Kornwestheim. Der Lehrer Egbert Seng hat über die Inquisition referiert.

Was haben eine kleine Eiszeit, Missernten und Aberglauben mit der Hexenverfolgung zu tun? Laut Egbert Seng, der seinen Vortrag "Zwischen Bibel und Schwert: dunkle Kapitel der Kirchengeschichte auf dem Prüfstand" überschrieben hatte, sehr viel. Hat man die Hexenverbrennungen bisher vor allem mit der katholischen Kirche in Verbindung gebracht, so ist laut Seng dieser Blickwinkel zwar nicht verkehrt, aber zu eng. Fünf Thesen hatte er zu diesem Zweck als Diskussionsgrundlage für den Abend im Martinisaal aufgestellt, um nicht nur Wissen zu vermitteln, sondern seine Zuhörerinnen und Zuhörer auch zum Nachdenken anzuregen. "Die Hexenverfolgungen fanden im Mittelalter statt", nannte er eine geläufige Meinung. Stimmt nicht ganz, sagt die Wissenschaft mittlerweile. Die Hexenverfolgung sei ein Phänomen der Frühen Neuzeit und hat mit dem Mittelalter an sich nicht viel zu tun.

Die Geschichte entstauben, das hat sich Egbert Seng auf die Fahnen geschrieben. Als Lehrer für Geschichte, Deutsch und katholische Religionslehre am Ernst-Sigle-Gymnasium in Kornwestheim liegt ihm vor allem die Kirchengeschichte persönlich sehr am Herzen. Vor allem die Rolle von Kirche und Staat steht im Mittelpunkt seines Interesses.

Die Vorstellung von kirchlichen Inquisitionstribunalen, die durch Folter Geständnisse hervorbrachten und Todesurteile verkündeten, relativierte Seng. "Man darf nicht vergessen, dass die Rechtsprechung letztlich beim Staat lag", erklärte er bei seinem Vortrag im Martinisaal. Den großen Einfluss der Kirche in dieser Zeit auf den Staat gab Seng allerdings auch zu bedenken. Radikale Einschätzungen, wie sie im so genannten Hexenhammer von Heinrich Kramer verbreitet worden sind, seien selbst in der Hochphase der Hexenverfolgung zwischen 1560 und 1720 nicht von der Mehrheit der Bevölkerung geteilt worden.

Vor allem die stetige Entwicklung der staatlichen Justiz sorgte letztlich für ein Ende der Verfolgung von so genannten Hexen. Je höher die Gerichtsbarkeit entwickelt war, desto weniger Verurteilungen wurden ausgesprochen. "Grundsätzlich lässt sich sagen, je weiter der Richter vom Angeklagten entfernt war, desto unwahrscheinlicher war eine Verurteilung", sagte Egbert Seng. Gerade in kleinen Gemeinden, in denen die Jurisprudenz zumeist aus Laienrichtern bestand, wurde oft weniger Wert auf Beweise gelegt. Eine Anschuldigung konnte bisweilen bereits reichen, um "kurzen Prozess" mit der Angeklagten zu machen.

Warum entstand diese Bewegung und forderte in Europa bis zu 50 000 Opfer? Auch dies versuchte Seng mit wissenschaftlichen Fakten zu erklären. In den vergangenen Jahren sei herausgefunden worden, dass gerade beim Ausbruch des Hexenwahns sich erste Boten einer kleinen Eiszeit ankündigten. Die Klimaverschiebung sorgte für viele Missernten und dadurch zu Nahrungsengpässen. Dabei manifestierte sich die Angst vor Schadenszaubern, ein Delikt, das bereits seit der Antike unter staatlicher Strafe stand. In der Hexerei kamen nun nicht nur Zauberei, sondern auch Häresie zusammen. Für dieses "Crimen Mixtum" waren nun sowohl Staat als auch Kirche zuständig.

Wichtig war Seng zu erwähnen, dass nicht nur viele Befürworter der Hexenverfolgung aus dem Kreis der Kirchenvertreter kamen, sondern mit Persönlichkeiten wie Friedrich Spee auch die Initiatoren für ein Ende der Hexenverfolgung.

Bis weit über den Vortrag hinaus wurde im Martinisaal noch über das spannende Thema der Hexenverfolgung und Inquisition diskutiert.