Es ist eine der seltsamsten Entscheidungen, die der Oberste Gerichtshof bisher gefällt hat: Monsanto erhält freie Hand, Landwirte zu verklagen, deren konventionelle Feldfrüchte mit Saatgut kontaminiert wurden, für das Monsanto ein Patent besitzt. Das Urteil ist das jüngste in einer ganzen Reihe von »Siegen« für das Gentechnik-Kartell in den USA über die Interessen von Biobauern und Verbrauchern.

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In dem Verfahren "Organic Seed Growers and Trade Association" u.a. gegenMonsanto Corporation (Supreme Court Fall Nr. 13-303) sprachen die Richter einstimmig Monsanto das Recht zu, gerichtlich gegen Landwirte vorzugehen, deren Felder unabsichtlich mit Monsanto-Material kontaminiert wurden. Damit wies der Oberste Gerichtshof eine Klage des Verbands der Biolandwirte und 80 weiterer Kläger gegen Monsanto ab. Das Gericht bestätigte das Urteil eines US-Berufungsgerichts, das - kaum vorstellbar - auf dem angeblichen Versprechen Monsantos beruhte, man werde nicht gegen Landwirte vorgehen, deren Feldfrüchte, beispielsweise Mais, Sojabohnen, Baumwolle oder Raps, Spuren der Biotechnikprodukte des Unternehmens enthielten.

Im Juni 2013 entschied ein US-Berufungsgericht für den Gerichtsbezirk Washington D.C., der Verband der Biolandwirte und andere Kläger seien nicht klageberechtigt (d.h. sie könnten dem Gericht keine hinreichende Verbindung zu dem oder erlittene Schäden durch das beklagte Vorgehen nachweisen, um an dem Verfahren beteiligt zu sein). Wie das Gericht weiter urteilte, könnten die Kläger Monsantodeshalb nicht daran hindern, sie zu verklagen, falls genetische Merkmale des Unternehmens auf ihrem Acker landeten, »da Monsanto bindende Zusagen gemacht hat, dass ›keine gerichtlichen Schritte gegen Landwirte ergriffen werden, deren Feldfrüchte unabsichtlich Spuren von Monsantos Biotech-Genen enthalten (zum Beispiel, weil transgenes Saatgut oder Pollen auf den Acker des Landwirts geweht wurden)‹«.

Bei der Vorstellung von Monsantos Position vor Gericht behauptete der Rechtsanwalt des Konzerns, Kyle McClain: »Monsanto hat nie geklagt und wird auch in Zukunft nicht klagen, wenn unser patentiertes Saatgut oder Spuren davon nachgewiesen werden, die unabsichtlich auf den Acker eines Landwirts gelangt sind

Monsantos Argument gegenüber dem Berufungsgericht, das der Oberste Gerichtshof nun bestätigte, ist eine offenkundige Lüge. In dem berühmten Verfahren Percy Schmeiser gegen Monsanto wurde ein heute 83-jähriger Rapsfarmer aus Saskatchewan in Kanada von Monsanto verklagt, nachdem der Wind gentechnisch veränderten Monsanto-Samen vom Acker eines Nachbarn auf seine Felder geweht hatte. Der Oberste Gerichtshof von Kanada urteilte zugunsten von Monsanto. Schmeiser erklärte 2001 in einem Interview:
»Heute, mit 70, beteilige ich mich an diesem Kampf gegen Monsanto. Ich wende mich gegen das Unternehmen, weil ein Farmer niemals auf das Recht verzichten sollte, sein eigenes Saatgut zu verwenden. Mir ist es damit deshalb so ernst, weil meine Großeltern Ende der 1890er Jahre und Anfang des 20. Jahrhunderts aus Europa hierher gekommen sind, um frei zu sein und anbauen zu können, was sie wollten. Jetzt bewegen wir uns wieder in Richtung auf ein Feudalsystem, das sie verlassen hatten, weil sie nicht frei waren - praktisch werden wir zu Sklaven des Landes
Monsanto hat eine ganze Streitmacht von Rechtsanwälten, deren einzige Aufgabe Berichten zufolge darin besteht, konventionelle Landwirte, deren Feldfrüchte kontaminiert werden, einzuschüchtern und wegen dieser »unabsichtlichen« Kontaminierung ihrer Äcker zur Zahlung von Lizenzgebühren an Monsanto zu veranlassen.

Großbritannien stoppt sämtliche GVO-Feldversuche

Das jüngste Urteil des Obersten Gerichtshofs der USA zugunsten gentechnisch veränderter Organismen - eines in einer ganzen Reihe in den letzten Jahren, mit denen Monsanto und der GVO-Biotech-Lobby freie Hand gegeben wurde - steht in krassem Gegensatz zum wachsenden Widerstand in der Europäischen Union gegen alle Formen gentechnisch veränderter Feldfrüchte. In Großbritannien - dessen Minister für Ernährung und Umwelt, Owen Paterson, ein offener Fürsprecher für Monsanto und die Biotech-Industrie ist - wird das Ministerium für Umwelt, Ernährung und Ländlichen Raum erstmals seit 2007 »über keinen einzigen Antrag für GVO-Versuche entscheiden«.

Auch in Frankreich, Polen, Italien und anderen Ländern sind sämtliche GVO-Feldversuche gestoppt worden. Dazu gehören auch gentechnisch veränderte Bäume, die in der Nähe von Saint-Cyr-en-Val, in der Nähe der Stadt Orléans, gepflanzt worden waren, und die kürzlich von Anti-Gentechnik-Aktivisten gefällt wurden.