Bei jungen Ratten genügte schon eine geringe Dosis um typische Störungen auszulösen

Forscher haben eine neue Schadwirkung von Bisphenol A (BPA) entdeckt. Die in vielen Kunststoffen enthaltene, hormonähnlich wirkende Chemikalie verursacht offenbar auch bleibende Schäden am Zahnschmelz. Darauf deuten Studien französischer Forscher an Ratten hin. Waren diese im Mutterleib und kurz nach der Geburt erhöhten BPA-Werten ausgesetzt, entwickelten diese später brüchige Stellen und Verfärbungen an den Zähnen, wie sie auch bei einer beim Menschen immer häufiger auftretenden Zahnschmelz-Störung auftreten.

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© SXCBisphenol A könnte die Bildung gesunden Zahnschmelzes stören
Bisphenol A ist in nahezu allen Kunststoffen enthalten. Es dient als Hilfsstoff bei ihrer Synthese und als Antioxidans in Weichmachern. Zunehmend gelangt es auch in die Umwelt und den menschlichen Körper. Dass die Chemikalie ähnlich wirkt wie das weiblichen Geschlechtshormon Östrogen und viele körpereigene Regulationsmechanismen stören kann, gilt BPA als mögliche Ursache von Entwicklungsstörungen, neurologischen Schäden, einem schwachen Immunsystem, einem erhöhten Krebsrisiko, Verhaltensauffälligkeiten, Unfruchtbarkeit bei Männern, Übergewicht, Diabetes und Herz-Kreislauf-Problemen.

Brüchig und verfärbt

Jetzt könnten auch noch schlechte Zähne dazukommen, wie eine Studie von Katia Jedeon von der Université Paris-Descartes und ihren Kollegen nahelegt. Sie hatten untersucht, wie sich BPA auf die Entwicklung des Zahnschmelzes bei Ratten auswirken. Ihr Verdacht: Die Chemikalie könnte schuld sein an einer Störung bei der Zahnschmelzbildung. Bei dieser sogenannten Molar-Incisor-Hypomineralisation, kurz MIH genannt, bleibt der Schmelz der Schneide- und ersten Backenzähne brüchig und instabil und zeigt gelblich-weiße Verfärbungen. Die Zähne sind dadurch sehr anfällig für Karies und zudem sehr empfindlich gegenüber Kälte oder Hitze.

Da der Zahnschmelz der bleibenden Zähne bereits in den ersten Lebensmonaten angelegt wird, vermuteten die Forscher einen Zusammenhang zwischen der steigenden Zahl an Betroffenen und der Zunahme von BPA in der Umwelt. Um das zu prüfen, testeten sie zunächst bei Ratten, ob sich deren Zahnschmelz verändert, wenn sie vor der Geburt und in den Wochen danach BPA ausgesetzt sind - und zwar in Konzentrationen, die um das Zehnfache niedriger waren als der von der Europäischen Union festgelegte tägliche tolerierbare Wert von 50 Mikrogramm pro Kilogramm Körpergewicht.

Tatsächlich zeigten 75 Prozent der Rattenzähne nach 30 Tagen die typischen Veränderungen - weiße Flecken und brüchige Kanten. Eine mikroskopische Untersuchung belegte dann: Die Schäden entsprechen ziemlich exakt denen, die auch beim Menschen vorkommen. In beiden Fällen besitzt der Schmelz zu wenig Mineralien und zu viel organische Substanz, insbesondere Proteine.

Doppelte Störung bei der Zahnschmelzbildung

Weitere Tests halfen den Forschern dann, das Problem genauer zu verstehen. Wenn sich der Zahnschmelz bildet, wird zuerst eine Art Proteingerüst aufgebaut, auf dem sich später die Mineralien ablagern. Ist dies erfolgt, werden die Eiweiße wieder abgebaut, damit sich der feste Schmelz bilden kann. Das Bisphenol A scheint diesen Prozess auf zweierlei Weise zu stören: Es sorgt für ein Zuviel an Proteinen im ersten Stadium und behindert anschließend das Abbau-System. Dadurch werden die Proteine nicht sorgfältig genug entfernt und stören die Kristallisation. Die Folge ist der weiche, brüchige Zahnschmelz.

Wie genau BPA in die Regelkreise bei der Zahnschmelzbildung eingreift und auf welche Weise es die entsprechenden Gene beeinflusst, müsse nun als nächstes getestet werden. Zudem stehe der endgültige Nachweis des Zusammenhangs zwischen BPA und MIH beim Menschen noch aus, so das Team. Die Forscher sind jedoch ziemlich sicher, dass der Mechanismus dem bei der Ratte gleicht.

Quelle: American Journal of Pathology, 2013