Meine Damen und Herren, es ist mein inniges Anliegen Sie zu bitten die folgenden Zeilen aufmerksam zu lesen. Während ich den Artikel schreibe, ringe ich noch immer um meine Fassung. Es geht um schier unglaubliche Ungerechtigkeit, Gewalt und Willkür, die der Zunder unter dem Scheiterhaufen der Freiheit sind. Dieser Artikel zeigt anhand eines Beispiels auf, wie wenig von den Menschenrechten wirklich noch vorhanden sind und wie weit bereits gegangen wird um die gewünschten Ziele zu erreichen.

Al Jazeera Journalist Sami al-Haj
© Voltairenet.orgAl Jazeera Journalist Sami al-Haj
Absichtlich habe ich zunächst etwas Zeit verstreichen lassen, bevor ich mich an diesen Artikel gesetzt habe. Trauer, Wut und Fassungslosigkeit - hätten diesen sonst eher zu einer Schimpfschrift werden lassen und das würde mein Ziel völlig verfehlen. Vielmehr möchte ich an Ihr Herz, Ihre Seele und Ihren Verstand appellieren, denn nur wenn die Menschen nicht tatenlos zusehen, kann sich etwas ändern.

Sie mögen sich fragen, was G.d.V wohl bedeutet, die Erklärung ist relativ einfach, „gegen das Vergessen.“ Der Fall den ich Ihnen hier präsentiere, liegt bereits einige Jahre zurück und ist aus diesem Grunde im unaufhörlichen Strom der Neuigkeiten einfach versunken. Es ist wichtig den Blick immer wieder auf Mahnmale dieser Art zu lenken, damit wir nicht vergessen und unsere Menschlichkeit verlieren.

Als erstes möchte ich Ihnen sagen wie sehr es mich bewegt hat, dass dieser Mann - der unglaubliche Folter und Qualen erdulden musste - noch von solch enormer Güte ist. Das ist ein Zeichen von wahrer Stärke und dem Glauben an das Gute im Menschen. Im gesamten Text kam das immer wieder zum Vorschein und das nach sechseinhalb Jahren in Guantanamo - inklusive einer zertrümmerten Kniescheibe.

Der Al Jazeera Journalist Sami al-Haj

Das Interview aus dem ich im folgenden zitieren werde, stammt aus dem Jahre 2008, allerdings könnte es auch genauso von heute sein, mit einem anderen Hauptdarsteller. Als man Sami al-Haj 2001 verhaftete, ging es offensichtlich nicht um Terrorismus, man wollte ihn als Spion bei Al Jazeera rekrutieren. Obwohl man ihm nach seiner Aussage die US-Staatsbürgerschaft und ein entsprechendes Salär anbot, fühlte er sich der Wahrheit verpflichtet und opferte sechseinhalb Jahre seines Lebens ohne seine Familie. Ein wahrlich hoher Preis für seine Redlichkeit. USA gegen Al-Jazeera

Damals war Al Jazeera noch ein investigativer und verhältnismäßig unabhängiger Nachrichtensender, was leider immer mehr der Propaganda weichen musste. Das wurde auch in mindestens zwei Fällen durch Bombenangriffe auf Studios von al-Jazeera quittiert. Einmal 2001 in Kabul und dann 2003 in Bagdad, obwohl dem US-Militär die Positionen bekannt waren. Zu dem Thema noch ein erschütterndes Zitat aus Wikipedia:
Aus einer am 22. November 2005 vom Daily Mirror veröffentlichten Mitschrift eines am 16. April 2004 geführten Gesprächs zwischen George W. Bush und dem britischen Premierminister Tony Blair geht hervor, dass Bush darin von einem möglichen Angriff auf die Zentrale des Senders in Doha sprach. In derselben Zeitung wurden später anonyme Quellen zitiert, von denen die eine sagte, „Bush war es mit der Sache todernst“, die andere hingegen meinte, Bushs Äußerungen seien „scherzhaft, nicht ernsthaft“ gemeint gewesen.[1]
Das alles jedoch nur am Rande, um zu zeigen wie ernst es den USA war, Al-Jazeera zu bremsen.

Das Interview

Ich möchte Ihnen dringend empfehlen im Nachhinein das gesamte Interview bei Voltairenet.org zu lesen. Hier möchte ich nur die - für mich - wichtigsten Stellen zitieren.
Sami al-Haj wurde, wie seine Mitgefangenen auch, die ungerechtfertigt als „Terroristen“ bezeichnet wurden, nie verurteilt und hat nie erfahren, was gegen ihn vorlag. Das zeigt uns, dass die „islamistischen Terroristen“ von Herrn Bush und den Journalisten, die seine These unterstützt haben, erfunden sein müssen.
[...]
Silvia Cattori : Was sind Ihre wertvollsten Empfindungen und Wünsche nach all diesen schmerzvollen Jahren, die Sie in den Lagern verbracht haben?

Sami al-Haj : Natürlich bin ich froh, die Freiheit wieder erlangt zu haben. Ich bin wieder mit meiner Familie, meiner Frau und meinem Sohn vereint. Mein Sohn hat mich sechseinhalb Jahre nicht gesehen, er musste ohne mich in die Schule gehen. Er hat auf mich gewartet und mir gesagt: „Papa, du hast mir so gefehlt!
[...]
Silvia Cattori : Sie haben gleich zu Anfang gesagt, dass Sie sich gut fühlen. Wie kann man aber nach so einer gräulichen Erfahrung und nachdem Sie ohne die geringste Entschuldigung von Ihren Folterern freigelassen worden sind, diese Vergangenheit ohne Ressentiment und Groll schildern?

Sami al-Haj : Natürlich ist diese Vergangenheit äusserst hart und meine persönliche Situation ist schwierig. Aber wenn ich nur an jene denke, die noch in Guantánamo sind, denen ihre Familie fehlt, von denen sie keine Nachricht haben, sage ich mir, dass meine Situation, so schwer sie auch sein mag, besser als deren Situation ist.
[...]
Ich habe mehr als 200 Verhöre unter Folter erleiden müssen. 95% der Fragen betrafen Al-Jazeera. Ich sollte innerhalb Al-Jazeeras als Spion arbeiten. Als Gegenleistung boten sie mir die US-amerikanische Staatsangehörigkeit, für mich und für meine Familie, an und ein ergebnisorientiertes Gehalt. Ich habe das abgelehnt. Ich wiederholte, ich sei Journalist von Beruf und kein Spion, und dass es meine Aufgabe ist, die Wahrheit zu verbreiten und ich mich dafür einsetze, dass die Menschenrechte respektiert werden.
[...]
Silvia Cattori :Verzeihen Sie heute Ihren Folterern?

Sami al-Haj : Natürlich werde ich ihnen verzeihen, wenn sie Guantánamo schliessen. Aber wenn sie weiterhin anderen Leid zufügen, werde ich vor Gericht gehen und ein Gerichtsverfahren anstrengen.

Obwohl ich weiss, dass die Bush-Administration so viel Leid verbreitet hat, denke ich weiterhin, dass diese Leute immer noch ihre Fehler korrigieren können.
[...]
Silvia Cattori : Steht Ihr Name nicht mehr auf der „Terroristen- Liste“?

Sami al-Haj : Weiss ich nicht. Ich denke, dass in ihrer Mentalität alle, die als „Terroristen“ bezeichnet wurden, auch „Terroristen“ bleiben werden. Nun haben sie Angst vor uns, weil sie uns, ohne Grund, Leid zugefügt haben.
[...]
Silvia Cattori : Die Bush-Administration und die Offiziere, die mit Ihrer Folterung beauftragt waren, wussten, dass Sie ein ehrlicher Mann waren, ein einfacher Journalist, der danach strebte, die Gewalttaten, die dort gegen das afghanische Volk begangen wurden, bekannt zu machen und kein „Terrorist“. Wissen Sie, aus welchem Grund Ihnen so viel Leid zugefügt wurde?

Sami al-Haj : Die Mehrheit der Soldaten dort folgten den Befehlen ihrer Offiziere. Sie folterten ohne Gewissen. Aber ich muss ehrlich sagen, dass einige von ihnen gut waren. Einige Soldaten benutzten ihren Verstand.
[...]
Silvia Cattori : Die CIA-Agenten haben einen Bericht über die Foltermethoden in Guantánamo verfasst. Hatten Sie den Eindruck, dass Sie während der Folterhandlungen beobachtet wurden, dass man an Ihnen experimentierte?

Sami al-Haj : [...]Oberst hat schon seit März 2002 diesen Posten in Guantánamo inne. Er diente schon seit November 2001 im afghanischen Gefängnis von Bagram. Er gab den Offizieren, die uns Fragen stellten, Anweisungen, studierte unsere Reaktionen, notierte jedes Detail, um darauf die Folter der Mentalität jedes Gefangenen anzupassen, was tiefe Spuren in ihrer Psyche hinterlassen hat.

Ich habe mit ihnen gesprochen. Ich habe ihnen gesagt, die Mission eines Arztes sei edel und diene dazu, den Menschen zu helfen und nicht zu ihrer Folterung. Sie haben mir geantwortet: „Wir sind Soldaten, wir müssen den Befehlen folgen; wenn ein Offizier mir einen Befehl gibt, muss ich ihn ausführen, sonst steckt man mich ins Gefängnis, wie Sie. In dem Moment, als ich den Vertrag mit der Armee unterschrieben habe, habe ich verstanden, dass ich jedem Befehl Folge leisten muss“.
[...]
Silvia Cattori : Was geschah, als man Sie zwangsernährte?

Sami al-Haj : Als mehr als vierzig Gegangene in den Hungerstreik getreten waren, versuchte die Lagerverwaltung, ihren Widerstand zu brechen, indem sie uns noch häufiger folterte. Man isolierte uns in kalte Zimmer, entkleidete uns, hinderte uns daran, lange zu schlafen. Zweimal täglich fesselten die Soldaten uns auf einen speziellen Stuhl. Sie legten uns eine Maske auf den Mund und steckten einen grossen Schlauch in unsere Nase, nicht in den Magen. Obwohl die normale Nahrungsration in diesem Fall zwei Dosen wäre, bestraften sie uns, indem sie uns 24 Dosen und 6 Flaschen Wasser einspritzten. Der Magen, der von den langen Hungerstreiks enger geworden war, konnte diese Mengen nicht absorbieren. Sie fügten Produkte hinzu, die Durchfall auslösten. Der Gefangene, der nunmehr schon länger als drei Stunden an diesem Stuhl festgebunden war, übergab sich unaufhörlich. Sie liessen uns im Erbrochenen und den Exkrementen sitzen. Wenn die Foltersitzung beendet war, rissen sie mit Gewalt den Schlauch heraus, und wenn sie unser Blut fliessen sahen, lachten sie über uns. Da sie noch dazu infizierte Schläuche benutzen, die niemals gereinigt werden, leiden die Gefangenen an Krankheiten, die nicht behandelt werden.
[...]
Silvia Cattori : Wenn die Vereinigten Staaten behaupten, dass er der „Terrorist Nr. 3 von Al-Qaida“ ist, hat das irgendeinen Zusammenhang mit der Realität?

Sami al-Haj : Ich glaube nichts was von der Bush-Administration kommt, ehrlich. Weil sie auch mich als „Terrorist“ bezeichnet haben. Und ich weiss besser als jeder andere worum es geht. Diese Leute lügen zu viel. Ich glaube an gar nichts, was diese Administration behauptet.
[...]
Silvia Cattori : Ist dann Al-Qaida eine Kreation der Geheimdienste des Westens?

Sami al-Haj : Ich weiss nur, dass ich in meinem ganzen Leben niemanden getroffen habe, der mir gesagt hat: ich gehöre zu Al-Qaida.
[...]
Er ist beschämend, dass in unserer Gesellschaft Unschuldige, die verkauft worden sind, in Käfige eingesperrt sind und dass diese Verletzung der fundamentalen Rechte einem Land zuzuschreiben ist, das behauptet, Bewahrer der Rechte und der Freiheit zu sein.

Ich fühle keinen Hass. Wir respektieren die Bürger der Vereinigten Staaten. Es ist die aktuelle Regierung, die die Konsequenzen dieser Handlungen tragen muss. Menschenrechte und Sicherheit sind unteilbar. Will ein Staat Sicherheit, so muss er die fundamentalen Rechte eines Menschen respektieren.
[...]
Silvia Cattori : Kann man abschliessend sagen, dass die „Terroristen“, wie sie von der Bush-Administration und von den Medien vorgestellt werden, nicht existieren?

Sami al-Haj : Ich kann ihnen versichern, dass die Gefangenen in Guantánamo, die ich getroffen habe, keine „Terroristen“ sind. Ich hatte die Möglichkeit, mit ihnen zu sprechen, sie kennen zu lernen: es sind friedliebende Menschen.[2]
Auch an dieser Stelle möchte ich noch einmal ausdrücklich empfehlen den ganzen Artikel bei Voltairenet.org zu lesen.

Die Schlussfolgerung

Das Gefangenenlager Guantanamo ist ein unendlicher Quell an Greueltaten und nie endenden Verletzungen der Menschenrechte. Es ist nur eins der unzähligen Beispiele, wo Menschen ohne die geringste Chance durch die Hölle gehen müssen. Die Insassen haben keine Stimme und werden der Willkür solange ausgesetzt bleiben, bis die Menschen dem Treiben nicht mehr zusehen.

Die Regierungen weltweit treten Grund- und Menschenrechte mit Füssen, legitimiert durch Lügen und Propaganda. Heute sind es die Moslems und morgen vielleicht Sie oder ich?

Man darf ein solches Vorgehen - egal gegen wen - nicht tolerieren. Menschen werden zu einer Sache deklariert und die Rechte werden ihnen entzogen. Keine Anklage, keine Verteidigung, der einzige ständige Begleiter sind Qualen und Angst.

Die Administrationen müssen gezwungen werden dieses menschenfeindliche Treiben zu beenden und dafür zur Verantwortung gezogen werden.

Wer aufhört sich für das Leid anderer zu interessieren, hört auf Mensch zu sein. Mitgefühl alleine jedoch, wird diesen Menschen die Freiheit nicht wiedergeben, es ist unsere Aufgabe uns zu empören und das auch deutlich zu zeigen. Ein Guantanamo darf es nirgends auf der Welt geben und schon gar nicht “legalisiert”. Erheben wir gemeinsam unsere Stimme, schreiben wir an das Aussenministerium, fordern wir unsere Politiker auf dem Treiben entgegen zu wirken.

Dies ist nur eine von vielen Aufgaben die liberale Menschen haben, aber wenn wir unsere Stimme erheben, werden andere Menschen uns auch hören. Wer noch einen Funken Menschlichkeit hat, wird sich dem nicht emotionslos entziehen können.

Seien auch Sie ein Tropfen der den Stein höhlt und helfen Sie die Welt ein wenig liebenswerter zu gestalten.

Meine Hochachtung an Sami al-Haj, der nicht in blinden Hass verfallen ist sondern versucht die Welt zu einem besseren Ort zu machen und noch immer Güte hinaus trägt.

Carpe diem

[1]http://de.wikipedia.org/wiki/Al_Jazeera#Aktionen_gegen_den_Sender
[2] http://www.voltairenet.org/article157825.html <--- Must Read !!


Nachtrag:


In Deutschland ist zum Beispiel der Fall Mollath ein Beweis für das Versagen eines Rechtssystems und es gibt unzählige die nicht derart viel Beachtung finden.