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© dpaFrauen in der Wissenschaft sind benachteiligt - in mehrerlei Hinsicht.
Eine neue Studie belegt: Wissenschaftliche Texte, in denen Frauen eine prominente Rolle einnehmen, werden weniger oft zitiert als Aufsätze von männlichen Erst- oder Alleinautoren. Dies benachteiligt die ohnehin schon unterrepräsentierten Wissenschaftlerinnen zusätzlich. Besonders gravierend ist die Situation in Deutschland.

Wissenschaftliche Aufsätze von Frauen werden seltener zitiert als die ihrer männlichen Kollegen. Zu diesem Ergebnis kommt ein kanadisch-amerikanisches Forscherteam, das mehr als fünf Millionen Publikationen aus 200 Ländern ausgewertet hat. Egal ob Frauen einen Beitrag allein oder als Erstautorin neben anderen Autoren verfassten: Die Texte, in denen Frauen eine prominente Rolle einnehmen, bekamen weniger Verweise als Texte männlicher Erst- oder Alleinautoren. Aus Sicht der Autoren der Studie benachteiligt dieser Effekt die ohnehin unterrepräsentierten Frauen im Wissenschaftsbetrieb. Denn die Leistungsbilanz von Forschenden hängt oft davon ab, wie häufig jemand zitiert wird.

Deutschland bildet ein Schlusslicht

Die Studie, die in der Zeitschrift Nature erschien, zeigt weiter, dass auf jeden Forschungsbeitrag einer Frau zwei Beiträge von Männern kommen - obwohl in vielen Ländern mehr Frauen als Männer studieren und die Zahl der Doktorandinnen steigt. Die Autoren warnen aber davor, dies als Beweis mangelnder Produktivität von Wissenschaftlerinnen zu werten. Wie viel die Einzelne produziert, wurde nicht untersucht. Ausschlaggebend sei, dass Männer unter älteren Professoren oft einen höheren Status als Frauen und damit leichter Zugang zu Forschungsgeldern hätten. Umgekehrt ist in den neun Ländern, in denen Frauen mehr Aufsätze als Männer veröffentlicht haben, etwa in Turkmenistan und der Ukraine, eine Professur mit wenig Prestige verbunden. In osteuropäischen Ländern wie Tschechien ist das Geschlechterverhältnis bei Publikationen ausgeglichen, was vermutlich auf die stärkere Gleichbehandlung von Frauen in der kommunistischen Vergangenheit zurückzuführen ist. Deutschland bildet ein Schlusslicht: Verglichen mit Frankreich und Italien veröffentlichen hier weitaus weniger Frauen als Männer ihre Forschung.

Anke Lipinsky vom „Center of Excellence Women and Science“ (CEWS) des Leibnitz-Instituts für Sozialwissenschaften in Köln bestätigt, dass männliche Wissenschaftler leichteren Zugang zu Fachjournalen haben. Mit dieser strukturellen Diskriminierung sähen sich viele Nachwuchswissenschaftlerinnen konfrontiert, sagt sie, warnt allerdings davor, anhand der Geschlechterverteilung unter Journalautoren Rückschlüsse auf die Wirksamkeit von Gleichstellungsmaßnahmen zu ziehen: „Dafür sind die Bemühungen um Gleichstellung in der Wissenschaft noch zu neu.“

83,5 Prozent der höchstdotierten Professuren in Deutschland mit Männern besetzt

Inken Lind vom Institut für Geschlechterstudien der Fachhochschule Köln kritisiert, dass die Studie Forscherinnen und Forscher unabhängig von ihrem Status vergleicht. „Männer und Frauen in der Wissenschaft produzieren ihren Output noch immer nicht unter gleichen Bedingungen“, sagt sie. In Deutschland seien 83,5 Prozent der höchstdotierten Professuren mit Männern besetzt, Frauen hätten auch häufiger befristete Verträge. An den Zitationen zeige sich dieses Ungleichgewicht: Wer wissenschaftliche Reputation habe, werde mit Zitaten zusätzlich belohnt.

Nach Meinung von Lipinsky sollten akademische Fachgesellschaften mehr Wissenschaftlerinnen zu Fachkonferenzen einladen und Fachverlage als „Gatekeeper“ mehr auf Beteiligung von Frauen in Redaktionen achten. „Nature“ hat bereits eine erste Konsequenz aus der Studie gezogen und will Autoren in Zukunft ausgewogener auswählen.