Die Antarktis hat sich als Eldorado für außerirdische Materie erwiesen. Hier wurden auch Meteorite vom Planeten Mars gefunden. Die im Eis gut konservierten Fundstücke liefern wertvolle Hinweise zum "Ursprung des Sonnensystems und den Anfängen des Lebens". Jetzt melden Forscher eine Neuentdeckung.
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US-Wissenschaftler haben unlängst eine neue interessante Entdeckung im Inneren von Meteoriten gemacht. Nach langer Suche wurden sie endlich fündig und stießen auf Spuren des Elements Bor, ein wesentlicher Grundbaustein für die Entwicklung biologischer Strukturen.

Meteoriten haben bei der Suche nach den Anfängen des Lebens schon immer eine wichtige Rolle gespielt und dabei für so manche Überraschung gesorgt. Der jetzt gefundene chemische Baustein stellt laut Auskunft der Wissenschaftler ein weiteres bedeutendes Puzzlesteinchen für den Bau langkettiger Biomoleküle dar.

Meteoriten sind oft unscheinbare kosmische Trümmer, und kaum jemand, der nicht gezielt nach ihnen sucht, würde diesen Steinen wohl sonderliche Beachtung schenken. Manche Bruchstücke sehen wie Abfall von der nächsten Baustelle aus, ein wenig wie Mörtel oder Kunststein. Andere erscheinen mit ihren dunklen Krusten schon etwas merkwürdig, und wer es genauer wissen will, schaut vorsichtshalber doch einmal, ob der Stein vielleicht magnetisch ist. Zwar ist das für sich genommen noch kein Beweis für einen außerirdischen Ursprung. Immerhin aber weisen alle Meteoriten einen mehr oder minder ausgeprägten Magnetismus auf. Weitere Untersuchungen werden erforderlich, um wirklich sicher sagen zu können: Dieser Stein kommt aus dem All.

In einigen Regionen der Erde sind die Fundbedingungen für kosmische Steine günstiger, dorthin zieht es Meteoritenjäger und Wissenschaftler gleichermaßen. Mit Meteoriten kann man gutes Geld verdienen, auch wird mit der exotischen Materie auf nordafrikanischen Märkten geschachert, um die Einnahmen angeblich sogar in terroristische Projekte fließen zu lassen. Finstere Geschäfte mit dunklem Gestein! Es geht dabei um Millionensummen, die auf dem Meteoritenmarkt von Marokko umgesetzt werden, doch die Spur verliert sich spätestens an der algerischen Grenze.

Andernorts sieht die Sache wieder ganz anders aus. Vor allem die Antarktis ist ein Meteoriten-Eldorado für Wissenschaftler, die mehr über den Ursprung unseres Sonnensystems und den Beginn des Lebens herausfinden wollen. Über lange Zeiträume hinweg haben geologische Vorgänge dafür gesorgt, dass sich Meteoriten im Eispanzer konzentrierten.

Vor Jahrtausenden aufs ewige Eis gefallen, werden Meteoriten mit der Zeit in Schnee eingebettet, der mit der Zeit wiederum zu Eis wird. Die kosmischen Steine versinken immer tiefer darin. Die Gletscher befinden sich in ständiger Bewegung. Wenn sie an Hindernisse wie das Transantarktische Gebirge stoßen, verdichtet sich das Eis. Unter hohem Druck entstehen die berühmten Blaueisfelder. Die mächtigen Eismassen wandern in diesen Bereichen nach oben, während der Wind allmählich Schicht um Schicht freilegt. Auf diese Weise gelangen große Mengen verschieden alter Meteorite an die Oberfläche. Auf dem hellen Grund sind auch kleine Meteoriten ausgezeichnet zu finden. Die dunklen Krusten tragen zu einem perfekten Kontrast bei. Zu den günstigen Fundbedingungen kommt der hervorragende Erhaltungsgrad - die Antarktis ist eine Kühltruhe für Meteoriten, sie bleiben über Jahrtausende hinweg konserviert, ideal fürs Forschungslabor.

Unter Marsmeteoriten fanden sich ganz besonders exotische Stücke - einige dieser seltenen Steine wurden bei Einschlägen auf Mond und Mars aus deren Oberflächen gerissen und ins All hinausgeschleudert, um nach einer Jahrmillionen währenden Flugreise auf die Erde zu stürzen. Marsmeteorite enthalten sogar Strukturen, die einige Wissenschaftler als Überreste einstiger Mikroorganismen interpretieren. Manche Kollegen halten sich da eher zurück, man will den mühsam erworbenen Ruf nicht gefährden und verlangt nach außerordentlichen Beweisen für außerordentliche Behauptungen. Aber immerhin, auch konservativere Astrobiologen sind fasziniert von so manchem Fund in kosmischer Materie.

Eindeutig nachgewiesen wurden in Meteoriten schon etliche Bausteine des Lebens. Auch Aminosäuren schlummern in ihrem Inneren. Kohlige Chondrite, Vertreter einer besonders ursprünglichen Meteoritensorte, riechen sogar förmlich nach organischer Chemie!

Der amerikanische Astrobiologe James Stephenson hat sich ausführlich mit Fragen rund um grundlegende Lebensvorstufen in Meteoriten befasst. Er stieß dabei auf Informationen über die Bedeutung des Elements Bor für die Stabilisierung von Ribonukleinsäure (RNS) als wesentlichem Bestandteil irdischen Lebens. Sie setzt genetische Informationen in Proteine um und ist damit unentbehrlich für die uns bekannte Biologie. Die drei RNS-Hauptkomponenten sind eine Phosphatgruppe, ein aus fünf Kohlenstoffatomen bestehendes Zuckermolekül (Ribose) sowie eine Kernbase. Phosphate und Kernbasen wurden bereits in Meteoriten entdeckt. Ribose jedoch jenseits irdischer Materie nie. Wie sie auf natürlichem Wege entsteht, blieb laut Stephenson ungeklärt.

Im Jahr 2004 fand der Chemiker Steven Benner allerdings heraus, dass Bor »der heimliche Helfer der Ribose« sein müsse. Sein aktueller Kommentar: »Wenn wir davon ausgehen, dass das Leben mit einer präbiotisch entstandenen RNS begann, kennen wir keinen anderen Weg, um Ribose in angemessener Menge zu erhalten, als Borat zu verwenden ... Es sind die einzigartigen Dimensionen von Bor, die dafür sorgen, dass es in der Lage ist, die Ringstruktur der Ribose zu stabilisieren. Kein anderes Element hat uns diesen Effekt gezeigt.«

Stephenson studierte die Veröffentlichung Benners gründlich und erkundigte sich daraufhin bei einem spezialisierten Geologen, ob Bor jemals in Marsmeteoriten nachgewiesen wurde. Antwort negativ, man hatte bislang gar nicht gezielt danach gesucht. Also organisierte Stephenson nun seinerseits eine entsprechende Fahndung nach dem heimlichen Helfer der RNS. Dazu war extrem kostspielige Ausrüstung erforderlich. Der Astrobiologe und seine Kollegen bekamen vier Tage Zeit, um mithilfe des an der Universität Hawaii mit einem Sekundärionen-Massenspektrometer (SIMS), einer Cameca IMS 1280 Ion Microprobe, die notwendige Feinanalyse durchzuführen. Nach dreieinhalb Tagen waren sie allerdings immer noch nicht fündig geworden.

Das teure Experiment schien zu scheitern. Dann, wenige Stunden vor Ablauf der Frist, zogen sie das große Los - die Bor-Konzentrationen verhundertfachten sich. Die Forscher nutzten noch die komplette verbliebene Nacht, um weitere Messungen durchzuführen. Dann waren sie sich sicher,den Nachweis geführt zu haben. Nun wollen sie anhand irdischer Proben mit ähnlichem Boranteil nachprüfen, ob diese Mengen bereits ausreichen, um Ribose wirklich zu stabilisieren.

Meteoriten sind ein wesentlicher Schlüssel zur "Urmaterie des Sonnensystems" und haben bereits faszinierende Informationen geliefert - von Mikrodiamanten aus der "Supernova-Druckwelle", die einst die präsolare Urwolke instabil werden ließ und damit den ersten Schritt zur Entstehung des Sonnensystems einleitete, bis hin zu Funden kompletter organismenartiger Einschlüsse, über deren wahre Natur sich die Wissenschaft noch immer kräftig streitet. Häufig schon hat sich allerdings herausgestellt, dass das scheinbar Unmögliche doch einen Weg in die Realität findet.