Wie bei jeder vom Westen unterstützten Konferenz zum Thema Syrien wurden auch diesmal kurz vor Beginn der Gespräche im schweizerischen Montreux dramatische Lügengeschichten »enthüllt«, um den Verhandlungen und ihren schon feststehenden Ergebnissen das nötige Gewicht und besondere »Dringlichkeit« zu geben.

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Die beginnenden »Friedensgespräche« bilden da keine Ausnahme. Nun tauchte ein Bericht auf, der, wie CNN berichtete, von der britischen Rechtsanwaltskanzlei Carter Ruck im Auftrag des demokratisch nicht legitimierten Regimes in Katar zusammengestellt wurde und auf eine anonyme Quelle mit dem Decknamen »Caesar« zurückgeht.

Wie Brian Ross in seinem auf der Internetseite des amerikanischen Fernsehsenders ABC veröffentlichten Artikel »USA: Saudis unterstützen weiterhin al-Qaidafinanziell« schreibt, wurde Jasin al-Qadi genau von dieser Kanzlei vertreten, als die USA ihn kurz nach den Anschlägen vom 11. September 2001 beschuldigten, al-Qaida zu finanzieren.

Man sollte auch darauf hinweisen, dass Jasin al-Qadi persönlich eng mit einem der wichtigsten amerikanischen Verbündeten im Syrienkonflikt, dem türkischen Ministerpräsidenten Recep Tayyip Erdoğan, befreundet ist. Dieser dubiose Bericht, der zufällig nur einen Tag vor Beginn der Syrienkonferenz erschien und sich aus einem verwickelten Netz von staatlich unterstütztem Terrorismus und zweifelhaften westlichen Anwaltskanzleien speist, ist dem Ansehen des Westens zu Beginn der »Friedensgespräche« zu Syrien nicht gerade förderlich.

In dem BBC-Artikel mit der Überschrift »USA und Vereinte Nationen zeigen sich über syrische Folter-Enthüllungen schockiert« wird behauptet:
»Der Bericht dreier ehemaliger Ankläger bei Kriegsverbrecherprozessen gründet sich auf die Beweise eines übergelaufenen Fotografen der Militärpolizei, der nur mit seinem Decknamen ›Caesar‹ erwähnt wird. Zusammen mit anderen Beteiligten soll er an die 55 000 digitale Fotos von an die 11 000 toten Häftlingen aus Syrien herausgeschmuggelt haben.«
Dann enthüllt die BBC den Propagandawert, den dieser Bericht angesichts der kommenden Gespräche haben soll, mit den Worten:
»Die Sprecherin des amerikanischen Außenministeriums, Marie Harf« erklärte, [dieser Bericht] »unterstreicht, dass es immer wichtiger wird, dass wir [bei Genf II] Fortschritte machen. Die Lage in Syrien ist so schrecklich, dass wir einen politischen Machtwechsel erreichen müssen. Das Assad-Regime muss gestürzt werden.«
Natürlich räumte der Sprecher der Hohen UN-Kommissarin für Menschenrechte, Navanethem Pillay, später ein, der Bericht sei bisher noch unbestätigt (Hervorhebungen von T.C.):
»Rupert Colville, Sprecher der Hohen UN-Kommissarin für Menschenrechte, Navanethem Pillay, erklärte gegenüber der Nachrichtenagentur AP: ›Dieser Bericht ist extrem alarmierend, und das mutmaßliche Ausmaß der Todesfälle in Haft ist in der Tat schockierend, sollte es sich bestätigen.‹«
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Deckname Caesar, Deckname Curveball

Die Leser sollten sich noch einen anderen Decknamen in Erinnerung rufen, und zwar den des irakischen Informanten Rafid Ahmed Alwan (Deckname »Curveball«), dessen Lügengeschichten die rhetorische Rechtfertigung für die Invasion und Besetzung des Iraks lieferten. Jonathan Owen von der britischen Tageszeitung The Independent schrieb im April 2012 unter der Überschrift »Der Mann, dessen Lügen zu 100 000 Toten führten, packt aus« dazu:
»Der Mann, dessen Lügen als Rechtfertigung für die Invasion des Iraks dienten - mit der ein neunjähriger Krieg begann, der mehr als 100 000 Menschenleben forderte und Hunderte von Milliarden Pfund kostete - will morgen in seinem ersten Interview im britischen Fernsehen auspacken.

Der irakische Überläufer Curveball, der die Behauptung über irakische Massenvernichtungswaffen erfand, lächelt, als er erzählt, wie er sich die ganze Sache ausdachte. Diese Bauernfängerei veränderte den Lauf der Geschichte, denn Rafid Ahmed Alwan El Dschanabis Lügen lieferten die Rechtfertigung für den Irakkrieg.«
Nun tritt wieder einmal ein arglistiger Westen zusammen mit mitschuldigen Vereinten Nationen in so genannte »Friedensgespräche« ein. Dabei berufen sie sich auf unbestätigte Vorwürfe, die nur dazu dienen, die öffentliche Wahrnehmung auf emotionaler Ebene zu manipulieren, sowie auf die Verdrehung von Tatsachen, der Logik und der Vernunft, um ihre Position in einem Konflikt zu stärken, den sie selbst herbeigeführt haben und immer noch bewusst weiterführen, weil sie hoffen, auf diese Weise endlich den von ihnen seit Langem ersehnten »Regimewechsel« herbeizuführen.

Wie der renommierte amerikanische investigative Journalist und Pulitzerpreisträger Seymour Hersh in seinem bereits im März 2007 erschienenen Artikel »Die Neuausrichtung: Spielt die neue Politik der amerikanischen Regierung unseren Feinden im Krieg gegen den Terrorismus in die Hände?« fast prophetisch schrieb, wurde der immer noch andauernde Konflikt in Syrien durch den Westen und seine regionalen Verbündeten herbeigeführt:
»Um den mehrheitlich schiitischen Iran zu schwächen, hatte die Regierung Bush entschieden, ihre Prioritäten in der Nahmittelostregion neu zu bestimmen. Im Libanon hatte die Regierung mit der sunnitischen saudi-arabischen Regierung bei verdeckten Operationen zusammengearbeitet, um die schiitische vom Iran unterstützte Organisation Hisbollah zu schwächen. Die USA waren auch an verdeckten Operationen gegen den Iran und dessen Verbündeten Syrien beteiligt. Eine Begleiterscheinung dieser Aktivitäten war die Förderung sunnitischer extremistischer Gruppierungen, die eine militante Version des Islam vertraten, Amerika feindlich gesonnen waren und sich al-Qaidaverbunden fühlten.« (Hervorhebungen von T.C.)
Es wird nun eingeräumt, dass al-Qaida praktisch alle militanten Kräfte stellt, die in Syrien gegen die Regierung kämpfen. Bei vielen von ihnen handelt es sich um Ausländer, die mithilfe der NATO nach Syrien eingeschleust werden.