Der Korruptionsskandal in der Türkei zieht immer weitere Kreise. Gleich drei Minister haben ihre Rücktritte angekündigt. Einer von ihnen forderte auch den Abgang von Premier Erdogan.
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Ankara - Im Korruptionsskandal in der Türkei haben drei Minister ihren Rücktritt angekündigt. Innenminister Muammer Güler sagte der Nachrichtenagentur Anadolu am Mittwoch, er habe sein Rücktrittsgesuch bei Ministerpräsident Erdogan eingereicht. Wirtschaftsminister Zafer Caglayan teilte laut Anadolu mit, er trete zurück, damit die Wahrheit ans Licht komme. Die Korruptionsermittlungen seien "ein dreckiges Komplott gegen unsere Regierung, unsere Partei und unser Land".

Auch Umweltminister Erdogan Bayraktar gab seinen Ministerposten und sein Abgeordnetenmandat zurück. Er forderte zudem Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan auf, es ihm gleichzutun.

Gegen die Söhne von Güler und Caglayan war zuvor ein Strafverfahren eröffnet worden, seit Samstag sitzen sie in Untersuchungshaft. Bayraktars Sohn war nach seiner Festnahme wieder freigelassen worden, muss sich aber wöchentlich bei der Polizei melden. Auch gegen den Chef der staatlichen Halkbank, Süleyman Aslan, bei dem die Polizei 4,5 Millionen Dollar in Schuhkartons fand, wurde ein Strafverfahren eingeleitet.

Der Korruptionsskandal erschüttert die Türkei seit mehr als einer Woche und weitete sich zur Regierungskrise aus. Gegen 24 Verdächtige wurden Strafverfahren eingeleitet. Der Vorwurf: Ein Ring von hohen Funktionsträgern soll milliardenschwere Ölgeschäfte mit Iran eingefädelt haben, obwohl das Nachbarland mit Sanktionen belegt ist. Um das internationale Ölembargo zu umgehen, wurde offenbar auf Umwegen Öl gegen Gold getauscht. Die Verdächtigen sollen hohe Regierungsmitglieder bestochen haben.

Erdogans Macht bröckelt

Die Macht von Premierminister Recep Tayyip Erdogan bröckelt. Er bezeichnete die Ermittlungen als "dreckige Operation" gegen seine Regierung mit Hintermännern im In- und Ausland. Nach den Großrazzien hatte die Regierung zahlreiche ranghohe Polizisten des Amtes entheben lassen, darunter den Polizeichef von Istanbul. Insgesamt wurden 500 Polizisten versetzt, berichtete die Erdogan-kritische Zeitung Today's Zaman.

Erstmals äußerte sich auch Staatspräsident Abdullah Gül in der Korruptionsaffäre. Die Türkei sei kein Land, in dem man "Fehler wie Korruption" unter den Teppich kehren könne. Es habe in den vergangenen Jahren tiefgreifende Reformen gegeben, auch in der Justiz. Es liege nun in ihrer Hand, die Vorwürfe aufzuklären.

Damit bezog Gül, der als innerparteilicher Rivale von Premierminister Erdogan gilt, öffentlich Stellung gegen den Regierungschef. Unter dem öffentlichen Druck räumte auch Erdogan ein, die Verantwortlichen in der Affäre müssten zur Rechenschaft gezogen werden. "Die Regierung und die Justiz werden dafür sorgen", sagte er am Flughafen von Ankara nach der Rückkehr aus Pakistan vor Hunderten Anhängern. Bislang hatte Erdogan abgestritten, dass es in seiner Regierung Korruption gebe.

Erneute Proteste

Die Regierung hatte außerdem verfügt, dass Vorgesetzte künftig über Ermittlungen informiert werden müssen. Die Regierung hatte von den Korruptionsermittlungen bis zuletzt nichts gewusst. Journalisten wurde der Zutritt zu Polizeidienststellen untersagt. Regierungskritische Medien werteten die Versetzungen von Polizisten als Versuch der Regierung, die Ermittlungen zu behindern.

In Istanbul kam es am Dienstag erneut zu regierungskritischen Protesten. Augenzeugen berichteten, die Polizei habe in der Innenstadt Tränengas und Plastikgeschosse gegen Demonstranten eingesetzt.

dpa/cpa/kaz