Uns ging es vor allem darum, zu versuchen, das weltweite Überstellungssystem zu erfassen und ein möglichst umfassendes Bild von der Durchführung dieser Überstellungen zu zeichnen und festzuhalten, welche Länder daran beteiligt waren«, sagte Blakely weiter.

Der Großteil dieser Informationen war zwar bereits offen zugänglich, aber Blakely hofft, dass die Aufarbeitung der Daten und die Zugriffsmöglichkeiten über das Internet es Menschenrechtsermittlern und anwälten erleichtern, sich für die Rechte von Gefangenen einzusetzen, die Folter und fragwürdigen Verfahren und Verhörmethoden ausgesetzt waren.

Die Internetseite werde mit dazu beitragen, zu enthüllen, »wie es der CIA gelang, einzelne Personen in diesem System ›verschwinden‹ zu lassen, indem sie durch die ganze Welt transportiert wurden, um sie in Gefängnisse zu bringen, in denen sie gefoltert und befragt werden konnten«, meinte sie.

Zu den Personen, die auf der Internetseite aufgeführt werden, gehört auch der Saudi Abu Zubaydah, der 2002 noch unter der Präsidentschaft George W. Bushs gefangen genommen wurde und seit 2006 ohne Anklageerhebung in Guantanomo Bay einsitzt. Nach Ansicht des Rendition Projectswurde Zubaydah zunächst in Bangkok festgenommen und dann mit insgesamt acht »Überstellungsflügen« zu verschiedenen CIA-Geheimgefängnissen gebracht (darunter wahrscheinlich Thailand, Polen, Marokko und Litauen). Zubaydah behauptet, als Terrorverdächtiger sei er in einer amerikanischen Gefängniseinrichtung in Thailand allein im August 2002 83-mal dem berüchtigten »Waterboarding« unterzogen worden. Im Oktober 2011 haben Zubaydahs Anwälte vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte gegen Litauen Klage eingereicht.

Überzeugende neue Beweise

Blakely und ihre Arbeitsgruppe sind überzeugt, neue überzeugende Beweise dafür gefunden zu haben, dass CIA-Flugzeuge im Rahmen des Überstellungsprogramms regelmäßig auf den drei schottischen Flughäfen von Aberdeen, Inverness und Wick landeten. Diese Flugplätze sollen nach Angaben der Internetseite für verdeckte Operationen genutzt worden sein.

Blakelys Untersuchung zeigt, dass mutmaßlich im Rahmen dieser US-Operationen fünf Flugzeuge in Wick, fünf in Inverness und drei in Aberdeen landeten. Im Rahmen einer Fragestunde im schottischen Parlament ging Justizminister Kenny MacAskill auf die Vorwürfe ein, dass sich seine Regierung an dem Überstellungsprogramm beteiligt habe. Vor praktisch leeren Bänken befragte der Grünen-Abgeordnete Patrick Harvey den Minister zu den angeblichen Landungen. »Die schottische Regierung lehnt illegale Überstellungsflüge kategorisch ab. Der schottischen Regierung liegen keine Informationen über derartige Flüge vor«, erklärte MacAskill. Schottland werde erst dann formelle Beschuldigungen gegenüber den USA oder jeder anderen an den Flügen beteiligten Partei erheben, wenn klare und unwiderlegbare Beweise vorlägen, meinte er weiter.

Blakelys Untersuchungsgruppe verweist auf einen Flug aus dem Jahre 2004, der in Wick landete und als dessen Zweck »Flug zu einem Geheimgefängnis und Folterstätten« angegeben wurde.

In mehr als 54 Ländern "befanden" sich CIA-Geheimgefängnisse, in denen angeblich Terrorverdächtige so lange festgehalten und gefoltert wurden, bis sie dann in das Gefangenenlager Guantanamo Bay oder in andere Folter- und Internierungslager weltweit verbracht wurden. Das Europaparlament hat Polen, Litauen und Rumänien aufgefordert, alle Geheimgefängnisse oder Flugplätze offenzulegen, die im Rahmen des CIA-Überstellungsprogramms benutzt wurden.