Da immer mehr Menschen auf der ganzen Welt bewusster darauf achten, was sie essen, und da viele merken, dass sie eine Laktose-Intoleranz gegen Kuhmilch entwickeln, greifen Millionen zu Soja als »gesunder, eiweißreicher« Alternative. Doch bei Soja, sogar dem »Bio«-Produkt, das wir im Bioladen kaufen, gibt es ein ernstes Problem. Fast alle Sojabohnen, die kommerziell angebaut und auf dem Weltmarkt verkauft werden, sind gentechnisch verändert (GV). Und die meisten stammen zudem aus patentiertem Saatgut, das mit dem dazu gehörenden Herbizid Roundup von Monsanto behandelt wurde. Jetzt hat ein Gericht in Córdoba, der zweitgrößten Stadt Argentiniens, entschieden, dass Gensoja von Monsanto im rechtlichen Sinn für den Tod eines Säuglings verantwortlich war. Natürlich hat es die Gentechnik-Lobby mit ihrem weltweiten Propagandaapparat geschafft, diese Nachricht aus den großen Medien herauszuhalten.
Soja
© sima - Zoran Simin / Shutterstock
1999 brachte Sofia Gatica ein Kind mit einer schweren Missbildung der Leber zur Welt. Es starb drei Tage nach der Geburt. Am 21. August 2012 sprach ein Gericht in Córdoba nach zweimonatiger Verhandlung den Hersteller des Gensojas von Monsanto und den Piloten des Flugzeugs, mit dem das Monsanto-Herbizid Roundup über dem Feld in der Nähe von Gaticas Wohnung versprüht worden war, schuldig, die Gesundheit der Einwohner des kleinen Dorfs Ituzaingó Anexo, das an riesige Monsanto-Felder angrenzt, wissentlich und rücksichtslos aufs Spiel gesetzt zu haben. Der Monsanto-Soja-Produzent Francisco Parra wurde verurteilt, vier Jahre lang wöchentlich zehn Sozialstunden in einem Krankenhaus abzuleisten. Der Pilot, der rücksichtslos nahe an den Häusern der Dorfbewohner vorbeigeflogen war, wurde zu einem ähnlichen Dienst verurteilt. Das Urteil ist das erste, bei dem ein Gericht gentechnisch veränderte Pflanzen von Monsanto und das Monsanto-Herbizid Roundup für den Tod eines Menschen verantwortlich machte.

Alarmierende Häufung von Krebs und Geburtsfehlern

Gatica hatte beschlossen, herauszufinden, warum ihr Kind gestorben war. Sie machte sich auf eine langwierige Suche, die sie auf die Idee brachte, die Chemikalien und das GV-Saatgut von Monsanto könnten der Auslöser sein. Das Gericht prüfte klare Beweise für einen Zusammenhang zwischen einer alarmierend hohen Rate von Geburtsfehlern in Ituzaingó Anexo, einem 6000-Seelen-Dorf, und dem intensiven Anbau von Gen-Mais und dem Besprühen mit Roundup, Monsantos meistverkauftem Herbizid, in der Umgebung des Dorfes.

Dem Gericht wurden Beweise dafür vorgelegt, dass die Rate von Krebserkrankungen 40 Mal über dem argentinischen Durchschnitt lag. Dokumentiert wurden Beweise für Geburtsfehler, neurologische Schäden und Atmungsprobleme, die drastisch häufiger auftraten als normal. Bei 80 Prozent der Kinder aus dem Dorf fanden sich Spuren fremder Chemikalien und Abbauprodukte von Roundup-Glyphosat im Blut.

Französische Studie an Ratten

Die schrecklichen gesundheitlichen Schäden bei den Menschen von Ituzaingo Anexó kamen nur dank der Entschlossenheit von Sofia Gatica und ihren Nachbarn ans Licht, die alles dokumentierten und für ein faires Gerichtsverfahren kämpften. Es ist das erste Mal, dass ein Gericht solche Schäden mit dem Kontakt mit gentechnisch veränderten Monsanto-Pflanzen und mit Monsantos giftigem Unkrautvertilgungsmittel Roundup in Verbindung bringt.

Es bestätigt auf tragische Weise die Ergebnisse, die Wissenschaftler um Prof. Gilles-Éric Séralini an der Universität Caen in Frankreich gewonnen hatten, als sie bei einer Studie Ratten untersuchten, die mit Monsanto-Genmais gefüttert wurden, der wiederum mit dem Monsanto-Herbizid Roundup behandelt worden war. Im September 2012 veröffentlichte die international renommierte wissenschaftliche Fachzeitschrift Food and Chemical Toxicology die Studie des Teams um Prof. Séralini.

Zwei Jahre lang hatten sie an 200 Ratten sorgfältig dokumentierte Tests durchgeführt. Eine Gruppe, die so genannte Kontrollgruppe, erhielt ein gentechnikfreies Futter, die andere Gruppe erhielt GV-Futter. Séralinis Team führte das Experiment nach exakt demselben Studienprotokoll durch, das auch bei Monsantos eigener Studie verwendet worden war, mit dem entscheidenden Unterschied, dass mehr Parameter häufiger überprüft wurden. Außerdem wurden die Ratten viel länger beobachtet - nämlich über die gesamte durchschnittliche Lebenszeit von zwei Jahren anstelle der 90 Tage bei der Monsanto-Studie. Es war die erste Langzeitstudie über die Auswirkung von GVO überhaupt.

Die lange Zeitspanne erwies sich als entscheidend. Die ersten Tumoren traten erst vier bis sieben Monate nach Beginn der Studie auf. In einer früheren Studie der Gentechnikindustrie über denselben Genmais, die Sorte NK603 von Monsanto, wurden zwar Anzeichen für eine Toxizität beobachtet, sie wurden aber als »biologisch nicht bedeutsam« abgetan, nicht nur von der Industrie, sondern auch von der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit EFSA. Doch wie Séralini später bewies, waren sie in Wirklichkeit sehr wohl »biologisch bedeutsam«.

Die Studie wurde mit der größten Zahl von Ratten durchgeführt, die je bei einer GVO-Fütterungsstudie untersucht wurden. Die Forscher testeten Roundup-toleranten Genmais der Sorte NK603 allein, dann mit Roundup behandelten Genmais und schließlich Roundup alleine, in einer sehr geringen, umweltrelevanten Dosierung, die unter dem Wert lag, den Behörden für das Trinkwasser und für GV-Futter zulassen.

Ihre Ergebnisse waren alarmierend. Séralini: »Bei den Weibchen starben in den behandelten Gruppen zwei- bis drei Mal mehr Tiere als in der Kontrollgruppe, und sie starben schneller ... Weibchen entwickelten große Mammatumoren ... das am zweithäufigsten geschädigte Organ war die Hypophyse; GMO und Roundup veränderten die Sexualhormon-Balance. Bei den behandelten Männchen wurde 2,5 bis 5,5 Mal häufiger eine Leberstauung und -nekrose beobachtet. Männchen zeigten vier Mal mehr große tastbare Tumoren als die Kontrollgruppe ...«

Vier Mal mehr große Tumoren bei den Genmais-gefütterten Ratten als bei den normal gefütterten Tieren in der Kontrollgruppe! Da Ratten Säugetiere sind, reagiert ihr Organismus vermutlich sehr ähnlich auf Chemikalien oder, in diesem Fall, auf Genmais, der mit dem Monsanto-Herbizid Roundup behandelt war, wie eine menschliche Testperson.

Die Séralini-Gruppe berichtet in ihrer Studie weiter: »Zu Beginn des 24. Monats hatten 50 bis 80 Prozent der weiblichen Tiere in allen behandelten Gruppen Tumoren entwickelt, mit bis zu drei Tumoren pro Tier, wogegen in der Kontrollgruppe [gentechnikfrei gefütterte Tiere - W.E.] nur 30 Prozent betroffen waren. Die mit Roundup behandelten Gruppen zeigten die höchsten Raten von Tumorinzidenz, wobei in jeder Gruppe 80 Prozent der Tiere betroffen waren, mit bis zu drei Tumoren pro Weibchen

Solch alarmierende Ergebnisse hatten sich in den ersten 90 Tagen noch nicht gezeigt - dem Zeitraum also, über den die meisten Studien von Monsanto und der Agrochemieindustrie laufen. Es war ein klarer Beweis dafür, wie wichtig es war, längerfristige Tests durchzuführen - und wahrscheinlich auch der Grund dafür, dass die Industrie solch längere Tests vermied.

Séralini und seine Mitarbeiter kamen zu dem Schluss, dass die toxische Wirkung maßgeblich dem Monsanto-Herbizid Roundup zur Last gelegt werden konnte: »Wir beobachteten eine auffallend ausgeprägte Induzierung von Mamma-Tumoren durch Roundup (R) allein, einem bekannten Pestizid, sogar bei der sehr niedrig formulierten Dosis. Die Aromatase-hemmende Wirkung von R ist nachgewiesen worden, mit Auswirkungen auf die Synthese von Östrogenen, ebenso die Wechselwirkung mit den Östrogen- und Androgenrezeptoren in Zellen. Darüber hinaus stellt R offenbar in vivo einen endokrinen Disruptor dar, auch bei Männchen. Auch Sexualsteroide werden bei den behandelten Ratten verstärkt. Diese hormonabhängigen Phänomene werden durch eine vermehrte Hypophysen-Dysfunktion bei den behandelten Weibchen verstärkt

Gemäß dem Lizenzvertrag mit Monsanto muss das Unkrautvernichtungsmittel Roundup für das gentechnisch veränderte Saatgut von Monsanto verwendet werden. Das Saatgut wird tatsächlich nur »verändert«, um es widerstandsfähig gegen Roundup, den weltweit meistverkauften Unkrautvernichter, zu machen.

Im Klartext bedeutet das, wie es in einer anderen von Prof. Séralini geleiteten Studie heißt:
»GV-Pflanzen werden verändert, um Pestiziden zu widerstehen, entweder durch eine Herbizid-Toleranz oder durch die Produktion von Insektiziden oder beides, man kann sie deshalb als ›Pestizid-Pflanzen‹ betrachten.«
Und weiter:
»Roundup-Ready-Feldfrüchte [wie Monsantos Maislinie NK603 - W.E.] werden so verändert, dass sie gegen den Wirkstoff Glyphosat unempfindlich werden. Kombiniert mit den Wirkungsverstärkern in einzelnen Präparaten ist diese chemische Substanz ein hochwirksames Herbizid. Sie wird seit vielen Jahren als Unkrautvernichtungsmittel eingesetzt... GV-Pflanzen, die mit Glyphosat-basierten Herbiziden wie Roundup in Kontakt kommen ..., können sogar während ihrer gesamten Lebenszeit Roundup-Rückstände akkumulieren... Glyphosat und sein wichtigster Metabolit AMPA (ebenfalls toxisch) werden regelmäßig in GVO gefunden. Also werden solche Rückstände von Menschen aufgenommen, die die meisten GV-Pflanzen verzehren (rund 80 Prozent dieser Pflanzen sind Roundup-tolerant)

Die EU-Kommission reagierte panisch auf den Séralini-Bericht und wies die EFSA (Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit) an, Séralinis Ergebnisse zu prüfen. Die EFSA, deren Wissenschaftler ganz offen Verbindungen zu Monsanto und der Gentechnikindustrie unterhalten, lehnten die Ergebnisse als »unwissenschaftlich« ab und behaupteten, weitere Sicherheitstests für GVO, zusätzlich zu denen von Monsanto und Co. bereits durchgeführten, seien nicht erforderlich.


Anmerkung der Redaktion: Das MDR-Magazin FAKT veröffentlichte kürzlich einen Beitrag zur missbildenden Wirkung von Glyphosat bei Mastschweinen.